Vetterliwirtschaft und Manipulation in Seniorenheim in Sennwald
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Ernst Reich erhielt Kündigung:Vetterliwirtschaft und Manipulation in Seniorenheim

Nach BLICK-Enthüllung über Bilanzmanipulation im Altersheim in Sennwald SG
Gemeindepräsident schützt Heimleiter, der Kanton will den Ex-Chef anzeigen

Marcello N.* hat das Altersheim Forstegg in Sennwald in nur vier Jahren zugrunde gewirtschaftet. Dafür bezahlen müssen andere. So kündigt die Gemeinde einen Stellenabbau an. N. wird vom Gemeindepräsidenten aber weiter kräftig geschützt. Der Kanton will N. aber anzeigen.
Publiziert: 29.04.2019 um 23:40 Uhr
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Flavio Paolo RazzinoNachrichtenchef

In nur vier Jahren hat Marcello N.* (42) das hoch rentable Altersheim Forstegg in Sennwald SG zugrunde gewirtschaftet. Langjährige Mitarbeiter wurden auf die Strasse gestellt – mit Kündigungen, die nichtig waren und darum das Heim teuer zu stehen kamen. Gleichzeitig schob N. seinen Freunden aus dem Dorf begehrte Jobs zu (BLICK berichtete).

Die Personalkosten, die ausser Kontrolle gerieten, versuchte der Heimleiter dann auch noch mit Bilanz-Manipulationen zu verstecken. Von den 2,4 Millionen Franken an Reserven, über die das Heim vor Amtsantritt von Marcello N. verfügte, wurden so zwei Millionen Franken verpulvert. Den Schlamassel ausbaden müssen nun die Senioren im Heim mit hohen Taxen – sowie das Personal, das mit Einsparungen rechnen muss.

Gemeindepräsident schützt Heimleiter tatkräftig

Pikant: Der Sennwalder Gemeindepräsident Peter Kindler (65) schaute dem Treiben trotz früher Warnungen aus dem Dorf munter zu. Selbst als ihn die Geschäftsprüfungskommission über die Bilanz-Manipulation aufklärte, verhinderte er, dass der Gemeinderat gegen Marcello N. eine Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung einreichte. «Ich wollte N. ein solches Verfahren ersparen», so Kindler zu BLICK.

Er dürfte einer der schlechtesten Geschäftsleute der Schweiz sein: Marcello N. (42), eidgenössisch diplomierter Betriebswirtschafter HF und Leiter des Altersheim Forstegg in Sennwald SG. In vier Jahren trieb er das hoch rentable Altersheim praktisch in den Ruin – trotz sehr guter Auslastung und geringer Investitionen.
Foto: zVg
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Nun wird bekannt: Um alle Verfehlungen im Altersheim unter Marcello N. ans Licht zu bringen, hat der Gemeinderat die Firma Vitalba AG aus Lenzburg AG im Dezember mit einer umfassenden Betriebsüberprüfung beauftragt. Dieser Bericht liegt seit April auf dem Tisch des Gemeindepräsidenten. 

Wer zahlt die Altersheim-Kosten?

In der Schweiz zahlen Bewohner die Betreuung, Pflege und Pension in einem Alters- und Pflegeheim selber. Dabei gilt: Die Betreuung und Pension werden komplett von den Bewohnern getragen, bei den Pflegekosten übernimmt die Krankenkasse den grössten Teil.

Ihren Teil der Kosten für den Aufenthalt im Heim müssen die Senioren mit ihrem Einkommen aus AHV-Rente und Pensionskassen-Rente decken. Reicht der nicht, wird auch das Vermögen dafür veräussert. Dabei gilt die Freigrenze von 37'500 Franken – bei Alleinstehenden.

Ist das Vermögen eines Heimbewohners aufgebraucht, übernimmt die Sozialhilfe via Ergänzungsleistungen die Kosten – und somit indirekt auch der Steuerzahler.

Flavio Razzino

In der Schweiz zahlen Bewohner die Betreuung, Pflege und Pension in einem Alters- und Pflegeheim selber. Dabei gilt: Die Betreuung und Pension werden komplett von den Bewohnern getragen, bei den Pflegekosten übernimmt die Krankenkasse den grössten Teil.

Ihren Teil der Kosten für den Aufenthalt im Heim müssen die Senioren mit ihrem Einkommen aus AHV-Rente und Pensionskassen-Rente decken. Reicht der nicht, wird auch das Vermögen dafür veräussert. Dabei gilt die Freigrenze von 37'500 Franken – bei Alleinstehenden.

Ist das Vermögen eines Heimbewohners aufgebraucht, übernimmt die Sozialhilfe via Ergänzungsleistungen die Kosten – und somit indirekt auch der Steuerzahler.

Flavio Razzino

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Personalabbau geplant

Doch veröffentlichen will Kindler ihn auf keinen Fall. Auch hier ist ihm der Schutz des Heimleiters das wichtigste Anliegen. «Was im Bericht steht, geht niemanden was an – er ist ausschliesslich für den Gemeinderat vorgesehen», so Kindler. Dabei wisse er, dass man den Bericht mit Blick auf das kantonale Öffentlichkeitsgesetz wohl einklagen könne. Dennoch: «Das muss aber erst mal einer machen – und bis dahin bleibt er unter Verschluss, basta!»

Laut BLICK-Informationen fasst dieser Bericht nicht nur zusammen, was unter N. alles schiefgelaufen ist – er stellt auch Massnahmen vor, um das Altersheim aus den roten Zahlen zu holen. Dabei wird deutlich: Die Zeche für N.s Unvermögen, ein Heim zu führen, zahlen nun die Angestellten. Kindler, der als Gemeindepräsident pro Jahr 150'774 Franken verdient plus 5100 Franken Pauschalspesen, bestätigt: «Ja, wir müssen jetzt Personal abbauen!» Das Kader sei am Freitag darüber informiert worden.

Amt für Gemeinden prüft Strafanzeige

Mittlerweile hat sich auch das Amt für Gemeinden des Kantons St. Gallen in die Altersheim-Causa eingeschaltet. Das Amt hat die Aufsicht über die Amtsführung und den Finanzhaushalt aller Gemeinden. Amtschef Alexander Gulde bestätigt BLICK, vom Schlamassel in Sennwald zu wissen. «Wir haben von den Vorgängen im Altersheim Forstegg Kenntnis und begleiten die Gemeinde in der Aufarbeitung. Dabei haben wir der Gemeinde mitgeteilt, dass wir eine gründliche Aufarbeitung erwarten.» Zudem werde das Amt nun prüfen, ob eine Strafanzeige gegen Marcello N. eingereicht werden müsse.

N. hatte unterdessen am Freitag seinen letzten Arbeitstag – seine Stelle als Heimleiter hatte er im Februar freiwillig gekündigt, um sich beruflich «neu zu orientieren».

* Name geändert

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