Manipulierte Chiffriergeräte
CIA und BND spionierten dank Schweizer Hilfe

Über die Zuger Firma Crypto AG haben der US- und deutsche Geheimdienst jahrzehntelang andere Staaten ausspioniert. Der Bundesrat hat eine Untersuchung eröffnet.
Publiziert: 11.02.2020 um 13:53 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2020 um 08:51 Uhr
Der US-Geheimdienst CIA ...
Foto: AFP
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Lea Hartmann

Schon seit Jahrzehnten geistert das Gerücht herum, dass ausländische Geheimdienste dank Schweizer Unterstützung andere Regierungen aushorchen. Nun hat ein Recherche-Kollektiv von SRF, ZDF und «Washington Post» den Beweis dafür gefunden. Mindestens bis 2018 haben der US-Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) demnach mit manipulierten Chiffriergeräten der Crypto AG mit Sitz in Steinhausen ZG Abhöraktionen durchgeführt. Das belegt laut dem Recherche-Kollektiv ein 280-seitiges Dossier der CIA, das dem ZDF zugespielt worden ist. Bernd Schmidbauer, einst Geheimdienstkoordinator unter dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl, bestätigte die Recherchen.

Aus den Dokumenten soll auch eindeutig hervorgehen, dass der Schweizer Geheimdienst von der Operation wusste. In einem Papier heisst es demnach: «Die Bundespolizei (das Schweizer Pendant zum amerikanischen FBI) hat den militärischen Nachrichtendienst kontaktiert. Hohe Beamte der Organisation hatten generell Kenntnis von der Rolle Deutschlands und der USA im Zusammenhang mit der Crypto AG und trugen dazu bei, diese Beziehung zu schützen.»

Geräte waren manipuliert

Die Crypto AG ist 1952 gegründet worden. In den 70er Jahren übernahmen laut Recherchen CIA und BND die Firma – verschleiert über eine Briefkastenfirma in Liechtenstein. Während mehrerer Jahrzehnte sei eine Hintertür in einen Teil der Chiffriergeräte gebaut worden, mit der die USA und Deutschland geheime Botschaften entschlüsseln konnten.

«Diplomatische und militärische Verkehre vieler wichtiger Länder der Dritten Welt, aber auch europäischer Staaten (...) konnten (...) flächendeckend mitgelesen werden», heisst es in den Dokumenten. Insgesamt sollen über 100 Staaten abgehört worden sein, darunter auch Verbündete. Dabei profitierten die ausländischen Geheimdienste vom Vertrauen, das viele Staaten in die Technik aus dem neutralen Land Schweiz hatten.

Von Menschenrechtsverletzungen gewusst

Dank der Abhöraktionen haben die USA und Deutschland immer wieder über politisch brandheisse Informationen verfügt, die sie zu ihrem Vorteil und demjenigen ihrer Verbündeter nutzten. Zum Beispiel während der Geiselaffäre im Iran, der US-Invasion in Panama 1989 oder Militärputsch 1973 in Chile. Auch der libysche Diktator Muammar Gaddafi auf die vermeintlich abhörsichere Crypto-Technik gesetzt haben.

Die Recherchen zeigen auch, dass die ausländischen Geheimdienste durch die manipulierten Chiffriermaschinen aus Zug von schweren Menschenrechtsverletzungen wussten – diese aber verschwiegen.

Deutschland ist gemäss den Dokumenten 1993 aus der gemeinsamen Operation ausgestiegen. Die USA hingegen sollen fleissig weiter spioniert haben. Bis 2018 die Crypto AG verkauft und aufgespalten wurde. Die CyOne Security führt das Geschäft in der Schweiz weiter, die Crypto International ist in Besitz des schwedischen Unternehmers Andreas Linde. Beide beteuern gegenüber SRF, nichts mit Geheimdiensten zu tun zu haben.

Untersuchung eingeleitet

Der Bundesrat hat aufgrund der Recherchen eine Untersuchung eröffnet. Geleitet werden soll sie laut SRF vom ehemaligen Bundesrichter Niklaus Oberholzer.

Zudem hat Wirtschaftsminister Guy Parmelin laut SRF bereits im Dezember, als er Wind von der Recherche bekam, die Generalausfuhrbewilligung der Crypto International sistiert. Die Sistierung gelte, bis alle offenen Fragen geklärt seien.

Die Crypto AG hatte in der Vergangenheit immer geleugnet, mit ausländischen Geheimdiensten verbandelt zu sein. 2015 hat die britische BBC basierend auf deklassierten Dokumenten aufgedeckt, dass der Gründer der Crypto AG mit dem US-Geheimdienst NSA gemeinsame Sache machte. Er verriet den Amerikanern wichtige technische Details über seine Chiffriermaschinen und soll gewissen Kunden absichtlich technisch weniger fortgeschrittene verkauft haben, die leichter zu knacken sind. Damals war auch die Rede davon, dass der Deal möglicherweise noch weiter ging. Bislang fehlten dafür aber handfeste Beweise.

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