Krieg im Jemen – exklusives Foto beweist
Saudis töten mit Schweizer Sturmgewehren

Recherchen des SonntagsBlicks zeigen: Saudi-Arabien setzt im Jemen-Krieg SIG-Sturmgewehre aus Schaffhauser Produktion ein. Die Waffen stammen aus einer vom Bund bewilligten Lieferung an Riad.
Publiziert: 28.10.2018 um 00:54 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2022 um 16:07 Uhr
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Der Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi empört die Welt. Er wirft ein grelles Schlaglicht auf das Königreich von Kronprinz Mohammed bin Salman und dessen Machenschaften.

Der Westen fragt sich: Dürfen wir wirtschaftliche Beziehungen pflegen mit einem absolutistischen Unrechtsregime, das Kritiker brutal aus dem Weg räumt?
Besonders umstritten sind Waffenlieferungen an Riad. Saudi-Arabien führt im Jemen einen der blutigsten Kriege unserer Zeit. Die Vereinten Nationen bezeichnen die von den Saudis angerichtete Katastrophe als «grösste humanitäre Krise der Welt».

Letzte Woche hat Deutschland sämtliche Rüstungsexporte an den Wüstenstaat gestoppt. Die Schweiz liefert weiterhin Waffen und Munition. Der Bund stellt sich auf den Standpunkt, dass zurzeit nur geringe Mengen an Rüstungsgütern geliefert werden. Kriegstechnik, bei der keine Gefahr bestehe, dass sie im Jemen-Konflikt zum Einsatz komme.

Im Jemen-Krieg kämpfende saudische Soldaten posieren mit ihren Waffen. Zwei davon (mitte und rechts) sind Schweizer Sturmgewehre des Typs SG 552.
Foto: zvg
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Recherchen zeigen nun aber: Im Jemen wird längst mit Schweizer Waffen geschossen. Dem SonntagsBlick liegt ein Foto von saudischen Soldaten vor, die kurz nach einem Gefecht mit Sturmgewehren aus Schweizer Produktion posieren.
Aufgenommen wurde das Bild Ende 2017 in der Provinz Dschazan. Im dortigen Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen liefert sich die saudische Armee blutige Kämpfe mit den Huthi-Rebellen.

Bei den Waffen handelt es sich um Sturmgewehre des Typs 552-2, hergestellt von der Swiss Arms AG in Neuhausen am Rheinfall SH. Das Gewehr ist eine Kommando-Version des Sturmgewehrs 90, mit dem auch Schweizer Soldaten ausgerüstet sind. Auf ihrer Webseite wirbt die Swiss Arms: «Unsere Präzision für den entscheidenden Einsatz.»

Schweizer Waffen auf dem Schwarzmarkt im Jemen

Nic Jenzen-Jones, Direktor des renommierten australischen Waffenanalysezentrums Ares, das auch mit dem Bund zusammenarbeitet, bestätigt: «Die Sturmgewehre stammen aus Schweizer Produktion.» Die saudischen Soldaten sind dem SonntagsBlick namentlich bekannt.

Seit Jahren infiltrieren die Forscher von Ares Social-Media-Kanäle von Milizen und dokumentieren den internationalen Waffenhandel. Dabei stellten sie kürzlich fest: Die gleichen Schweizer Sturmgewehre werden mittlerweile gar auf dem Schwarzmarkt im Jemen gehandelt. Fotos aus Sanaa belegen das. In geheimen Chat-Gruppen werden die Sturmgewehre zum Kauf angeboten. Als Händler agieren Anhänger der Huthi-Rebellen. Jenzen-Jones geht davon aus, dass die Huthis die Sturmgewehre von saudischen Truppen erbeutet haben.

Konfrontiert mit den Recherchen gibt sich die Firma Swiss Arms wortkarg. Das Unternehmen räumt ein, dass man Sturmgewehre nach Saudi-Arabien geliefert habe, allerdings rechtskonform.

Waffenembargo – Keil in der Regierung

Tatsächlich wurden die Exporte mit dem Segen des Bundes abgewickelt. Im Jahr 2006 bewilligte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) den Verkauf von 106 Sturmgewehren des Typs 552 an die saudische Marine, wie Sprecher Fabian Maienfisch sagt.

Schweizer Waffen im Jemen-Krieg – das heizt die Debatte um ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien weiter an. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, treibt die Frage mittlerweile auch einen Keil in die Schweizer Regierung. Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) stellte an der Bundesratssitzung von dieser Woche den Antrag, alle Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien sofort auszusetzen. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) wies die Forderung harsch zurück. Man könne bewilligte Exportverträge nicht einfach widerrufen.

In Schneider-Ammanns Departement versucht man die Waffengeschäfte mit dem islamistischen Königreich kleinzureden. Die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien sind laut Seco praktisch ausgesetzt. Fakt aber ist: Im Jahr 2017 lieferte die Schweiz Kriegsmaterial im Wert von 4,8 Millionen Franken an Riad. Ersatzteile für Flugabwehrsysteme, Munition und Kleinwaffen.

Auch Europa will ein Embargo

Diese Woche machte der «Tages-Anzeiger» zudem publik, dass der Stanser Flugzeugbauer Pilatus 2017 einen Vertrag mit der saudischen Luftwaffe abgeschlossen hat. Der Auftrag sieht während fünf Jahren den Support von PC-21-Flugzeugen vor, die in der Hauptstadt Riad stationiert sind.

Kommt hinzu: Ausgerechnet jetzt will der Bundesrat Waffenlieferungen auch an Bürgerkriegsländer erlauben. Der Nationalrat hat die Pläne zwar vorerst durchkreuzt. Er entschied, dass künftig das Parlament die Bedingungen für Waffenausfuhren bestimme. In der anstehenden Wintersession stimmt der Ständerat darüber ab.

Lewin Lempert von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) meint zu den Sturmgewehren im Jemen-Krieg: «Es braucht einen sofortigen Stopp für Waffenexporte nach Saudi-Arabien.» Dies will auch das Europaparlament. Es hat die EU am Donnerstag aufgerufen, ein Embargo zu verhängen. Bern will davon bisher nichts wissen.

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