Rentner Otto Limacher (75) soll 500 Franken für einen Sex-Klick zahlen
«Hilfe, ich sitze in der Porno-Falle!»

Otto Limacher wehrt sich gegen die Schwyzer Firma Obligo. Er hat im Internet einen vermeintlichen Gratis-Erotik-Link angeklickt, jetzt soll er dafür zahlen. Er ist nicht der Einzige. Auch das Seco und die Konsumentenorganisation FRC kämpfen seit 2014 gegen die Firma.
Publiziert: 28.01.2023 um 00:21 Uhr
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Aktualisiert: 22.02.2024 um 17:06 Uhr
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Beat MichelReporter

Rentner Otto Limacher (75) ist sauer. Er sagt zu Blick: «Ich zeigte einem Kollegen, wie man mit dem Handy ins Internet kommt. Dann wollte er auch noch wissen, wie man gratis Sexfilmli sehen kann. Ich zeigte es ihm auf meinem Handy, das war wohl ein Fehler. Jetzt sitze ich in der Porno-Falle von Obligo!» Limacher ist nicht allein: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und die welsche Konsumentenschutz-Organisation FRC versuchen seit 2014, der Masche von Obligo einen Riegel zu schieben – ohne Erfolg.

Was der Krienser Pensionär am Handy alles angeklickt hat, weiss er nicht mehr genau. Sicher ist er sich, dass er im November 2021 vermeintlich ein Gratis-Probeabo für 72 Stunden bei der aus Rumänien betriebenen Seite Swissxtube.com angewählt hatte. Und: Er hat die lange Liste der AGB nicht genau gelesen.

Der Telefon-Trick

Nach drei Tagen bekam er von der Obligo AG einen Anruf. Das Abo sei jetzt aktiviert. «Ich bestritt das unverzüglich», sagt Otto Limacher. Einen Monat später kommt die erste Forderung über 149 Franken. Von da an folgten Mahnungen und Zusatzgebühren.

Otto Limacher sagt zu Blick: «Ich habe einem Freund gezeigt, wie man mit dem Handy ins Internet geht und nackte Frauen anschauen kann.»
Foto: Beat Michel
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Otto Limacher schreibt viermal einen Brief an Obligo und erklärt, dass er keine kostenpflichtigen Dienstleistungen bezogen habe. Resultat: Die Rechnungen kommen plötzlich von einem Inkassodienst und es wird mit rechtlichen Schritten gedroht. Mittlerweile ist die Schuld auf 544 Franken angewachsen. Otto Limacher hat nicht vor zu zahlen. «Ich lasse es darauf ankommen», sagt er kämpferisch.

Limacher ist einer von vielen

Es gibt Dutzende Männer in der gleichen Situation. Beim Gerichtsverfahren im September 2022 klagen insgesamt 40 Privatkläger gegen die beiden Inhaber der Firma Obligo. Mit im Boot als Kläger: das Seco und die welsche FRC. Aber: In einer ersten Instanz verloren sie den Prozess vor dem Bezirksgericht March.

Der Besitzer und Verwaltungsrat Fritz-Emil Müller* (75) wurde vom Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs freigesprochen. Sein Kompagnon (†48) starb zwei Monate vor dem Gerichtsverfahren. Sowohl das Seco als auch die FRC ziehen das Verfahren vor das Schwyzer Kantonsgericht weiter.

Wie in dem 88-seitigen Urteil zu lesen ist, wirft die Anklage Obligo vor, «dass der Bestellvorgang irreführend ist, da für den Konsumenten nicht klar ist, dass er mit den entsprechenden Klicks automatisch ein kostenpflichtiges Abonnement abschliesst, wenn er nicht innert drei Tagen kündigt». Obligo übernimmt die Aufgabe als Rechnungssteller für verschiedene Porno-Portale.

Verhandlung wegen «Komplexität» ausgesetzt

Bereits im Juni 2014 stellten Seco und FRC Strafantrag gegen die Verantwortlichen von Paypay, der Vorgängerin von Obligo. Dazu kamen laufend Anzeigen von Privatpersonen. Es folgte ein jahrelanges juristisches Hickhack. Eine Verhandlung wurde im Februar 2021 «wegen der Vielzahl und Komplexität der Vorfragen» ausgesetzt.

Im September 2022 kam es vor dem Bezirksgericht March endlich zum Prozess. Das Dreiergericht liess aber die Ankläger abblitzen. Ein Grund für den Freispruch ist für die Richterin und die zwei Richter, dass die Verantwortlichen mehrmals beim Seco angefragt hätten, was man bei dem Bestellverfahren besser machen könnte, aber keine Antwort erhalten haben. Zudem sei bereits im Vorfeld von mehreren Strafverfolgungsbehörden durch Einstellungsverfügungen die strafrechtliche Relevanz verneint worden.

Blick sprach mit Fritz-Emil Müller, dem Chef von Obligo. Der Berner, ein erfahrener Anwalt, der nicht erkannt werden will, sieht sich im Freispruch bestätigt: «Es ist ein jahrelanges Kesseltreiben gegen mich und meinen verstorbenen Geschäftspartner. Ich leide sehr darunter, wir werden beschimpft und öffentlich im Internet angeprangert.»

Noch einmal 15 Jahre?

Müller sagt bestimmt: «Es kann doch niemand behaupten, er glaubte, der Dienst sei gratis. Wir haben bei Privatklägern überprüft, wie sie konsumiert haben, das kann man alles nachvollziehen. Die haben alle massiv konsumiert. Nichts von: ‹Ich habe nur einmal geklickt, dann hatte ich plötzlich ein Abo.›»

Er ist sicher: «Das Seco wird seinen Standpunkt wohl bis vor Bundesgericht weiterziehen und vertreten – notabene auf Kosten der Steuerzahler. Das kann gut und gerne weitere 15 Jahre dauern.» Bis dahin dürfte wohl noch so mancher Nutzer in die Porno-Falle tappen.

Unerwünschte Rechnung von Obligo: Das empfiehlt das Seco

Wer plötzlich eine Rechnung von Obligo erhält, ohne bewusst ein kostenpflichtiges Abo abgeschlossen zu haben, kann bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz oder beim Polizeiposten seines Wohnorts eine Anzeige oder einen Strafantrag deponieren. Der noch nicht rechtskräftige Freispruch des Bezirksgerichts March ändere daran nichts, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage von Blick. Es ist dann die Aufgabe der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz zu beurteilen, welche rechtliche Folge sie den neu eingehenden Strafanträgen geben will. Eine Klage kann Sinn machen. «Ein Vertrag kann nur gültig zustande kommen, wenn Konsens vorliegt. Ferner kann geltend gemacht werden, dass ein allenfalls abgeschlossener Vertrag wegen Irrtums angefochten wird und deshalb nicht verbindlich ist», so das Seco. Ob eine Klage letztlich Erfolg hat, hängt vom Gericht ab.

So sieht eine Rechnung von Obligo aus, wenn sie bereits an die Inkassofirma übergeben wurde.
zvg

Wer plötzlich eine Rechnung von Obligo erhält, ohne bewusst ein kostenpflichtiges Abo abgeschlossen zu haben, kann bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz oder beim Polizeiposten seines Wohnorts eine Anzeige oder einen Strafantrag deponieren. Der noch nicht rechtskräftige Freispruch des Bezirksgerichts March ändere daran nichts, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage von Blick. Es ist dann die Aufgabe der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz zu beurteilen, welche rechtliche Folge sie den neu eingehenden Strafanträgen geben will. Eine Klage kann Sinn machen. «Ein Vertrag kann nur gültig zustande kommen, wenn Konsens vorliegt. Ferner kann geltend gemacht werden, dass ein allenfalls abgeschlossener Vertrag wegen Irrtums angefochten wird und deshalb nicht verbindlich ist», so das Seco. Ob eine Klage letztlich Erfolg hat, hängt vom Gericht ab.

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