Emil Bizenberger (74) greift Kinder und Rollstuhlfahrer mit Pfefferspray an
Das ist der schlimmste Nachbar der Schweiz

Am Mittelweg in Trimmis GR tobt seit Jahren ein wüster Streit unter Nachbarn. Rentner Emil Bizenberger (74) verteidigt die gemeinsame Zufahrt mit allen Mitteln. Jetzt geht er sogar mit Pfefferspray gegen Kinder und Rollstuhlfahrer vor.
Publiziert: 24.11.2018 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2021 um 19:36 Uhr
Anian Heierli (Text und Fotos)

Familienvater Mathieu G.* (41) erfüllt sich vor einem halben Jahr einen Herzenswunsch. Der Handwerker kauft sich ein kleines Häuschen mit Umschwung im idyllischen Trimmis GR. Ein Traum, der kurz nach dem Einzug im September zum Albtraum wird. Denn am Mittelweg tobt seit über 20 Jahren ein wüster Nachbarschaftsstreit. Regelmässige Polizeieinsätze inklusive.

Es geht um eine Zufahrt, die über das Grundstück von Emil Bizenberger (74) und dessen Frau führt (siehe Grafik). Alle Bewohner im Quartier sind auf das Strässchen angewiesen. Nur so kommen sie zu ihren Häusern. Ihr Fuss- und Fahrwegrecht ist juristisch unbestritten. Doch Nachbar Bizenberger sieht das anders. Ist überzeugt, dass der Weg falsch eingezeichnet ist. Seine Quelle: Landkaufverträge von 1976. Mit seiner Beschwerde blitzte er schon zigmal vor Gericht ab. Laut Urteil gilt ein Situationsplan vom 19. August 1997, nach dem die heutige Zufahrt korrekt verläuft.

Wer die Linie überschreitet, wird angegriffen

Heute sind die Fronten verhärtet: Bizenberger zog 2015 mit einer Spraydose «seine» Grenze bei der Zufahrt. Wenn ein Nachbar diese überschreitet, wird er angegriffen. Familienvater Mathieu G. erlebte das am eigenen Leib.

Emil Bizenberger (74) zeigt BLICK, wo für ihn das Fuss- und Wegrecht endet. Wer diese Linie überschreitet, bekommt eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht.
Foto: ANIAN HEIERLI
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Zuletzt am vergangenen Samstag. «Es war schlimm», sagt er zu BLICK. «Ich hatte Angst um meine Familie.» Sein Schwager Jorge L.* (44) besucht ihn um 14.30 Uhr, kann mit seinem schwarzen BMW aber die Einfahrt nicht passieren, weil Bizenberger dort einen Plastikübel mit einem Stein hinstellte. Als Vater Mathieu den Kübel wegschiebt, eskaliert die Situation.

Bizenberger sprüht mit Pfefferspray gezielt um sich. Er trifft Mathieu, dessen Frau und ihre gemeinsame, knapp zweijährige Tochter. Als der im Rollstuhl sitzende Schwager L. dazwischen will, bekommt auch er eine Ladung ab. Alle müssen sich vom Arzt untersuchen lassen. Mathieu sitzt der Schock noch in den Knochen: «Dieser Mann ist ein Risiko», sagt er zu BLICK. «Meine Tochter war nach dem Angriff kurz weggetreten.»

Es begann 1996

Der Fall Bizenberger beschäftigt die Bündner Behörden seit 1996. Erstmals national brisant wird der Streit am Mittelweg in Trimmis GR im Herbst 2001, nachdem am 27. September Friedrich Leibacher im Zuger Regierungsgebäude 15 Politiker erschiesst.

Anschliessend wirft das ehemalige Schweizer Nachrichtenmagazin «Facts» unter dem Titel «Bevor Blut fliesst» die Frage auf, ob auch Bizenberger ein potenzieller Amokläufer sei. Schon damals sagt ein Nachbar dem Magazin, «dass Bizenberger mit der Axt auf ihn losging».

2005 dreht Regisseur Martin Schilt den Dokfilm «Bizenbergers Weg» über den Streit im bündnerischen Trimmis. Die SRF-Produktion thematisierte das grosse Leiden an den kleinen Konflikten im Quartier.

Im Rahmen einer mehrteiligen Reportage über Konflikte in der Nachbarschaft greift 2013 das SonntagsBlick Magazin den Fall erneut auf. Schon damals schweigen die Behörden mit Verweis auf ein laufendes Verfahren. Eine Lösung wurde aber bis heute nicht gefunden.

Der Fall Bizenberger beschäftigt die Bündner Behörden seit 1996. Erstmals national brisant wird der Streit am Mittelweg in Trimmis GR im Herbst 2001, nachdem am 27. September Friedrich Leibacher im Zuger Regierungsgebäude 15 Politiker erschiesst.

Anschliessend wirft das ehemalige Schweizer Nachrichtenmagazin «Facts» unter dem Titel «Bevor Blut fliesst» die Frage auf, ob auch Bizenberger ein potenzieller Amokläufer sei. Schon damals sagt ein Nachbar dem Magazin, «dass Bizenberger mit der Axt auf ihn losging».

2005 dreht Regisseur Martin Schilt den Dokfilm «Bizenbergers Weg» über den Streit im bündnerischen Trimmis. Die SRF-Produktion thematisierte das grosse Leiden an den kleinen Konflikten im Quartier.

Im Rahmen einer mehrteiligen Reportage über Konflikte in der Nachbarschaft greift 2013 das SonntagsBlick Magazin den Fall erneut auf. Schon damals schweigen die Behörden mit Verweis auf ein laufendes Verfahren. Eine Lösung wurde aber bis heute nicht gefunden.

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Zum Glück beobachtet ein Unbeteiligter den Streit und ruft die Polizei. Bizenberger wird fixiert, abgeführt und 24 Stunden lang festgehalten. Mittlerweile ist er wieder auf freiem Fuss. Rechtsanwalt Diego Quinter, der die Familie von Mathieu vertritt, hat kein Verständnis dafür: «Die Behörden dürfen nicht länger zusehen. Sonst verletzt der jemanden ernsthaft.»

Als BLICK Bizenberger mit den Vorwürfen konfrontiert, bleibt dieser hart: «Meiner Frau und mir wurde Unrecht angetan.» Für ihn ist klar: «Das Servitut gilt nicht für die ganze Zufahrt. Die Nachbarn hätten sich beim Bau ihrer Häuser mehr Quadratmeter angeeignet, als ihnen laut Kaufvertrag von 1976 zugestanden hätte.»

Bizenberger: «Ich erlebte fünf Hausdurchsuchungen»

Zum Streit am Samstag sagt er: «Wir wurden angegriffen. Ich muss mich ja verteidigen. Die Polizei wollte meine Version nicht hören.» Anschliessend durchsuchten die Beamten sein Haus und nahmen die elektronischen Geräte mit. Auch sein roter BMW, der in der Zufahrt stand, wurde am Mittwoch abgeschleppt. Bizenberger: «Es war nicht das erste Mal. Seit 2000 gab es schon fünf Hausdurchsuchungen!»

Unter anderem, weil der Rentner mehrere Webseiten betreibt, auf denen er laufend Fotos von Nachbarn und Polizisten veröffentlicht, die ihm nicht genehm sind. Bündner Beamte bezeichnet er online als Straftäter mit «Nazi-, Stasi-, DDR-, Rambo- und Guantánamo-Methoden». BLICK konfrontierte die Staatsanwaltschaft Graubünden mit der Angst der Nachbarschaft. Man bestätigt, dass wegen der Pfeffer-spray-Attacke ein Strafverfahren läuft. Weitere Fragen will die Staatsanwaltschaft nicht beantworten.

* Namen der Redaktion bekannt

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