BLICK nahm 913 kantonale Richter unter die Lupe
Von wegen links und nett!

Es ist das Mantra der SVP: Die Richter in der Schweiz sind viel zu links. BLICK hat den Test gemacht und 913 Richterstellen analysiert. Das Resultat ist klar: Die höchsten Kantonsgerichte sind dominiert von SVP, FDP, CVP und Mitteparteien.
Publiziert: 29.06.2017 um 23:44 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:42 Uhr
Keine SVP-Richter: Obergericht Solothurn.
Foto: Peter Gerber
Matthias Halbeis und Simon Huwiler

Die SVP hat es nicht so mit Richtern. Aktuell treibt sie ihre Selbstbestimmungs-Initiative voran: «Schweizer Recht statt fremde Richter». Aber die Tonlage ist eigentlich seit Jahren dieselbe: Richter auch in der Schweiz seien überhaupt zu weit weg vom Volk, sagt die SVP. Sie urteilten zu abgehoben, zu nachsichtig, zu nett. Links, halt.

Doch jetzt zeigt eine umfassende Analyse von BLICK von 913 Richterstellen an den höchsten Gerichten in den Kantonen etwas ganz anderes: Die Mehrheit der Bürgerlichen in der Justiz ist erdrückend. Die Linken sind jedenfalls an diesen Gerichten nicht über-, sondern untervertreten. Nimmt man die Wähleranteile der kantonalen Parteien als Massstab, und dieser gilt immer noch, wenn es um die Verteilung der Richterstellen geht, dann gibt es zu wenig linke Richter.

Zur Erinnerung: Die Wähleranteile in den Kantonen entsprechen nicht jenen auf Bundesebene. Gemäss dem Zentrum für Demokratie in Aarau kommt die SVP in den Kantonen auf 23 Prozent, die FDP auf 18,7, die CVP auf 13,2 Prozent der Stimmen. Die SP schafft es in der Statistik auf 18 und die Grünen auf neun Prozent. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2015. Neuere sind nicht verfügbar.

Im Vergleich dieser Zahlen mit der Richter-Zählung von BLICK zeigt sich: Die SP kommt zu kurz. Die Sozialdemokraten stellen nur gut 16 Prozent der Richterposten – drei Prozent weniger als ihnen gemäss Wähleranteil zustehen sollte. Überraschend gut stehen die Grünen da: Mit neun Prozent aller Richter haben sie exakt so viele wie Wähleranteile in den Kantonen. Aber auch Links-Grün zusammen macht die Untervertretung nicht wett.

SVP, FDP, CVP, GLP und BDP kontrollieren zusammen mehr als zwei Drittel aller Richtersitze. In der bürgerlichen Schweiz sind auch die Gerichte klar bürgerlich. Ein komfortables Gewicht, um die Rechtssprechung nachhaltig einzuspuren.

Doch die SVP hat durchaus Grund, sich zu beklagen. Denn innerhalb des Bürgerblocks ist auch sie krass untervertreten. Als grösste Partei kontrolliert sie nur knapp 14 Prozent der Richtersitze. Die FDP mit 26 Prozent und die CVP 18 Prozent haben mehr Posten als ihnen zustehen. Um das zu ändern, müsste die SVP allerdings in den kantonalen Parlamenten Mehrheiten für mehr Richtersitze zimmern. Und genau das gelingt ihr kaum.

Ihre stereotypen Angriffe auf die Justiz sind dabei nicht hilfreich. Denn wo sich FDP und CVP und mit ihnen ihre Richter als Kuschelrichter beschimpft sehen, bieten sie ungern Hand für eine Neuverteilung.

Gutes Beispiel für diesen Mechanismus ist der Kanton Solothurn: Seit den Kantonsratswahlen von 2001 erreichte die SVP immer mehr als 15 Prozent der Stimmen. Sie hätte absolut Anspruch auf mindestens eine der zehn vollamtlichen Richterstellen am Obergericht. Doch im Kantonsrat, der die Richter wählt, hatten SVP-Kandidaten nie den Hauch einer Chance. FDP und CVP halten zusammen. Einzig die SP – und das ist mehr als ironisch – anerkannte den Anspruch der Blocher-Partei.

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