Ex-Staatssekretär Ambühl schlägt Alarm
Wir sind zu nett für den Poker mit der EU!

Ex-Staatssekretär Michael Ambühl sagt, warum die Schweiz bei Verhandlungen nicht das Optimum rausholt.
Publiziert: 28.04.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:38 Uhr
Top-Diplomat: Ex-Staatssekretär Michael Ambühl (63) vertrat die Schweiz unter anderem bei den Verhandlungen für die Bilateralen 1 und 2. Heute ist er Professor für Verhandlungsführung an der ETH.
Foto: RDB
Von Christoph Lenz

Seit dem 9. Februar 2014 bearbeiten Schweizer Regierungsvertreter unermüdlich ihre Kollegen in Brüssel und anderen europä­ischen Hauptstädten. Das Ziel: Die EU-Staaten sollen eine Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative zulassen, ohne die Bilateralen zu kündigen.

Bislang ist die Offensive nicht von Erfolg gekrönt. Alles deutet darauf hin, dass die Schweiz in Brüssel aufläuft.

Nun legt eine Analyse des Ex-Staatssekretärs Michael Ambühl nahe, dass das nicht allein an der «Mission Impossible» der Schweizer Delegation liegen könnte. Sondern auch daran, wie unser Land in der Aussenpolitik generell auftritt.

Ambühls Befund: Unsere Stärken sind unsere Schwächen! Just jene Eigenschaften, die den Erfolg der Schweiz begründen, stehen uns am Verhandlungstisch bisweilen im Weg. Sie haben, wie Ambühl gestern am Europa Forum in Luzern diagnos­tizierte, «erschwerende Nebeneffekte». Er drückte sich diplomatisch-indirekt aus, doch der Zusammenhang zu den EU-Verhandlungen war offensichtlich.

- Wir sind konfliktscheu. «Im Inland wird der Konsens mit Erfolg praktiziert», so Ambühl. Die Konsenskultur hindere uns aber daran, in der Aussenpolitik hart aufzutreten und das eine oder andere Mal Druck aushalten zu können. Ambühl: «Das Feld wird dem entschlossener auftretenden Gegenüber überlassen.»

- Wir sind unkoordiniert. Ambühl ortet mangelnde aussenpolitische Abstimmung bei Bundesrat, Verwaltung und Öffentlichkeit. Die Ursachen lägen etwa darin, dass der Bundesrat eine Kollegialbehörde ist. Die Folge sei eine «departementa­lisierte Aussenpolitik», so Ambühl. Zudem werde die Landesregierung im Inland nicht aus­reichend unterstützt. So genüge es, Schweizer Zeitungen zu lesen, um Bluffs von Schweizer Unterhändlern zu erkennen.

- Wir sind bescheiden. Auch die «helvetische Bescheidenheit» kann sich gemäss Ambühl nachteilig auf Verhandlungsergebnisse auswirken. Indem wir die Maxime «Tue Gutes und sprich nicht darüber» befolgten, holten wir bei Verhandlungen nicht das Maximum heraus.

- Wir sind zu vornehm. Ambühl vermisst zuweilen den «Willen oder Mut, an Verhandlungen Pakete zu schnüren». Schuld sei die «helvetische Ethik», die eine Verknüpfung von sachfremden Dossiers ausschliesse. Ambühl: «Man lässt sich nicht auf die Niederungen des Feilschens ein.»

Jedoch warnt er davor, an der Grundkonfiguration der Schweiz (Föderalismus, Konsenskultur, breite Koalitionsregierung) he­rumzubasteln. «Diese Eigenschaften sind gut!» Abhilfe könnten punktuelle organisatorische Massnahmen schaffen. Etwa eine sanfte Stärkung des Aussendepartements, womit eine bessere Koordination der Aussenpolitik möglich würde. Ebenso eine Sensibilisierung der Parteien und der Öffentlichkeit auf Aussenpolitik. Zudem glaubt Ambühl, dass eine bes­sere Schulung der Fachleute, die etwa in Brüssel an Verhandlungen teilnehmen, bes­sere Ergeb­nisse für die Schweiz zur Folge hätten.

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