«Mutter von toter Elida wurde ohnmächtig»
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Anwalt der Opferfamilie:«Mutter von toter Elida wurde ohnmächtig»

Elida (†19) in Lenzburg AG totgefahren
Aargauer Zahnarzt (82) muss nicht hinter Gitter

Elida Osmani (†19) starb, als Zahnarzt K. S.* (82) auf einem Fussgängerstreifen in Lenzburg AG ungebremst in sie prallte. Jetzt hat das Bezirksgericht Lenzburg sein Urteil gefällt.
Publiziert: 09.05.2019 um 08:14 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2019 um 18:59 Uhr
Unfallopfer Elida Osmani (†) wurde nur 19 Jahre alt.
Foto: zVg
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Ralph Donghi

Elida Osmani (†19) will im November 2017 nach Hause, läuft über einen Fussgängerstreifen in Lenzburg AG – und wird von Zahnarzt K. S.* (82) erfasst. Der Rentner prallt ungebremst in die Migros-Lehrtochter, sie wird weggeschleudert und so schwer am Kopf verletzt, dass sie später im Spital stirbt. (BLICK berichtete).

Jetzt hat das Gericht sein Urteil gefällt: Der Rentner-Rowdy wird wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Ins Gefängnis muss er aber nicht: Er erhält eine bedingte Geldstrafe von 60’000 Franken und eine Busse in der Höhe von 10’000 Franken. Das Gericht geht «schwer davon aus», dass K. S. sich nicht mehr hinter ein Steuer setzen werde.

Am Prozess hatte K.S. am Donnerstag Reue gezeigt, sagte: «Ich möchte mich entschuldigen für das Ereignis, das passiert ist. Es tut mir furchtbar leid. Wenn ich die Frau wahrgenommen hätte, hätte ich sie selbstverständlich umfahren. Ich habe sie einfach nicht gesehen. Die Opferfamilie erschien nicht. Die Eltern und ihr Bruder hatten laut ihrem Anwalt keine Kraft, vor Gericht dabei zu sein.

Mutter brach zusammen

Der Opferanwalt erzählt vor Gericht vom Abend des Unfalls. Wie die Mutter von Elida vor dem Unfall noch mehrmals mit ihrer Tochter telefonierte. Wie sie daheim auf sie wartete, Elida aber das Telefon nicht mehr abnahm. Wie die Mutter ihrem Mann sagte, sie fühle sich, als hätte sie einen Herzinfarkt. Sie habe dann zum Küchenfenster hinaus den Stau auf der Unfallstrasse gesehen und sei mit ihrem Mann hingegangen. Er sei vorausgegangen.

Dann hätten sie eine Handtasche und Schuhe auf der abgesperrten Strasse gesehen. Die Mutter habe geschrien, sei ohnmächtig geworden. Der Vater sei dann zu einem Polizisten, habe nach Elida gefragt und keine Antwort erhalten. Er habe die Antwort aber in seinem Gesicht gesehen. Später hätten die Eltern im Spital, wo Elida starb, Abschied von ihrer Tochter genommen.

Familie wünschte keinen Kontakt

Der Anwalt des Beschuldigten sagte, dass sein Klient Kontakt mit den Angehörigen von Elida wünschte – was von diesen aber abgelehnt worden sei. Zudem habe sein Klient kurz nach dem Unfall den Angehörigen einen von Hand verfassten Brief geschickt und diesen auch übersetzen lassen.

Hier kommt der Zahnarzt vor Gericht
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Elida (†19) totgefahren:Hier kommt der Zahnarzt vor Gericht

«Blindflug»

Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einer rücksichtslosen Fahrweise des Beschuldigten. Hätte er seine Aufmerksamkeit dem Fussgängerstreifen gewidmet, hätte er eine Kollision verhindern können. Er sei in einer Art Blindflug darauf zugefahren und habe sich somit der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht.

Der Beschuldige sei mehrfach einschlägig vorbestraft, in dem er schon zwei Mal zu schnell fuhr, zu bedingten Strafen verurteilt wurde und sein Billett abgeben musste. Dass er trotz Billettentzug gefahren sei, zeige eine besondere Gewissenlosigkeit. Der Anwalt der Opferfamilie unterstützte die Ausführungen des Staatsanwalts, forderte aber gar eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung. Zudem solle der Beschuldigte Genugtuungszahlungen an die Angehörigen leisten müssen – eine Bezifferung der Höhe der Summe sei noch nicht möglich.

Hier spricht der Anwalt von Zahnarzt K. S.
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Fahrlässige Tötung:Hier spricht der Anwalt von Zahnarzt K. S.

Elida war dunkel gekleidet

Der Verteidiger versuchte, die Haut seines Klienten zu retten. Von einer fahrlässigen Tötung wollte er nichts wissen. Er kritisierte das verkehrstechnische Gutachten. Es habe Mängel und basiere auf Schätzungen bezüglich der Geschwindigkeit beim Aufprall. Der Vorwurf der Geschwindigkeitsübertretung sei deshalb abzuweisen. Zudem erwähnte er die Witterungsbedingungen und die dunkel gekleidete Elida – laut Anklageschrift soll sie ohne anzuhalten und mit Blick aufs Handy den Fussgängerstreifen betreten haben.

Der Anwalt des Angeklagten sagte, sein Klient habe seine Lehren aus der Verkehrsregelverletzung gezogen. Er habe einen Chauffeur für sich angestellt und sein Auto verkauft. Es tue ihm unendlich leid und der Tod von Elida gehe ihm sehr nahe. Er würde gerne die Zeit zurückdrehen. Sein Klient sei kein empathieloser Verkehrsrowdy.

Unbedingte Freiheitsstrafe gefordert

Wie die Anklageschrift zeigt, war K. S. zum Unfallzeitpunkt leicht angetrunken: Ein Bluttest zeigte, dass er 0,2 Promille intus hatte. Mit einer Geschwindigkeit von 58 km/h erfasste er Elida, die von der Busstation her über den Fussgängerstreifen ging und auf ihr Handy schaute. Von der Wucht des Aufpralls wurde sie 19 Meter weit weggeschleudert.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten für den Angeklagten und eine Busse von 100 Franken gefordert. Zudem sollte der Angeklagte die Verfahrens- und Gerichtskosten von insgesamt über 22’000 Franken bezahlen müssen.

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