Gründer Roland Wiederkehr (75) fährt Roadcross wegen Aufweichung des Rasergesetzes an den Karren
«Unverständlich und total daneben»

Roland Wiederkehr (75) sieht sein politisches Lebenswerk bedroht – von seinen Nachfolgern. Die Strassenopfer-Organisation Roadcross will den Raser-Paragrafen aufweichen. Das akzeptiert der Gründer der Stiftung nicht.
Publiziert: 02.03.2018 um 10:46 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 02:25 Uhr
Michael Sahli

Er sieht sein politisches Erbe bedroht. Das halbe Leben lang kämpfte Roland Wiederkehr (75) für sichere Strassen: Er war Mitinitiator des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) und Gründer der Strassenopfer-Organisation Roadcross. Von den meisten Ämtern hat sich der Ex-Nationalrat zurückgezogen. Und «dreinreden» wolle er seinen Nachfolgern ja eigentlich nicht. Aber, so Wiederkehr: «Was Roadcross nun bietet, ist unverständlich und total daneben!»

Hinter den Kulissen ist ein Streit zwischen der alten und der neuen Führungsriege entbrannt. Auslöser: Die geplante Aufweichung des Rasergesetzes (BLICK berichtete). Die Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis für Raser (s. Box) soll wegfallen – der Ermessensspielraum der Gerichte so erhöht werden.

Plötzlicher Seitenwechsel

Und: Ausgerechnet die Opfervertreter von Roadcross, die früher noch an vorderster Front für die Verschärfung kämpften, haben nun die Seiten gewechselt. Sie zeigen sich plötzlich «offen» für die Aufweichung der Strafen, wie verschiedenen Medienberichten zu entnehmen war.

Roland Wiederkehr (75) versteht die eigenen Nachfolger nicht mehr.
Foto: Franziska Schädler
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Die junge Garde habe wohl vergessen, wie es früher war, meint Wiederkehr. «Damals sagten wir: ‹Milde Richter sind mitschuldig!›» Immer wieder hätten die Gerichte gesagt, man wolle den Rasern eine Chance geben, ihnen das Leben nicht verbauen. «Leute, die getötet haben, kamen früher praktisch ungeschoren davon», so der 75-Jährige. Und weiter: «Ich sehe eine grosse Gefahr, dass wir wieder dahin zurückgehen – nur Roadcross sieht das anders. Das ist nicht nachvollziehbar.»

Nachdem Roadcross erstmals öffentlich mit dem Seitenwechsel zu flirten begann, habe er sich sofort mit der Pressestelle der Stiftung in Verbindung gesetzt: «Ich habe eine Stellungnahme verlangt, die mich aber nicht zufriedenstellte.»

Wiederkehr fragt sich: «Wieso sollen wir wieder auf Feld eins?»

Sollte es wieder Fälle geben, wo Totraser mit Samthandschuhen angefasst werden, wolle Roadcross sofort aktiv werden, habe man ihm entgegnet. «An diesem Punkt waren wir schon einmal», urteilt Wiederkehr über das Argument. «Damals, als wir mit dem Unterschriftensammeln für die Verschärfung begannen.» Und fragt: «Wieso sollen wir wieder auf Feld eins?» Sein Plan: Er werde nun die Geschäftsleitung überspringen und direkt mit dem Stiftungsrat Kontakt aufnehmen.

Aber was ist gegen mehr Entscheidungsspielraum für Richter einzuwenden? Wieso braucht es einen Knast-Automatismus? «Das Strassenverkehrsgesetz ist einfach eine Ausnahme. Es geht auch um das Signal, das man aussendet. Fakt ist: härtere Strafen gleich weniger Tote. Das wurde mehrfach und in vielen Ländern bewiesen» Wiederkehr weiss: «Man fährt nicht einfach aus Versehen 200 km/h auf der Autobahn, weil man ein Schild übersieht!» Roadcross war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

40 km/h machen Riesen-Unterschied

Seit 2013 gibt es eine ganz klare Definition, wer als Raser gilt. Im Gesetzespaket Via sicura, für das auch Roadcross kämpfte, ist definiert: Wer 70 km/h in einer 30er-Zone fährt, 100 innerorts, 140 ausserorts oder 200 auf der Autobahn, kassiert mindestens eine einjährige Freiheitsstrafe. Darunter kann der Richter nicht gehen.

Für die Verkehrssicherheit ist auch ein vermeintlich kleiner Geschwindigkeitsunterschied massiv. Wer sich in einer 30er-Zone ans Limit hält, kann in weniger als zehn Metern anhalten. Ein Raser, der mit 70 durchs Quartier brettert,braucht fast 50 Meter zum Anhalten – fünfmal länger.

Seit 2013 gibt es eine ganz klare Definition, wer als Raser gilt. Im Gesetzespaket Via sicura, für das auch Roadcross kämpfte, ist definiert: Wer 70 km/h in einer 30er-Zone fährt, 100 innerorts, 140 ausserorts oder 200 auf der Autobahn, kassiert mindestens eine einjährige Freiheitsstrafe. Darunter kann der Richter nicht gehen.

Für die Verkehrssicherheit ist auch ein vermeintlich kleiner Geschwindigkeitsunterschied massiv. Wer sich in einer 30er-Zone ans Limit hält, kann in weniger als zehn Metern anhalten. Ein Raser, der mit 70 durchs Quartier brettert,braucht fast 50 Meter zum Anhalten – fünfmal länger.

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