Nowitschok-Fall in Salisbury fordert Todesopfer
Britin (44) stirbt im Spital

Die mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftete Britin ist tot. Dies teilte die Polizei im Südwesten Englands am Sonntagabend mit. Die 44-jährige Frau und ihr 45-jähriger Partner waren vor einer Woche in ein Spital in Salisbury eingeliefert worden.
Publiziert: 08.07.2018 um 23:02 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:12 Uhr

Südengland steht unter Schock: Die 44-jährige Dawn Sturgess ist gestorben. Die Frau aus Amesbury und ihr 45-jähriger Lebensgefährte Charles Rowley waren am Samstag vor einer Woche mit Vergiftungserscheinungen ins Salisbury District Hospital eingeliefert worden (BLICK berichtete). Sie hinterlässt drei Kinder. Der Mann ist weiter in einem kritischen Zustand, wie ein Polizeisprecher sagte.

Für den Leiter der britischen Terrorabwehr, Neil Basu, sind die Ermittler nach Sturgess' Tod noch motivierter, der «empörenden, rücksichtslosen und barbarischen Tat» auf die Spur zu kommen.

Christine Blanshard, die medizinische Direktorin des Salisbury District Hospitals, in dem die vier Opfer behandelt wurden, sagte der Zeitung «Daily Telegraph», das professionelle und engagierte Klinikteam habe alles versucht, um Sturgess zu retten.

Die Ermittler gehen davon aus, dass das Paar versehentlich mit dem tödlichen Nervengift in Berührung gekommen war. Das Paar aus Amesbury könnte demnach etwa ein Fläschchen oder eine Injektionsspritze mit Resten des Gifts gefunden haben, das beim Attentat auf die Skripals verwendet wurde. Britische Medien berichteten, dass beide Drogenkonsumenten seien.

... Charles Rowley (45) wurden mit Nowitschok vergiftet.
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Risiko für Bevölkerung ist «gering»

Die Polizei sperrte sechs Areale in Amesbury und im 13 Kilometer entfernten Salisbury ab, in denen sich das Paar kurz vor den ersten Symptomen aufhielt. Dazu zählen eine Apotheke, eine Kirche und das Wohnhaus des 45-Jährigen. Das Hostel, in dem seine Freundin lebte, wurde evakuiert.

Nicht ausgeschlossen wird, dass noch andere Menschen mit dem Gift in Kontakt kommen könnten, solange der kontaminierte Gegenstand im Fall des Paares nicht gefunden ist. Das Spital in Salisbury versicherte am Samstag jedoch, das Risiko für die Bevölkerung sei gering. Bei einem Polizisten, der am Samstag wegen Verdachts auf Vergiftung in dem Krankenhaus untersucht worden war, konnte Entwarnung gegeben werden.

Fall Skripal sorgte für Aufregung

Der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal (67) und seine Tochter Julia (33) waren vor vier Monaten bewusstlos auf einer Parkbank im benachbarten Salisbury entdeckt worden. Sie entkamen nur knapp dem Tod und leben inzwischen an einem geheimen Ort. Sie wurden ebenfalls im Salisbury District Hospital behandelt.

London bezichtigte Moskau, Drahtzieher des Anschlags gewesen zu sein. Nowitschok wurde in der früheren Sowjetunion entwickelt, später wurde damit aber auch in anderen Ländern experimentiert. Der Kreml streitet die Vorwürfe vehement ab. Der Fall löste eine schwere diplomatische Krise aus. Mehr als zwei Dutzend Länder wiesen russische Diplomaten aus. Russland reagierte ebenfalls mit Ausweisungen.

Russland fordert Entschuldigung

«Es wird Zeit, dass Russland genau erklärt, was vorgefallen ist», hatte der britische Innenminister Sajid Javid am Donnerstag im Parlament gesagt. Es seien «Aktionen der russischen Regierung», die «bewusst oder zufällig» britische Bürger in Gefahr brächten.$

Auch Verteidigungsminister Gavin Williamson machte Russland verantwortlich. «Die einfache Realität ist, dass Russland einen Anschlag auf britischem Boden verübt hat, der zum Tod einer britischen Bürgerin geführt hat», sagte Williamson am Montag im Parlament. Dort wurde er zur Gefahrenlage für die Bürger befragt.

Die Reaktion der russischen Regierung fiel scharf aus. Die britische Polizei solle die «dreckigen politischen Spiele mancher Kräfte in London» nicht mitmachen und «endlich» mit Russland zusammenarbeiten, sagte die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa. Sie forderte die britische Regierung zudem auf, sich bei Russland für die Vorwürfe zu entschuldigen.

Was ist Nowitschok?

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

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