Anwälte verteidigen Praxis
Wieso kriegt ein Vergewaltiger eine bedingte Haftstrafe?

Der Täter im Fall von Julie Hugo muss nicht ins Gefängnis. Blick sprach mit einem Anwalt, der diese Praxis verteidigt. Doch in der Politik macht sich Unmut breit.
Publiziert: 13.04.2023 um 00:33 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2023 um 09:56 Uhr
Adrien Schnarrenberger

«Verurteilt zu einer bedingten Strafe von zwei Jahren Gefängnis, 24 Monate auf Bewährung.» Als Julie Hugo das Urteil des Richters des Bezirksgerichts Saane hörte, wich die Erleichterung schnell Unbehagen: Muss der Angeklagte wirklich keinen Tag ins Gefängnis?

Sollte das Urteil bestätigt werden – bis zum Ablauf der Berufungsfrist gilt der Mann als unschuldig –, wäre dies kein Einzelfall: Ein Drittel der in der Schweiz wegen Vergewaltigung verurteilten Personen entgeht einer Gefängnisstrafe.

Keiner der von Blick befragten Strafrechtsexperten zeigt sich schockiert über die im Fall Julie Hugo verhängten Strafe. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von sechs Monaten unbedingt gefordert. «Der Richter hätte sich für eine unbedingte Strafe entscheiden können, um ein Zeichen zu setzen. Aber es ist nicht seine Aufgabe, Zeichen zu setzen», sagt ein Strafverteidiger, der anonym bleiben will.

Der Vergewaltiger von Julie Hugo muss nicht ins Gefängnis.
Foto: GABRIEL MONNET
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Die Bevölkerung habe manchmal Schwierigkeiten zu verstehen, dass auch eine Bewährungsstrafe eine Verurteilung sei. «Im Falle einer Vergewaltigung, bei der keine Rückfallgefahr besteht, wird der Schwerpunkt eher auf zivilrechtliche Wiedergutmachungsleistungen gelegt.» In diesem Fall 10'000 Franken für immaterielle Schäden, die gleiche Summe für den Verdienstausfall und die Übernahme der Arztkosten.

In der Politik steigt jedoch der Druck, dass die Gerichte ihre Praxis ändern. Die SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler hat am 16. März eine Interpellation eingereicht. Titel: «Bewährungsstrafen für qualifizierte Vergewaltigung: Steht die Schweiz im Abseits?».

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