Morgen applaudieren wir für Helden wie Sanitäter Stefano Pozzi (32)
«Wir kämpfen gegen den lautlosen Feind»

Seit einer Woche ist nichts mehr so, wie es war. Rettungssanitäter Stefano Pozzi erzählt, wie der Coronavirus seinen Alltag auf den Kopf stellt. Wie er seine Liebsten vermisst. Helden wie ihm wollen wir am Freitag um 12.30 Uhr mit einem schweizweiten Applaus danken.
Publiziert: 18.03.2020 um 23:44 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2021 um 22:04 Uhr
Myrte Müller

Es sind kostbare 20 Minuten. Doch sie müssen sein. Ehe die Ambulanz losfahren kann, wird der Innenraum sorgfältig sterilisiert. Dann steigen die Rettungssanitäter in die Schutzanzüge. Maske auf. Handschuh an. Erst dann gehts an die Front. An die Front der Corona-Krise.

Seit zehn Jahren sitzt Stefano Pozzi (32) im Krankenwagen, tourt durchs Nordtessin. Er ist ein Vollprofi. Doch das, was seit einer Woche im Tessin passiert, hat der Rettungssanitäter noch nie erlebt. «Die Einsätze haben sich fast verdreifacht», sagt Pozzi. Das Personal der Dreitäler-Ambulanzen wurde um ein Drittel aufgestockt. Gut ein Dutzend Mitarbeiter übernimmt die Tagesschicht. Nachts sind acht Sanitäter unterwegs. Grund: der sprunghafte Anstieg von Corona-Patienten.

Ambulanzen nonstop im Einsatz

«Unsere Schichten wurden auf zwölf Stunden erhöht», erzählt Pozzi. Eigentlich wären es drei Schichten in der Woche. Doch nun schaut kaum einer mehr auf Uhr oder den Arbeitsplan. «Am Sonntag habe ich sogar von 7 Uhr morgens bis 22.30 Uhr gearbeitet», sagt er. Drei Ambulanzen seien ständig unterwegs. Sie transportieren Patienten aus der Riviera, der Leventina und dem Bleniotal in die nächsten Spitäler. Die meisten von ihnen sind am Coronavirus erkrankt. Ist der Test positiv, werden sie in die Spezialkliniken gebracht. Sieben Kranke am Tag – so der persönliche Schnitt des Rettungssanitäters aus Biasca.

Er ist einer der Tessiner Corona-Helden: Stefano Pozzi (32) aus Biasca fährt in Zwölf-Stunden-Schichten Corona-Patienten in die Spitäler.
Foto: © Ti-Press / Ti-Press
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«Wir kommen zu den Menschen mit der vollen Schutzmontur, als kämen wir vom Mars. Die Leute aber begegnen uns voller Vertrauen und Dankbarkeit», erzählt Pozzi. Die Patienten bräuchten menschliche Nähe, doch sie, ihre Retter, müssten Abstand halten. «Wir versuchen, ihnen mit Worten die Angst zu nehmen», sagt Pozzi, obwohl auch das mit dem Mundschutz schwierig sei.

Corona-Kranke jeden Alters

Viele der Patienten werden im Spital isoliert. Keiner darf sie besuchen. Stefano Pozzi legt ihnen schon mal Fotos ihrer Lieben, einen Rosenkranz oder ein Stofftier mit auf die Trage. «Damit sie etwas haben, das Trost spendet», sagt er Pozzi.

Die Patienten seien jeden Alters. Junge und Alte. Ein Erlebnis traf ihn tief. «Da war ein schwer erkrankter 60-Jähriger. Ein sportlicher Typ. Er sagte zu mir: Bleib du gesund, wir brauchen euch!»

Dramatisch seien jene Einsätze, bei denen die Krankheit schon so weit fortgeschritten war, dass die Patienten nicht mehr atmen konnten. Da zähle jede Minute, sagt Pozzi. «Der Teamgeist ist toll. Alle ziehen an einem Strick. Ich habe viel Mut gesehen im Kampf gegen diesen lautlosen Feind. Das gibt uns allen ungeheuerliche Kraft.» Nur die Lieben fehlten ihn. Freundin, Kumpel, Familie – Stefano Pozzi bekommt kaum noch jemand zu Gesicht. Es gilt, Abstand bewahren.

Erschöpft fühle er sich nicht. Angst habe er auch keine. «Ich darf mich auf keinen Fall anstecken, um nicht andere zu gefährden.» Was auf die tapferen Helden unseres Corona-Alltags zukommt, erlebt Italien bereits seit Ende Februar. 2500 Menschen starben. 26'000 sind infiziert, acht Prozent von ihnen sind Mitarbeiter im Gesundheitssystem – wie Stefano Pozzi.

Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Helden unterstützen. Sie verdienen unseren Dank. Geben wir ihnen einen Applaus! Von unseren Fenstern, von den Balkonen aus. Machen Sie mit bei der grossen Applaus-Aktion am Freitag, Punkt 12.30 Uhr.

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