Blickpunkt
Wo ist der Sebastian Kurz der Schweiz?

Österreich macht vor, wie man klare Regeln für Flüchtlinge aufstellt. Verantwortlich dafür ist der junge Minister Sebastian Kurz (30). Die Schweiz sollte sich ein Vorbild nehmen, schreibt Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Publiziert: 31.03.2017 um 23:48 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:41 Uhr
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Christian Dorer

Als der 27-jährige Sebastian Kurz 2013 in Wien das Amt des Bundesministers für Europa, Integration und Äusseres übernahm, wurde er von vielen belächelt. Heute ist er dreissig – und keiner macht mehr dumme Sprüche.

Kurz ist nicht nur der beliebteste Politiker Österreichs. Er gilt in ganz Europa als Star. Weil er seine Regeln für Flüchtlinge so glasklar formuliert, dass niemand fremdenfeindliche Motive dahinter vermuten oder seine Forderungen für gut tönende, aber politisch nicht umsetzbare Propaganda halten könnte. 

Es ist eindeutig das Verdienst von Kurz, dass seine Partei, die ÖVP, am Dienstag gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner SPÖ ein Integrationsgesetz verabschiedet hat, also Bürgerliche und Linke gemeinsam.

Die Kernpunkte:

- Die Burka wird verboten, da der Vollschleier die Gleichstellung von Mann und Frau untergräbt. 

- Der Koran darf nicht mehr frei auf der Strasse verteilt werden, da dies der Radikalisierung von Jugendlichen dienen kann.

- Integrationskurse werden Pflicht, da jeder, der in Österreich leben will, die Sprache des Landes und die westlichen Werte begreifen lernen soll.

- Gemeinnützige Arbeit wird für Flüchtlinge Pflicht, da sie einen Beitrag für das Land leisten sollen, in dem sie leben.

Zum BLICK sagte Kurz: «Es gibt in Europa bestimmte Spielregeln, und die sind uneingeschränkt zu respektieren. Mit unserem Gesetz wird eine Pflicht zur Integration festgeschrieben. Damit stellen wir klar, dass es in Österreich und in Europa eine ganz bestimmte Werte- und Gesellschaftsordnung gibt.»

Klare Worte, klare Regeln aus Österreich. 

Und was tun unsere Schweizer Politiker? Sie schwadronieren!

Es brauche keine neuen Gesetze, man müsse die vorhandenen Instrumente nur anwenden, sagt FDP-Ständerat Philipp Müller, «viele Kantone machen es gut, andere weniger». CVP-Präsident Gerhard Pfister sieht schlicht «keinen Handlungsbedarf». Und SP-Ständerat Hans Stöckli verlangt, was die Linke besonders gern verlangt: mehr Geld für die Umsetzung geeigneter Massnahmen.

Und alle beschwören den Kantönligeist. Burkaverbot? Wird wohl landesweit kommen, aber nur mit Druck einer Volksinitiative. Integrationskurse? Darf der Kanton anordnen, muss er aber nicht. Koranverteilung? Das entscheidet die Gemeinde. Arbeitspflicht? Gibt es nicht – obwohl sich die Schweiz rühmt, in diesem Punkt weiter zu sein als Österreich.

Dass Kantone und Gemeinden in vielen Fragen autonom entscheiden, ist richtig. So entstehen massgeschneiderte Lösungen für unterschiedliche Bedürfnisse. Doch niemandem käme in den Sinn, die Höchstgeschwindigkeit in jeder Gemeinde anders zu regeln – weil ein Raser in Thusis GR gleich gefährlich ist wie in Laufen BL, weil nationale Fragen nun mal nicht regional geregelt werden können. Der Umgang mit Flüchtlingen aber ist definitiv eine Frage von nationaler Bedeutung.

Doch das Problem wird von den Parteien zerredet, vertagt, negiert. Anders macht es nur die SVP. Oft hat auch sie keine tauglichen Lösungen. Aber sie versteht es perfekt, das Problem zu bewirtschaften und damit Wahlerfolge einzufahren. 

Die Schweizer machen gern Witze über die Österreicher. Zumindest in diesem Punkt jedoch sollten wir eingestehen, dass sie eine gute Lösung gefunden haben.

Bleibt eigentlich nur die Frage: Wo ist der Sebastian Kurz der Schweiz?

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