Kinder- und Jugendpsychiater Gregor Berger (56) über Depressionen bei Jungen
«Seit den Sommerferien steigen die Fälle wieder»

Das Coronavirus ist viel weniger präsent als noch vor einem Jahr. Doch den Jugendlichen geht es noch immer schlecht, sagt Kinder- und Jugendpsychiater Gregor Berger. Eine Besserung sei nicht in Sicht.
Publiziert: 08.10.2022 um 12:43 Uhr
Jana Giger

Besonders junge Menschen haben aufgrund der Pandemie stark gelitten. Diverse Studien zeigen, dass sie von Depressionen, Ängsten und psychischem Druck betroffen waren. Das bestätigt Gregor Berger, Leiter des Krisen-, Abklärungs-, Notfall- und Triagezentrums an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.

«Die Fälle von Jungen mit psychischen Problemen sind seit zwei Jahren konstant hoch», sagt Berger zu Blick. «Es gibt seit der Pandemie viel mehr Belastungsfaktoren, und deshalb ist es für Jugendliche schwieriger, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.»

Doch auch in der übrigen Bevölkerung haben psychische Probleme zugenommen. Laut einer Umfrage von Pro Mente Sana, einer Stiftung für psychische Gesundheit, fühlen sich 40 Prozent der Befragten öfter nervös, niedergeschlagen oder entmutigt.

Laut Gregor Berger, Kinder- und Jugendpsychiater, sind die Fälle von Jungen mit psychischen Problemen seit zwei Jahren konstant hoch.
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Fälle sind deutlich gestiegen

Obwohl das Coronavirus inzwischen viel weniger präsent ist, kämpfen die Jugendlichen noch immer mit ihrer psychischen Gesundheit. Hier spielten auch der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise eine Rolle. In den Sommerferien gab es laut Berger eine Normalisierung von Notfallkonsultationen. Diese seien jetzt wieder deutlich gestiegen und dürften im Herbst hoch bleiben.

Der erste Anstieg war nach dem ersten Lockdown zu verzeichnen: «Wir haben einen Tsunami an jugendpsychiatrischen Notfällen erlebt», sagt Berger. «Vor allem Jugendliche, die bereits vor der Pandemie mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten und während des Lockdowns wenig Unterstützung von zu Hause erhielten, sind zusammengebrochen.»

Rückkehr in den Alltag war schwierig

Laut dem Experten gibt es drei Hauptgründe, weshalb die Pandemie sich negativ auf die psychische Gesundheit ausgewirkt hat. «Erstens war es in dieser Zeit schwierig, eine Lehrstelle zu finden, was die beruflichen Perspektiven getrübt hat», sagt er. Zudem habe den Jugendlichen der Austausch mit Freunden gefehlt, was eigentlich extrem wichtig wäre für ihre Entwicklung. «Und drittens lebten sie im Lockdown auf engstem Raum mit den Eltern zusammen, was eine Stresssituation war.»

Während Suizide bei Jugendlichen seit 2017 um 67 Prozent zugenommen hätten, seien sie bei Erwachsenen eher zurückgegangen. «Sobald man einen festen Job hat und eine Familie gründet, ist man belastbarer und überwindet Krisen besser», sagt Berger.

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Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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