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Regierungskrise in Italien
Fünf-Sterne-Bewegung droht mit Abbruch der Regierungsverhandlungen

In der italienischen Regierungskrise setzt die Fünf-Sterne-Bewegung die Sozialdemokraten (PD) unter Druck und droht mit einem Abbruch der Verhandlungen.
Publiziert: 27.08.2019 um 14:44 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2019 um 14:56 Uhr

Sollten die Sozialdemokraten nicht Giuseppe Conte als Regierungschef zustimmen, gebe es keine weiteren Treffen mehr, teilte die Protestpartei am Dienstag mit.

Scheitert die Regierungsbildung?

Nach einem vierstündigen Treffen am Montagabend habe man keinerlei Fortschritte gemacht; die Sozialdemokraten würden nur über Posten und nicht über Themen reden. «So kann man nicht arbeiten. Entweder ändern sie (PD) ihre Einstellung oder es wird schwierig», hiess es in der Sterne-Mitteilung.

Anders als die Sterne äusserten sich die Sozialdemokraten nach dem Verhandlungsmarathon. «Eine definitive Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber seit gestern Abend sieht es so aus, dass es tatsächlich zu einer gemeinsamen Regierung kommen könnte», sagte die PD-Senatorin Laura Garavini, Mitglied im Fraktionsvorstand der Partei, dem rbb Inforadio am Dienstag.

Die Zukunft des Landes liegt in den Händen von Staatspräsident Sergio Mattarella.
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Parteichef Nicola Zingaretti hatte zuvor gesagt: «Ich bin optimistisch, dass es möglich ist, zu einer Einigung zu kommen.»

Übernimmt Conte als Premier einer neuen Regierung?

Die Fünf-Sterne-Bewegung macht jetzt Druck auf die bisher oppositionellen Sozialdemokraten, Conte als Premier einer neuen gemeinsamen Regierung zu akzeptieren. Conte habe gut gearbeitet und sich auf dem internationalen Parkett Ansehen verschafft, argumentiert Fünf-Sterne-Chef Di Maio.

PD-Vorsitzender Nicola Zingaretti sieht das aber anders. Der Name Conte sei zu stark mit der Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung verbunden und könne daher für ein neues Kabinett nicht infrage kommen, das einen Bruch mit dem «Populisten-Experiment» darstellen soll. 

Über die Person des Premiers wird in Rom noch gestritten. Nicht auszuschliessen ist, dass an der Kandidatur Contes die mögliche Allianz aus PD und Fünf Sternen zerschellen könnte.

Wie geht es weiter?

Die Regierung aus Sternen und rechter Lega von Matteo Salvini war letzte Woche endgültig zerbrochen. Der parteilose Conte hatte seinen Rücktritt eingereicht. Nun verhandeln die Sterne mit den Sozialdemokraten über eine Allianz.

Staatspräsident Sergio Mattarella hält bis Mittwochabend erneut Konsultationen mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Dann muss er entscheiden, ob es eine alternative Regierung geben wird oder ob eine Neuwahl nötig wird. (SDA)

Wer ist eigentlich Giuseppe Conte?

Bis vor Juni 2018 war Giuseppe Conte für die Öffentlichkeit in Italien ein Unbekannter. Der Professor für Privatrecht tauchte damals als Kompromisskandidat für den Premierposten einer Regierung aus Lega und Fünf Sternen auf.

Als «Strohmann» wurde der 55-jährige Conte bei seinem Amtsantritt als Regierungschef von Europas erstem populistischen Kabinett geschmäht. Der Rechtsanwalt mit den pomadisierten Haaren und den eleganten Anzügen wurde von seinen zwei Vizes bestimmt, Luigi Di Maio von den Cinque Stelle und Matteo Salvini von der Lega. Seine Kritiker warfen ihm vor, für seine populistischen Stellvertreter nur als reiner Erfüllungsgehilfe zu dienen und in der neuen Regierung nicht das Sagen zu haben.

Conte überzeugt mit Leistung

Inzwischen hat sich die Lage geändert. Der Ministerpräsident hat in den letzten Monaten sehr an politischer Statur, an staatsmännischer Erfahrung sowie auch an Popularität gewonnen. Zweimal konnte dank Contes Einsatz in Brüssel ein Defizitverfahren abgewendet werden. 

In seiner schwierigen Aufgabe, zwischen den ungleichen Partnern Fünf Sterne und Lega zu vermitteln, hat er stets als sachlicher Moderator gewirkt, der über den Parteien steht und immer die Verfassung im Auge behält. Dabei hat er viel Dialogbereitschaft und Kompetenz bewiesen.

Dank seiner Ruhe und seines diplomatischen Geschicks ist Conte laut Umfragen zum populärsten Politiker aufgerückt und überragte sogar den polternden Lega-Chef Salvini, der vor dem Bruch der Regierungskoalition auf Erfolgskurs segelte.

Contes Karriere

Der 1964 geborene Conte stammt aus Volturara Appula, einem 400-Einwohner-Dorf nahe der apulischen Stadt Foggia. In die Schule musste er daher ins nahe gelegene San Giovanni Rotondo pendeln, den Wallfahrtsort des italienischen Nationalheiligen Padre Pio. Hier arbeitete auch Contes Vater einst in der Gemeindeverwaltung als Beamter. 

1988 promovierte Conte an der römischen Universität «La Sapienza» summa cum laude. Conte war vor seinem Wechsel in den Regierungssitz in Rom Professor für Privatrecht in Florenz und an der römischen Universität LUISS. Er war Mitglied des Obersten Verwaltungsgerichts und Direktor verschiedener Rechtspublikationen sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees der italienischen Notariatsstiftung.

Wie sieht seine Politik aus?

Politisch gilt Conte als progressiv und europafreundlich. Der geschiedene Vater eines elfjährigen Sohnes hatte sich auf Druck seines Freundes Alfonso Bonafede, scheidender Justizminister und rechte Hand von Fünf-Sterne-Chef Di Maio, der populistischen Bewegung genähert, war ihr jedoch nie beigetreten. (SDA)

Bis vor Juni 2018 war Giuseppe Conte für die Öffentlichkeit in Italien ein Unbekannter. Der Professor für Privatrecht tauchte damals als Kompromisskandidat für den Premierposten einer Regierung aus Lega und Fünf Sternen auf.

Als «Strohmann» wurde der 55-jährige Conte bei seinem Amtsantritt als Regierungschef von Europas erstem populistischen Kabinett geschmäht. Der Rechtsanwalt mit den pomadisierten Haaren und den eleganten Anzügen wurde von seinen zwei Vizes bestimmt, Luigi Di Maio von den Cinque Stelle und Matteo Salvini von der Lega. Seine Kritiker warfen ihm vor, für seine populistischen Stellvertreter nur als reiner Erfüllungsgehilfe zu dienen und in der neuen Regierung nicht das Sagen zu haben.

Conte überzeugt mit Leistung

Inzwischen hat sich die Lage geändert. Der Ministerpräsident hat in den letzten Monaten sehr an politischer Statur, an staatsmännischer Erfahrung sowie auch an Popularität gewonnen. Zweimal konnte dank Contes Einsatz in Brüssel ein Defizitverfahren abgewendet werden. 

In seiner schwierigen Aufgabe, zwischen den ungleichen Partnern Fünf Sterne und Lega zu vermitteln, hat er stets als sachlicher Moderator gewirkt, der über den Parteien steht und immer die Verfassung im Auge behält. Dabei hat er viel Dialogbereitschaft und Kompetenz bewiesen.

Dank seiner Ruhe und seines diplomatischen Geschicks ist Conte laut Umfragen zum populärsten Politiker aufgerückt und überragte sogar den polternden Lega-Chef Salvini, der vor dem Bruch der Regierungskoalition auf Erfolgskurs segelte.

Contes Karriere

Der 1964 geborene Conte stammt aus Volturara Appula, einem 400-Einwohner-Dorf nahe der apulischen Stadt Foggia. In die Schule musste er daher ins nahe gelegene San Giovanni Rotondo pendeln, den Wallfahrtsort des italienischen Nationalheiligen Padre Pio. Hier arbeitete auch Contes Vater einst in der Gemeindeverwaltung als Beamter. 

1988 promovierte Conte an der römischen Universität «La Sapienza» summa cum laude. Conte war vor seinem Wechsel in den Regierungssitz in Rom Professor für Privatrecht in Florenz und an der römischen Universität LUISS. Er war Mitglied des Obersten Verwaltungsgerichts und Direktor verschiedener Rechtspublikationen sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees der italienischen Notariatsstiftung.

Wie sieht seine Politik aus?

Politisch gilt Conte als progressiv und europafreundlich. Der geschiedene Vater eines elfjährigen Sohnes hatte sich auf Druck seines Freundes Alfonso Bonafede, scheidender Justizminister und rechte Hand von Fünf-Sterne-Chef Di Maio, der populistischen Bewegung genähert, war ihr jedoch nie beigetreten. (SDA)

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