Nationalrat will Arbeitsgesetz aufweichen
Zu Hause ists am schönsten

FDP-Nationalrat Thierry Burkart (41) will das Arbeitsgesetz zu Gunsten von Arbeit im Heimbüro aufweichen. Arbeitnehmer bekämen dadurch mehr Gestaltungsfreiheit, sagt Burkart. SP-Nationalrat Corrado Pardini hingegen warnt vor einer «totalen Ausbeutung».
Publiziert: 01.12.2016 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 28.09.2018 um 17:57 Uhr
Ruedi Studer

Jetzt kommt die Lex Homeoffice! Der Nationalrat will das Arbeitsgesetz zu Gunsten von Heimarbeit aufweichen. FDP-Nationalrat Thierry Burkart (AG) hat bereits eine Mehrheit der Nationalräte für dieses Anliegen hinter sich geschart.

104 Unterschriften für Burkarts Vorstoss

104 Volksvertreter aus allen bürgerlichen Parteien – darunter die Parteichefs Petra Gössi (FDP), Gerhard Pfister (CVP), Albert Rösti (SVP) und Martin Bäumle (GLP) – haben eine parlamentarische Initiative unterschrieben, die Burkart heute eingereicht hat.

FDP-Nationalrat Thierry Burkart (AG): «Ich will das Arbeitsgesetz dem Zeitalter der Digitalisierung anpassen.»
Foto: EQ Images

«Immer mehr Arbeitgeber ermöglichen es ihren Arbeitnehmern, die Arbeit teilweise zu Hause zu verrichten», sagt Burkart. Doch das Arbeitsgesetz trage dem zu Ungunsten der Arbeitnehmer zu wenig Rechnung. «Vor allem jene, welche Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren möchten, werden durch das Gesetz eingeschränkt.»

Am Telefon sieht niemand, ob der Gesprächspartner in einem Büro sitzt oder zu Hause an seinem Schreibtisch.
Foto: Getty Images/Purestock
1/8

Drei Punkte ändern

Konkret will Thierry Burkart drei Punkte ändern:

> Arbeitsrahmen: Heute muss die tägliche Tages- und Abendarbeit (6 bis 23 Uhr) innerhalb eines Zeitraums von 14 Stunden absolviert werden. Burkart will diesen für Arbeitnehmer, «die ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selber festsetzen können», auf 17 Stunden strecken. «Jemand, der seine schulpflichtigen Kinder betreut, würde dann vielleicht am Morgen vier Stunden, am Nachmittag zwei Stunden und abends, wenn seine Kinder im Bett sind, nochmals zwei Stunden arbeiten», so Burkart. 

> Ruhezeit: Heute muss zwischen zwei Arbeitstagen eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden liegen. «Gelegentliche Arbeitsleistungen von kurzer Dauer» sollen künftig nicht mehr als Unterbruch der Ruhezeit gelten. «Wer heute um 22 Uhr noch ein paar E-Mails beantwortet, darf am nächsten Tag frühestens um 9 Uhr wieder zu arbeiten beginnen. Das ist doch absurd», sagt der FDP-Mann.

> Sonntagsarbeit: Sonntägliche Arbeitseinsätze in der eigenen Wohnung sollen künftig keine behördliche Bewilligung mehr erfordern. Burkart: «Viele würden gerne mal den Sonntag nutzen, um zu Hause ein paar Stunden ungestört zu arbeiten.»

«Mehr Gestaltungsfreiheit»

Das heutige Arbeitsgesetz orientiere sich an einer von der Realität längst überholten Arbeitswelt aus dem Zeitalter der Industrialisierung, kritisiert Burkart. «Ich will es dem Zeitalter der Digitalisierung anpassen», erklärt der Aargauer. Die Zahl der Arbeitsstunden bleibe gleich, könne aber flexibler verteilt werden. «Das gibt dem Arbeitnehmer mehr Gestaltungsfreiheit!»

SP-Pardini: «Angriff auf Arbeitnehmerschutz»

Bei SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini (BE) stösst die Idee auf vehementen Widerstand. «Das ist ein bürgerlicher Angriff auf den Arbeitnehmerschutz.» Der Vorstoss leiste der Tendenz Vorschub, dass Arbeitnehmer praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssten.

SP-Nationalrat Corrado Pardini (BE): «Das ist ein bürgerlicher Angriff auf den Arbeitnehmerschutz.»

«Gerade in Zeiten von zunehmendem Stress ist genügend Erholung wichtig. Es braucht eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, eine Vermischung führt zur totalen Ausbeutung», wettert Pardini. «Homeoffice ist auch mit dem heutigen Gesetz problemlos möglich.»

Das meint BLICK: Andreas Dietrich, Stv. Chefredaktor

Geistiger Büroschluss

Morgens einstempeln, abends erschöpft nach Hause trotten. Der Alltag vieler Berufsleute sieht nicht mehr so aus. Sie erledigen die Arbeit dann, wenn sie getan werden muss. Dort, wo es am besten geht. In der Regel im Büro manchmal auch daheim oder unterwegs. Es ist vernünftig, das Gesetz dieser zunehmend digitalen, flexiblen ­Arbeitsweise anzupassen. Niemand wird gezwungen, seine Wohnung als 24-Stunden-Büro zu betreiben. Aber wer kann und will, erhält mehr Selbst­bestimmung. Mehr Freiheit.

Die Gewerkschaften sehen darin reflexartig einen «Angriff auf den Arbeitnehmerschutz». Sie bemühen gar den Klassenkampf-Oldie «Ausbeutung!». Ein weiterer öder Beleg dafür, wie weltfremd manche von ihnen sind.
Fern der Realität, weg von den Arbeitnehmern, hinter der Zeit. Wer geistig schon Büroschluss gemacht hat, verpasst die Chancen der Gegenwart.

Geistiger Büroschluss

Morgens einstempeln, abends erschöpft nach Hause trotten. Der Alltag vieler Berufsleute sieht nicht mehr so aus. Sie erledigen die Arbeit dann, wenn sie getan werden muss. Dort, wo es am besten geht. In der Regel im Büro manchmal auch daheim oder unterwegs. Es ist vernünftig, das Gesetz dieser zunehmend digitalen, flexiblen ­Arbeitsweise anzupassen. Niemand wird gezwungen, seine Wohnung als 24-Stunden-Büro zu betreiben. Aber wer kann und will, erhält mehr Selbst­bestimmung. Mehr Freiheit.

Die Gewerkschaften sehen darin reflexartig einen «Angriff auf den Arbeitnehmerschutz». Sie bemühen gar den Klassenkampf-Oldie «Ausbeutung!». Ein weiterer öder Beleg dafür, wie weltfremd manche von ihnen sind.
Fern der Realität, weg von den Arbeitnehmern, hinter der Zeit. Wer geistig schon Büroschluss gemacht hat, verpasst die Chancen der Gegenwart.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?