EU-Sondersitzung zum Fall Jan Kuciak
Staatsanwalt auf Todes-Liste und Millionen-Betrug

Ein knappes Jahr nach dem Mord an Jan Kuciak (†27) setzt sich ein EU-Sonderausschuss mit Rechercheergebnissen des Reporters auseinander. Es geht um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Forderungen nach einer EU-Staatsanwaltschaft werden laut.
Publiziert: 24.01.2019 um 13:41 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2019 um 14:05 Uhr
Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova wurden in ihrem Haus erschossen. Jan arbeitete für aktuality.sk, das zu Ringier Axel Springer Slowakei gehört und damit zum Ringier-Konzern, der auch den BLICK herausgibt.
Foto: Facebook
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Vinzenz Greiner
Vinzenz GreinerRedaktor Storytelling

Wäre der Plan aufgegangen, würde er vor den EU-Parlamentariern nicht sprechen können. «Ich hätte nicht hier sitzen sollen, weil ich im Zusammenhang mit Jan Kuciak hätte physisch liquidiert werden sollen.» Das sagte Maros Zilinka am heutigen Donnerstag in einem Sonderausschuss des EU-Parlaments.

Zilinka ist in der Sonderstaatsanwaltschaft Chef der Abteilung, die sich um Wirtschaftskriminalität kümmert. Und er ist der zweite Staatsanwalt, der auf einer Todesliste stand. Auch Peter Sufliarsky, mächtiger Mann und seit Neuestem Nummer zwei in der slowakischen Staatsanwaltschaft, stand auf einer Todesliste (BLICK berichtete).

Strafverfahren gegen 77 Personen

Zilinka und andere Staatsanwälte, sowie Peter Bardy, Chefredaktor des vor einem guten Jahr ermordeten Ringier-Journalisten Jan Kuciak (†27), waren am heutigen Donnerstag im «Sonderausschuss zu Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung» des EU-Parlaments geladen.

Genau über solche kriminellen Machenschaften hatte Kuciak immer wieder in seinen Investigativ-Recherchen berichtet – etwa über die illegale Abschöpfung von EU-Agrarsubventionen und Mehrwertsteuerbetrug. Laut Zilinka habe man die von Kuciak zu Tage geförderten Informationen überprüft und im letzten Jahr Strafverfahren gegen 77 Personen in der Slowakei eingeleitet, deren Tätigkeit direkt gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtet gewesen seien.

7,4 Millionen Euro dem Fiskus entzogen

Es geht dabei um verdammt viel Geld: Denn die Sonderstaatsanwälte ermitteln nur bei verursachten Finanzschäden von 6,65 Millionen Euro – pro Einzelfall. Sonst muss die Generalstaatsanwaltschaft ran. So seien 7,4 Millionen Euro etwa beim Import von brasilianischem Hühnerfleisch am Fiskus vorbeigeschleust worden. Auch mit verschachtelten Immobilien-Deals seien Steuergelder hinterzogen worden, so Sonderstaatsanwalt Zilinka im Ausschuss.

Unter den 77 Personen seien auch «Leute, die aus den Medien bekannt sind», sagte der Sonderstaatsanwalt.

Dabei handelt es sich wohl auch um Marian Kocner. Der Unternehmer sitzt in Haft, weil er Wechselscheine in Höhe von 69 Millionen Euro gefälscht hatte.

Europäische Staatsanwaltschaft?

Kocners Name tauchte mehrmals im Sonderausschuss auf. Immer wieder nannte Peter Bardy, Chef der Plattform aktuality.sk, den Unternehmer, und erklärte, wie dieser im slowakischen Örtchen Donovaly über ein Hotel fiktive Transaktionen tätigte – und wie gut Kocner mit Politik und Staatsapparat der Slowakei verbunden sei: Erste Ermittlungen der Kriminalagentur seien im Fall des Hotels einst eingestellt worden, so Bardy. «Erst als Jan Kuciak sechs Fehler in den Akten fand, leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein.»

Ladislav Hanniker, Generaldirektor der Betrugsbekämpfung und Risiko-Analyse-Abteilung der slowakischen Finanzdirektion, sagte darauf trocken vor den Parlamentarieren, man habe schlicht andere Schlussfolgerungen gezogen.

Eine Schlussfolgerung allerdings teilten die meisten anwesenden: Man müsse besser grenzüberschreitend zusammenarbeiten – möglicherweise in Form einer EU-Staatsanwaltschaft.

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