Exodus beim Filmfestival
Schon die vierte ZFF-Chefin muss gehen

Seit dem Abgang von Nadja Schildknecht im Jahr 2020 kommt das Zurich Film Festival nicht zur Ruhe. Nun muss Jennifer Somm gehen.
Publiziert: 10.03.2024 um 09:06 Uhr
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Aktualisiert: 12.03.2024 um 10:48 Uhr
Nadja Schildknecht (hier mit Arnold Schwarzenegger) war Co-Leiterin des ZFF.
Foto: Getty Images
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Raphael RauchBundeshausredaktor

«Mein Ziel ist es, zu prägen, zu begeistern und zu verbinden. Nicht nur als Vorgesetzte und Mitarbeitende – sondern auch als Mensch», schreibt Jennifer Somm (53) auf ihrer persönlichen Website. Das Zurich Film Festival (ZFF) konnte sie nicht prägen – dafür war ihre Zeit zu kurz. Denn seit dieser Woche steht fest: Das ZFF und Somm gehen getrennte Wege. Die offizielle Sprachregelung lautet: «Es bestanden unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Führung. Dies führte zum gemeinsamen Entschluss, die Zusammenarbeit zu beenden.» Wer nachhakt, beisst auf Granit: «Weitere Angaben machen wir nicht dazu.»

Der abrupte Abgang überrascht. Einmal mehr stellt sich die Co-Leitung von Festivaldirektor Christian Jungen (50) als Schleudersitz heraus. Somm ist schon die vierte Managerin, die versucht, in die Fussstapfen von Ex-Model Nadja Schildknecht (50) zu treten. Nach Schildknecht kamen in den letzten drei Jahren Christina Hanke, Elke Mayer, interimshalber Karin Giacomuzzi, Jennifer Somm – und nun interimshalber Roger Crotti. Sie alle waren fürs Business zuständig, während Mitgründer Karl Spoerri (50) und sein Nachfolger Christian Jungen sich um die künstlerischen Belange kümmerten.

Beim ZFF rumpelte es nicht nur hinter, sondern auch vor den Kulissen. Während des letzten Festivals war die Website mehrere Stunden nicht aufrufbar. Und so mancher Festivalbesucher reagierte verärgert darüber, dass er in den Kinos vor Ort keine Tickets kaufen konnte, sondern sich umständlich durch den Onlineshop klicken musste. Doch das wären lösbare Probleme und dürfte nicht der Grund sein, weswegen Somm gehen muss. Ausbleibende Sponsoring-Einnahmen wiegen da schwerer.

Ein Traumpaar: Nadja Schildknecht und Urs Rohner

Rückblende: Ex-Model Schildknecht kam eines Abends am Küchentisch auf die Idee, 2005 das Zurich Film Festival zu gründen. Schildknecht brachte Elan und Glamour mit. Später kritisierten Compliance-Experten, dass die Credit Suisse Hauptsponsor des ZFF war – schliesslich ist Schildknecht mit Urs Rohner (64) liiert, dem ehemaligen VR-Präsident der Credit Suisse.

Allen Unkenrufen zum Trotz: Schildknecht machte das ZFF zu einer Marke. Rein nach Besucherzahlen hat Zürich das altehrwürdige Filmfestival von Locarno längst überholt. Undurchsichtige Aufteilungen zwischen dem künstlerischen und dem kommerziellen Teil veranlassten das Bundesamt für Kultur 2016 dazu, Fördergelder an Bedingungen zu knüpfen. Die Strukturen wurden verändert, die Subventionen konnten weiter fliessen. Der Bund zahlte erst 150’000 Franken pro Jahr. Später waren es 250’000, aktuell sind es 440'000 Franken pro Jahr. Hinzu kommen 400’000 Franken vom Kanton Zürich und 500’000 Franken von der Stadt Zürich. 2020 verabschiedeten sich Schildknecht und ihr Geschäftspartner Karl Spoerri (50) von der ZFF-Spitze; mittlerweile gehört das Festival ganz der NZZ.

Finanzielle Sorgen

Was das ZFF von Anfang an begleitet, sind die finanziellen Sorgen. Im letzten Halbjahresbericht hält die NZZ fest, der Geschäftsgang des ZFF solle stabilisiert werden. Wenn die NZZ am kommenden Dienstag ihren nächsten Geschäftsbericht veröffentlicht, dürfte das Filmfestival keine besseren Zahlen schreiben. Seit letztem Herbst betreibt das ZFF das Zürcher Kino Frame, das ehemalige Kosmos an der Europaallee. «Dieser Schritt ist mit Aufbaukosten verbunden», teilt die NZZ mit.

Kürzlich wurde bekannt: Der Hauptsponsor Generali ist abgesprungen, eine Alternative hat das ZFF bislang nicht gefunden. Das Filmfestival bemüht sich um Schadensbegrenzung: «Generali hat das Sponsoring des ZFF nicht mehr verlängert, um sich komplett auf seine Kernthemen Laufsport sowie Musik und Musikförderung wie die Swiss Music Awards zu konzentrieren.» Das ZFF sei «zuversichtlich, neue Hauptpartner zu finden».

UBS statt Credit Suisse

Klar ist: Schildknechts Nachfolgerinnen, die nicht auf das dicke Telefonbuch des Credit-Suisse-Präsidenten zurückgreifen konnten, hatten Schwierigkeiten, alle Sponsoren zu halten und neue fürs Festival zu begeistern. Immerhin kann sich das ZFF über ein Trostpflaster freuen: Die neue Eigentümerin der Credit Suisse, die UBS, schwört dem Zurich Film Festival ebenfalls die Treue.

Nadja Schildknecht stellt gegenüber Blick klar: «Mein Lebenspartner hatte nie etwas mit dem Sponsoring des ZFF zu tun, wie so oft fälschlicherweise geschrieben wurde.» 2005, als sie das Festival mit ihrem damaligen Geschäftspartner Karl Spoerri gründete, sei sie noch gar nicht mit Urs Rohner liiert gewesen. Dieser wurde erst 2011 CS-Präsident. Bei Verhandlungen mit dem CS-Marketing sei es «immer ums Business gegangen», nie um ihren Lebenspartner, betont Schildknecht.

CS-Engagement machte nur 5 Prozent aus

Auch könne man die ZFF-Finanzen nicht auf das CS-Engagement reduzieren, das weniger als 5 Prozent des Budgets ausgemacht habe: «Wir hatten über 200 Partnerschaften, über 100 Kundenevents, Vereine, die öffentliche Hand wie auch die wunderbaren Besucher und Besucherinnen, welche das Festival ermöglichten», sagt ZFF-Gründerin Schildknecht. Warum das ZFF eine Nachfolgerin nach der anderen austausche, will Schildknecht nicht kommentieren: «Als wir das ZFF in die Hände der NZZ übergeben durften, war es sehr gesund und ich glaube an die kontinuierliche Weiterentwicklung. Dies sah man auch in den letzten Jahren, auch wenn es viel Wechsel an der Spitze gab.»

(11.03.2024, 20.00 Uhr: Artikel um Statement von Nadja Schildknecht ergänzt)

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