30 Jahre Mauerfall
Trauma DDR-Flucht

Katrin Bula (53) flüchtete nach Westdeutschland. Und kehrte kurz nach dem Mauerfall traumatisiert in die DDR zurück. Ihr Mann Uwe Bula (56) wurde nach der Wende arbeitslos.
Publiziert: 02.11.2019 um 13:12 Uhr
Katrin und Uwe Bula leben seit 15 Jahren im Kanton Aargau. Sie können es kaum fassen, dass in der Schweiz die Wahlbeteiligung so tief ist.
Foto: Philippe Rossier
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Rebecca Wyss

Katrin Bula spricht nur selten über ihre Flucht aus der DDR. Diese hat bei ihr Spuren hinterlassen. Am 29. Oktober 1989 kommt sie in Westdeutschland an. Zwölf Tage vor dem Mauerfall. «Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich das alles nicht auf mich genommen», sagt die 53-Jährige nun an ihrem Küchentisch im Kanton Aargau. Neben ihr sitzt Ehemann Uwe Bula. Auf dem Tisch liegt ein Teller mit Spreewaldgurken.

Katrin Bula ist damals 23, hat gerade eine Beziehung hinter sich und will «raus aus der Enge der DDR». Sie lernt früh, dass es etwas Besseres geben muss als den Staat, in dem sie aufwächst. Ihre Eltern sind staatskritisch, verweigern auch schon mal die Wahlen, weil diese getürkt sind – das trauen sich nur wenige.

Im Sommer 1989 hat Ungarn die Grenze aufgemacht, jetzt fahren täglich Busladungen voller DDR-Flüchtlinge von dort über Österreich in die BRD. Auch Katrin Bula und ihre Freundin sind darunter. Eine Zitterpartie. «Wir hatten grosse Angst, dass uns die Stasi abfängt und ins Gefängnis wirft», erinnert sie sich.

Die beiden schaffen es. Doch im Westen sind sie überfordert. Sie müssen sich selbst um einen Job und eine Bleibe kümmern. Sie sind einsam. «Ich hatte einen Kulturschock.» Dann fällt die Mauer, und Bula kehrt zu ihrer Familie nach Thüringen zurück. Ihre Freundin bleibt. Einige Wochen später wird diese von einem Auto überfahren. «Bis heute frage ich mich, ob die Stasi da die Finger im Spiel hatte.»

Auch Uwe Bula spielte als 19-Jähriger mit dem Gedanken, abzuhauen. «Ich hatte aber den Mut nicht.» In der DDR arbeitet er als Möbelschreiner. Am Tag nach dem Mauerfall geht fast niemand arbeiten. Alle fahren in den Westen. «In jener Zeit waren wir euphorisch», erinnert sich der 56-Jährige. Doch schon ein Jahr später verlieren die ersten seiner Freunde ihren Job. Auch ihn trifft es mehrere Male. «Einige Bekannte von mir haben die Wende nicht verkraftet.»

Seit 15 Jahren wohnen die Bulas in der Schweiz. Sie haben den roten Pass. Wenn Wahlen anstehen, brüten sie über den Unterlagen. Ob der tiefen Wahlbeteiligung schütteln sie den Kopf. «Wir empfinden es als grosses Privileg, frei wählen zu dürfen», sagt Katrin Bula. «In der DDR hatten wir das nicht.»

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