Atifete B. (44) verklagt ihre Frauenärztin
Sie will eine Million für ihre kranke Tochter

Die Tochter (11) von Atifete B. (44) hat Cystische Fibrose. Die Gefahr einer Erkrankung stand schon während der Schwangerschaft im Raum. Der schwere Vorwurf der Mutter: Die Frauenärztin habe einen Test verweigert.
Publiziert: 12.10.2018 um 02:21 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2018 um 01:50 Uhr
Gabriela Battaglia

Atifete B.* (44) sitzt am Tisch in ihrem Wohnzimmer in Jegenstorf BE. Die Schweizerin, die ursprünglich aus dem Kosovo kommt, sorgt zurzeit für einen speziellen Justizfall in Bern. Die zweifache Mutter fordert von ihrer Frauenärztin Schadenersatz, weil ihre Tochter (11) Cystische Fibrose hat. Auch der Sohn (17) von Atifete B. leidet an dieser Erbkrankheit.

«Ich sagte der Ärztin sicher 100 Mal, dass ich das Kind nicht wolle, falls es krank ist», sagt die Mutter. Ihre Augen füllen sich mit Tränen: «Sie machte aber keine vorgeburtliche Untersuchung. Sie entnahm kein Fruchtwasser aus meinem Bauch, um zu testen, ob mein zweites Kind die Erbkrankheit auch hat.»

Die Ärztin habe argumentiert, so ein Test koste Geld. «Sie sagte, sie sehe beim Ultraschall schon, ob das Kind krank sei», sagt die Mutter. Und erinnert sich: «Wenn das Baby bleich sei, würde sie wissen, dass es krank ist.»

Atifete B. (44) will Schadenersatz von einer Frauenärztin.
Foto: Gabriela Battaglia
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Erste Anzeichen direkt nach der Geburt

Sie habe damals von Sozialhilfe gelebt, so Atifete B. – und sagt dann ganz klar: «Wenn ich gewusst hätte, dass meine Tochter die gleiche Krankheit wie mein Sohn hat, hätte ich abgetrieben.» Sie habe sich dann so gefreut, dass ihr ungeborenes Kind laut der Ärztin gesund sei. «Ich erzählte das überall herum. Alle freuten sich für mich.»

Doch nach der Geburt ihrer Tochter wurde sie stutzig. «Das Baby trank nicht gut, hatte Durchfall und erbrach sich dauernd.» Im Geburtsspital in Bern habe man ihr versichert, das Baby sei gesund. «Zu Hause gingen die Probleme weiter. Mein Baby verlor an Gewicht und erbrach sich weiter.»

Sie sei dreimal in den Notfall ins Inselspital. Dort habe man dann einen Test gemacht. «Als der Arzt mir sagte, dass auch meine Tochter die Erbkrankheit hat, wurde mir schlecht.»

30'000 Franken Genugtuung

Atifete B. zeigte die Frauenärztin an. «Sie nahm mich nicht ernst. Sie dachte wohl, ich sei eine Ausländerin und würde nicht so weit gehen.»

2010 bekam die Mutter 30'000 Franken Genugtuung zugesprochen. Doch die Bernerin will mehr: «Ich will Schadenersatz für mein Kind. Ich will, dass meine Tochter ein gutes Leben hat. Die Krankheit kostet Geld. Es ist hart, wenn man zwei Kinder mit dieser Krankheit hat.»

Mittlerweile streiten die Parteien vor Gericht um einen Schadenersatzbetrag zwischen einer halben und einer ganzen Million Franken.

Erfahrene Frauenärztin

Die Frauenärztin praktiziert seit 30 Jahren in Bern. Die Schadenersatzklage kommt für sie überraschend. Die Ärztin verzichtete auf einen Test. Aber nur, weil ihre Patientin sich das Kind ausdrücklich gewünscht habe – egal, ob es krank sei, sagte die Ärztin vor Gericht.

In so einem Fall habe die Schwangere das Recht auf Nichtwissen. Der Anwalt der Frauenärztin wollte wegen des laufenden Verfahrens gegenüber BLICK keine Auskunft geben.

Bisher fanden am Gericht in Bern zwei Verhandlungen statt. Ein dritter Termin steht an. Wann und wie das Urteil fällt, ist unklar.

Das ist Cystische Fibrose

Cystische Fibrose (CF) ist die häufigste genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung in Europa. Rund 35 Neugeborene erhalten in der Schweiz jedes Jahr diese Diagnose. 2016 hatten 900 Menschen CF in der Schweiz. Rund 320'000 Menschen in der Schweiz sind Träger des CF-Gens – die meisten, ohne es zu wissen. Bei CF funktioniert der Austausch von Salz und Wasser in den Zellen nicht korrekt.

Im Körper bilden sich zähflüssige Sekrete. Betroffen sind vor allem Lunge und Verdauungstrakt. Zäher Schleim in der Lunge führt zu Husten, Bakterienbefall und Entzündung. Die Lunge wird geschädigt, das Atmen fällt immer schwerer. Es droht der Erstickungstod, weil für eine Lungentransplantation oft Spenderorgane fehlen. CF gilt bisher als unheilbar. Eine intensive Therapie gehört ab Geburt zum unwiderruflichen Alltag der Betroffenen.

Cystische Fibrose (CF) ist die häufigste genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung in Europa. Rund 35 Neugeborene erhalten in der Schweiz jedes Jahr diese Diagnose. 2016 hatten 900 Menschen CF in der Schweiz. Rund 320'000 Menschen in der Schweiz sind Träger des CF-Gens – die meisten, ohne es zu wissen. Bei CF funktioniert der Austausch von Salz und Wasser in den Zellen nicht korrekt.

Im Körper bilden sich zähflüssige Sekrete. Betroffen sind vor allem Lunge und Verdauungstrakt. Zäher Schleim in der Lunge führt zu Husten, Bakterienbefall und Entzündung. Die Lunge wird geschädigt, das Atmen fällt immer schwerer. Es droht der Erstickungstod, weil für eine Lungentransplantation oft Spenderorgane fehlen. CF gilt bisher als unheilbar. Eine intensive Therapie gehört ab Geburt zum unwiderruflichen Alltag der Betroffenen.

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