Bluttat von Küsnacht – Bundesgericht kippt mildes Urteil
Fielen die Richter auf ein grünes Alien herein?

Lausanne pfeift das Zürcher Obergericht zurück: Die bestialische Tötung durch einen Galeristensohn an der Goldküste muss neu aufgerollt werden. Zur Freude der Hinterbliebenen.
Publiziert: 18.07.2021 um 12:30 Uhr
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Aktualisiert: 18.07.2021 um 15:58 Uhr
Katja Fabermit einem Bild ihres Sohnes Alex Morgan.
Foto: Thomas Meier
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Es ist ziemlich dicke Post, die der Zürcher Oberrichter Stefan Volken aus Lausanne bekam: Willkürliche Berücksichtigung von Beweisen, zweifelhafte Abstützung auf Gutachten, Ignorieren von Widersprüchen in den Aussagen des Täters, Verletzung der Ermittlungspflicht, Formfehler.

Diese Vorwürfe erhebt das Bundesgericht in seinem Urteil vom 24. Juni, das am Donnerstag publiziert wurde. Darin geht es um einen Fall, der unter dem Stichwort «Bluttat von Küsnacht» landesweit für Schlagzeilen sorgte.

Kerzenständer als Tatwaffe

In der Nacht des 30. Dezember 2014 kippte unter dem Einfluss von Drogen die Stimmung zwischen zwei gut situierten Kumpels. Galeristensohn B. S.* (36) griff in der Villa seiner Eltern an der Zürcher Goldküste zu einem sechs Kilo schweren Kerzenständer und schlug wiederholt mit voller Wucht auf den Schädel seines Freundes Alex ein. Dann rammte er dem Opfer eine Kerze in den Hals – der 23-Jährige erstickte.

Der Fall wanderte durch die Instanzen: Das Meilemer Bezirksgericht verurteilte S. 2017 unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung zu zwölfeinhalb Jahren.

Am 27. November 2019 senkte das Zürcher Obergericht das Strafmass auf drei Jahre – mit der Begründung: S. habe unter Drogeneinfluss gestanden und sei daher zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig gewesen.

Mutter des Opfers ist erleichtert

Für Katja Faber, die Mutter von Alex, war das ein weiterer Schock, die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein (SonntagsBlick berichtete). Umso mehr freut Faber das Diktum aus Lausanne: «Ich kann nicht beschreiben, was für eine Genugtuung das für mich bedeutet!»

Das Zürcher Obergericht stützte sich in weiten Teilen auf die Aussage von S., er habe sein Opfer im Kokain- und Ketamin-Rausch für ein «grünes Alien» gehalten. Das Bundesgericht stellte nun fest, diese Aussage sei voller Widersprüche: «In den Gutachten divergieren die Angaben von S., wann er Alex als Alien gesehen haben will.» Und weil die Aussage nie «im Rahmen einer justizförmigen Befragung» getätigt worden sei, sei sie nicht verwertbar. «Der Richter darf nicht einfach der für den Beschuldigten günstigeren Expertise folgen», heisst es.

Ex-Freundin wirft S. Vergewaltigung vor

Hinzu kommen laut Bundesgericht widersprüchliche Messungergebnisse über die Substanzen im Blut von Täter und Opfer.

Nicht weniger unappetitlich ist ein anderer Aspekt des Falles: Zürich hatte die Vorwürfe einer Ex-Freundin gegen S. wegen Vergewaltigung abgewiesen – der anale Verkehr sei versehentlich geschehen, die Schilderungen der Frau seien verdächtig detailreich, ausserdem habe sie lange mit der Anzeige gewartet. Auch in diesem Punkt pfeift Lausanne das Obergericht zurück.

Dort muss die Sache nun wieder aufgerollt werden.

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