760'000 Schweizer Auswanderer erfüllten sich den Traum vom Leben im Ausland
Adieu, Fernweh!

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland. Ob auf der Suche nach dem grossen Erfolg, der Liebe oder dem perfekten Ort, um den Lebensabend zu verbringen. BLICK hat Auswanderer gefragt, was sie zum mutigen Schritt bewegt hat.
Publiziert: 19.12.2019 um 07:29 Uhr
Julia Fritsche, Corine Turrini Flury und Céline Trachsel

Es leben so viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland wie noch nie zuvor. Sie sind auf der Suche nach Liebe, Erfolg, Sonne, Freiheit, unberührter Natur – oder einfach dem perfekten Ort, um den Lebensabend zu verbringen. Laut Bundesamt für Statistik leben zurzeit etwa 760 000 Schweizer im Ausland. Zusammen würden sie damit den viertgrössten Kanton der Schweiz bilden.

Die meisten Auswanderer zieht es nach Frankreich. 197'400 Schweizer wählten dieses Land als neue Heimat. Dahinter folgen Deutschland mit 90'400 Personen und die USA mit 80'400. Der durchschnittliche Auswanderer ist 39 Jahre alt, die Auswanderin mit 44 Jahren etwas älter. Und: Jeder fünfte Auslandschweizer ist über 65 Jahre alt.

Im Ausland reiche die Rente länger, und der Lebensstandard sei höher, sagen Auswanderer. Ein Grossteil der BLICK-Community unterstützt die Entscheidung, im Alter auszuwandern. Viele wünschen sich dasselbe für ihre Zukunft.

Roger und Chantal Achermann wanderten nach Kanada aus.
Foto: Zvg
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BLICK porträtiert Schweizer, die den Schritt bereits gewagt haben. Dabei zeigt sich: Die Gründe, um sich in einem neuen Land niederzulassen, sind um einiges vielfältiger als nur die Lust auf Sonne und ein kostengünstigeres Leben.

Kanada: Der Lebenstraum von Chantal und Roger Achermann

Vor der Rogers Paradise Lodge von Chantal (48) und Roger Achermann (56) erstreckt sich ein 45 Kilometer langer, einsamer See. Ins nächste Dorf sind es über zwei Stunden. In dieser unberührten Natur empfangen sie Feriengäste und bewirten sie.

Bevor das Ehepaar ausgewandert ist, ist es viel gereist. Jahrelang suchten die Achermanns nach dem geeigneten Platz für ihren Traum. «Als wir das Haus an ‹unserem› See sahen, wussten wir: Das ist es.» 2013 kauften sie die Lodge und verbrachten dort vier Sommer, um alles auszubauen, bevor sie definitiv auswanderten. Sie raten anderen Auswanderungswilligen: «Bereitet euch vor, bevor ihr geht. Erkundigt euch gut über das Leben in eurem Traumland.»

Mit der Lodge schrieben sie ihre eigene Erfolgsgeschichte. Die beiden sind trotz der vielen Arbeit zufrieden und erfüllt. Chantal Achermann: «Ja, wir haben hier unser Glück gefunden.»

Kenia: Markus Bossard und seine grosse Liebe

Für eine Non-Profit-Organisation ging der Aargauer Markus Bossard (51) 2017 nach Kenia. Er wollte nach neun Monaten wieder zu Hause sein. Doch dann verliebte er sich – und entschied sich zu bleiben. Seit drei Jahren lebt er mit seiner Frau Evaline (44) und zwei Kindern (12 und 21) in Kisumu, der drittgrössten Stadt Kenias.

Damit Bosshard seine grosse Liebe heiraten konnte, musste er ihrem Vater fünf Kühe bezahlen. Evalines Söhne sind mit ein Grund, warum sie in Kenia bleiben. Denn: «Sie hätten ohne Ausbildung und Sprachkenntnisse in der Schweiz keine Chance.»

Gemeinsam führt das Ehepaar einen Kiosk. «Die Geschäfte laufen nicht schlecht», so Bosshard. Der Rassismus macht dem Paar aber zu schaffen – dafür sind seine Gelenkprobleme aufgrund des warmen Klimas verschwunden. Trotz allem: Er bleibt in Kenia. Weil er seine Frau, seine Familie und das Land liebt.

Thailand: Weltenbummlerin Daniela Erb ist endlich am Ziel

Die reisefreudige Daniela Erb (40) hat vor zwei Jahren ganz allein das Auswanderer-Abenteuer gewagt. «Schon vor 20 Jahren habe ich davon geträumt», sagt die Zürcherin. Von der Welt hat die Sozialpädagogin schon viel gesehen: Zweimal war sie für rund neun Monate auf Weltreise, hat zudem drei Monate auf Hawaii Englisch gelernt und drei Monate Südamerika bereist.

2006 war die damals 27-Jährige das erste Mal auf Kho Lanta und verliebte sich in das Inselparadies. Zuerst wollte sie mit ihrem Mann auswandern, doch als die Ehe in die Brüche ging, blieb nur der Traum. Sie wagte ihn allein – und verliebte sich in einen Thai. Mit ihrem neuen Freund baute sie 2018 sechs Bungalows für Feriengäste.

Daniela Erb und ihr Lebenspartner sind happy in ihrem kleinen, sonnigen Paradies, nur zehn Gehminuten vom Strand entfernt: «Abends nach einem strengen Arbeitstag lieben wir es, zusammen den Sonnenuntergang zu bestaunen.»

Mallorca: Werner Bieinisowitsch hatte keine Lust auf Almosen

Auswandern nach Mallorca – Werner Bieinisowitsch (74) hat den Traum vieler Schweizer Rentner umgesetzt. Sein Beweggrund: «Ich konnte mich frühpensionieren lassen, aber das Geld hätte in der Schweiz nicht gereicht. Aufgrund meines noch kleinen Sohnes hätte ich Ergänzungsleistungen beantragen müssen.» Keine Alternative für Bieinisowitsch: «So entschied ich mich auszuwandern. Ich wollte einfach nicht die Hosen runterlassen müssen.»

Seit 13 Jahren nennt er nun schon die Insel im Mittelmeer seine neue Heimat. Um mit seinen damals 61 Jahren noch was zu tun zu haben, eröffnete er mit seiner Frau eine Cafeteria: «Das war toll. Ich servierte Pasta und Salate. Das lief sehr gut, aber weil meine Frau keinen Spass daran hatte und ich irgendwann älter wurde, verkaufte ich die Cafeteria nach fünf Jahren.»

Kontakt hat er auf Mallorca vor allem zu Einheimischen: «Schweizer treffe ich fast nie.» Sein Credo: «Ich finde, wenn man in einem Land lebt, muss man sich integrieren, mit den Leuten vor Ort Freundschaften schliessen. Ich spreche perfekt Spanisch, bin immer an den Fussballspielen meines Sohnes – und in den Cafés setze ich mich zu den Spaniern.»

Mexiko: Manuela und René Bodenmann sind einfach «hängen geblieben»

Die Welt zu erkunden, war schon immer die grosse Leidenschaft von Manuela (49) und René (57) Bodenmann aus Winterthur ZH. Vor zehn Jahren gaben sie deshalb Wohnung und Jobs auf und machten sich auf den Weg nach Kanada. Dort kauften sie ein Auto und fuhren einfach mal los. «Wir hatten kein bestimmtes Ziel, sondern wollten uns irgendwo am Meer, wo es uns gefällt, eine Existenz aufbauen», sagt Manuela Bodenmann.

In Mexiko stiessen Bodenmanns in Puerto Escondido auf ein Hotel, das nur 50 Meter vom Meer entfernt lag und zum Verkauf stand. Obwohl es heruntergekommen war, schlugen sie zu – und begannen zu renovieren.

Erfahrungen in der Hotellerie hatten sie keine. Trotzdem läuft es so gut, dass sogar drei Monate Ferien im Jahr drinliegen. Bereut hat das Auswanderer-Paar seinen Schritt nie: mehr Freiheit, weniger Stress, mehr gemeinsame Zeit an der Wärme.

Senegal: Richard Oschwald kann sich endlich ein Haus leisten

Richard Oschwald (74) war früher Spitzenkoch, bekochte Charlie Chaplin und führte in der Westschweiz mehrere Restaurants. Doch ein Autounfall veränderte alles. Weil er als Selbständiger keine Pensionskasse hatte, muss er heute mit 1900 Franken im Monat über die Runden kommen.

Diese Umstände brachten Richard Oschwald dazu, zunächst nach Frankreich auszuwandern. Seine Frau, die er dort kennenlernte, ist Senegalesin. Gemeinsam begannen sie, in ihrer afrikanischen Heimat ein Haus zu bauen. Zwar ging die Ehe in die Brüche, doch Oschwald blieb in Westafrika. Denn: «Hier ist alles zehnmal billiger als in der Schweiz.»

Er lebt ein gutes Leben, hat Haus, Pool, Freunde – und jeden Tag Sonne. «In der Schweiz wäre ich eine arme Maus, müsste in einer kleinen Wohnung leben und jeden Rappen umdrehen», sagt er. Zwar lebe er im Senegal auch nicht als reicher Mann. Aber: «Es geht mir gut. Das Ausland hat mich gerettet – und ich bin endlich glücklich.»

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