39’000 Franken für einen Nationalratssitz
Parteien fordern viel Geld für gute Listenplätze

Je weiter vorne, desto teurer: Teilweise mehrere Tausend Franken muss lockermachen, wer für die Nationalratswahlen dieses Jahr einen Listenplatz ergattern will. Gerade Jungen kann das eine Kandidatur erschweren.
Publiziert: 03.03.2019 um 22:58 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2019 um 17:34 Uhr
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Es sind 200 Sitze, die heiss begehrt sind. Knapp 3800 Frauen und Männer liessen sich 2015 für die Nationalratswahlen aufstellen. Dieses Jahr dürften es noch mehr sein. 

Wer es auf die Liste schafft – und vor allem, auf welche Position – ist teilweise auch eine Frage des Geldes. Denn in vielen Kantonen kostet ein Listenplatz. Teilweise zahlt ein Kandidat, der ganz vorne auf der Liste steht, 5000 Franken – wird er gewählt, muss er eventuell zusätzlich seiner Partei eine noch höhere Abgabe zahlen.

Zwei Drittel der Parteien verlangen Geld

BLICK hat in sechs Kantonen den Vergleich gemacht. Angefragt wurden sämtliche grösseren Parteien in Zürich, Bern, Aargau, St. Gallen, Luzern und Graubünden. Die Analyse zeigt: Zwischen den Parteien, ja selbst parteiintern herrschen massive Unterschiede, was den Preis eines Listenplatzes betrifft.

Der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina kritisiert das Geschäft mit den Listenplätzen. Er selbst musste seiner Kantonalpartei nichts zahlen.
Foto: Keystone
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Bei knapp zwei Dritteln der 42 berücksichtigten Kantonalparteien sind zumindest die vorderen Listenplätze nicht gratis zu haben. In rund der Hälfte der Fälle steigen die Kosten, je weiter vorne der Name auftaucht. 

Zürcher Grünliberale wollen gerechter werden

Das ist etwa bei den Grünliberalen im Kanton Zürich der Fall. Für die ersten sechs Ränge verlangt die Partei 4000 Franken, für die hintersten noch 500 Franken. Gewählte müssen der Kantonalpartei nach der Wahl zudem 35'000 Franken zusätzlich abliefern.

Noch vor vier Jahren haben die Zürcher Grünliberalen auf ein anderes System gesetzt. Damals mussten die Kandidaten auf den ersten Listenplätzen 40'000 Franken zahlen – unabhängig davon, ob sie gewählt werden oder nicht. Man habe sich bewusst dazu entschieden, das zu ändern, sagt Präsidentin Corina Gredig. «So schaffen wir eine gerechtere und fairere Ausgangslage.» Wer gewählt werde, zahle den Erfolgsbeitrag gerne. «Dafür ist man dann im Parlament unabhängiger, weil man im Wahlkampf nicht auf Grossspenden von Interessenverbänden angewiesen war.»

Im interkantonalen Vergleich bleiben Ungerechtigkeiten aber bestehen. Während Fraktionschefin Tiana Angelina Moser aus Zürich im Falle einer Wiederwahl 39'000 Franken zahlt, muss der Aargauer GLP-Nationalrat Beat Flach nichts abliefern.

FDP und BDP sind am teuersten

Gross sind die Unterschiede auch bei der BDP. In Luzern und St. Gallen verlangen die Kantonalparteien nichts. Bei der Aargauer BDP stehen die Kosten für dieses Jahr noch nicht fest, 2015 waren es aber bis zu 35'000 Franken für einen Gewählten.

Generell gehört die BDP zu den Parteien, die am meisten für einen Listenplatz verlangen. Auch FDP-Kandidaten müsse vergleichsweise tief in die Tasche greifen. Als eher grosszügige Parteien stellen sich SVP und SP heraus. Bei ihnen kostet eine Kandidatur meist gar nichts oder vergleichsweise wenig. Wenn Kosten erhoben werden, betonen die entsprechenden Kantonalparteien, heisse das nicht, dass man sich einen Listenplatz kaufen könne. Über die Reihenfolge der Namen auf der Liste entschieden andere Kriterien. 

Wirft man den Blick nicht auf Unterschiede zwischen den Parteien, sondern der Kantone, stösst man auf eine Überraschung. Vergleichsweise sehr häufig und mit relativ hohen Kosten verbunden ist ein Listenplatz in Graubünden – ausgerechnet dem Kanton, in dem die Sitze 2015 am wenigsten umkämpft waren. Bis zu 15'000 Franken muss ein Bündner FDP-Kandidat lockermachen; wird er gewählt, kommen nochmals etwa 20'000 Franken dazu. 

Molina: «Das macht die Chancengleichheit kaputt»

Klar: Wahlkampf kostet – irgendwie müssen die Ausgaben der Kantonalparteien gedeckt werden. Gewählte können die Beiträge zudem mit ihrem Nationalratslohn zahlen. Dennoch ist die Praxis der Listenplatz-Kosten umstritten und vielerorts verpönt. «Ich finde es daneben, wenn Parteien ihre Listenplätze verschachern. Für uns zählen die Fähigkeiten eines Kandidaten, nicht, wie reich er ist», sagt Sebastian Dissler, Parteisekretär der SP Luzern. Die Kantonalpartei verlangt nichts für einen Listenplatz, abgesehen von der bei allen Parteien üblichen Mandatsabgabe.

Die SP Zürich handhabt das ähnlich. Hier beteiligen sich die Kandidaten je nach individuellem Wahlkampfbudget an den Kosten für die gemeinsame Kampagne. Man wolle keine fixen Kosten für Listenplätze, die tiefe und mittlere Einkommen «de facto von einer Kandidatur für den Nationalrat ausschliessen», begründet Stefan Rüegger, Kampagnenleiter der SP Zürich, das Modell. 

Profitiert davon hat unter anderem Jung-Nationalrat Fabian Molina, der noch Student war, als er für die grosse Kammer kandidierte. «Ich finde es falsch, wenn Parteien finanzielle Hürden aufstellen. Das macht die Chancengleichheit kaputt», sagt er. Von Personen aus anderen Parteien habe er deswegen auch schon Klagen gehört. 

«Niemand Junges ist bereit, so viel zu investieren»

Besonders für Junge, die kaum Erspartes haben, können die Listenplatz-Kosten eine grosse Hürde sein. Bei den Wahlen 2011 zahlte ein BDP-Kandidat in Luzern rund 4000 Franken. «Kandidiert haben nur ältere Semester», sagt Parteipräsident Denis Kläfiger. «Niemand Junges ist bereit, so viel zu investieren.» Schliesslich müsse man ehrlich sein: «Bei uns geht es weniger darum, gewählt zu werden, als für die Mitte Stimmen zu holen und Werbung zu machen für sich und die Partei – insbesondere im Hinblick auf die Kommunalwahlen 2020.» Kläfiger ist überzeugt: «Würde ein Listenplatz kosten, würden wir gar keine Freiwilligen mehr finden.»

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