«Die Leute haben genug von Zuhause!»
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Tourismus erwacht:«Die Leute haben genug von Zuhause!»

Schweizer Tourismus erwacht aus dem Corona-Koma
«Die Leute haben genug von zu Hause!»

Die Sommerferien stehen vor der Tür. ­In der Schweiz fehlen Millionen ausländischer Gäste. Um die Einheimischen ist ein harter Konkurrenzkampf entbrannt.
Publiziert: 09.05.2020 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2020 um 13:31 Uhr
In den letzten zwei Monaten ist eine beispiellose Stornierungswelle über die Schweizer Hotellerie hereingebrochen. "Machen Sie Ferien in der Schweiz!", rief Bundesrat Ueli Maurer deshalb an der Sondersession des Parlaments in den Saal.
Foto: Keystone
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Danny Schlumpf

Das Coronavirus hat die Hotels in der Schweiz schachmatt gesetzt. Schliessungen gab es zwar nicht, doch das hat ihnen ­wenig genützt: In den letzten zwei Monaten brach eine ­beispiellose Stornierungswelle über die Hotellerie herein.

Für März bis Juni rechnet die Marketingorganisation Schweiz Tourismus mit Umsatzeinbussen von 8,7 Mil­liarden Franken. «Es wird ein schreckliches Jahr – das schlimmste in der Geschichte», sagt ­Direktor Martin ­Nydegger (49). Der oberste Touristiker weiss aber auch: «Selbstmitleid und Jammern bringen nichts. Wir müssen retten, was zu retten ist!»

Bundesrat unterstützt Ferien in der Schweiz

Unterstützung kommt von ganz oben: «Wir können alle einen guten Sommer in unserem Land verbringen», so Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (59) am Montag gegenüber SRF. Und in der Sondersession des Par­laments konkre­tisierte Bundesrat Ueli Maurer (69): «Machen Sie Ferien in der Schweiz! Geben Sie das Geld hier aus!»

Ferien daheim als ­patriotische Pflicht? Zwar will mehr als die Hälfte aller Schweizer trotz Corona verreisen. Doch nicht alle denken da an die Schweiz, wie eine repräsentative Umfrage des Instituts Marketagent.com aus der zweiten Aprilhälfte zeigt. Sie liegt SonntagsBlick exklusiv vor.

Ein Drittel aller Schweizer zieht es demnach ins Ausland, nur ein Viertel plant Ferien zu Hause – obwohl neun von zehn Befragten angeben, dass Corona bei der Wahl des Reiseziels eine Rolle spiele. Ein Fünftel macht gar keine Ferien – ­jeder Zehnte, weil er wegen Corona knapp bei Kasse ist.

Konkurrenzkampf um Einheimische

Keine Frage: Die Schweizer Tourismusbranche muss etwas tun, wenn sie den Sommer überstehen will. Millionen ausländischer Gäste fehlen, und um die Einheimischen ist ein harter Konkurrenzkampf entbrannt. Als erster Kanton preschte das Wallis vor: «Chum wie dü bisch», heisst die Kampagne, mit der Damian Constantin (53), ­Direktor von Wallis Promo­tion, seit Anfang Mai Herrn und Frau Schweizer in seinen Bergkanton ruft.

«Jetzt ist die Zeit, in der die Leute ihre Ferien planen», erklärt Constantin. Die Kampagne wird stetig ausgebaut und läuft bis Herbst; 2,4 Millionen Franken stehen bereit. Sind die eigenen Landsleute aus schierer Not plötzlich so interessant? Constantin winkt ab: «Im Wallis waren die Schweizer schon immer die wichtigsten Gäste. 53 Prozent aller Übernachtungen gehen auf ihr Konto.»

Schweiz schmackhaft machen

Doch wie macht man ­Reiselustigen, die lieber nach Ägypten oder in die Türkei düsen würden, einheimische Angebote schmackhaft? «Indem man ihnen etwas vorschlägt, was sie bereits aus ­ihren Auslandsferien kennen», sagt Paul-Marc Julen (39). Der Hotelier bietet All-inclusive in Zermatt VS: Abholdienst mit E-Mobil, Übernachtung, Essen und Trinken, E-Mountainbikes, die Benutzung des Zermatter Golfplatzes – in Julens An­gebot ist alles dabei. Mehr als 300 Gäste haben bereits gebucht.

Julen: «Es herrscht Aufbruchstimmung.» Seit 1910 beherbergt seine Familie Gäste in Zermatt: in drei ­Hotels und einem Restaurant. Am Montag öffnen sie. «Es war extrem wichtig, dass wir ein Datum haben», sagt Julen. «Dieses Zeichen hatte enorme Wirkung – auch auf die Gäste, die mit ihrer Ferienplanung darauf gewartet haben.»

Schreckt das Schutzkonzept ab?

Barbara Gätzi (37) sieht es genauso. «Die Leute haben genug von zu Hause», sagt die Betreiberin des ­Capricorns in Wergenstein GR. «Die Leute wollen raus!» Seit neun Jahren wirtet ­Gätzi im Dorfzentrum am Schamserberg auf 1500 Meter Höhe. Noch sind ihre neun Mit­arbeiter in Kurz­arbeit, doch an Auffahrt fährt Gätzi den Betrieb wieder hoch. Keine Angst, dass Gäste ausbleiben und sie vielleicht ­sogar das strenge Schutzkonzept abschreckt? «Lieber so als gar nicht. Wir müssen ein Zeichen setzen!»

Gätzi bewirtet höchstens 30 Gäste, die Hälfte des ­Vollbestands. Schon vorher waren neun von zehn Be­suchern des Capricorns aus der Schweiz. «Und sie werden wieder kommen – wir haben schon viele Buchungen für Juni und Juli.» Mit den Preisen geht sie nicht runter. «Stattdessen bieten wir Flexibilität an. Unsere Gäste können die Buchungen kostenlos annullieren.»

«Marketing-Rennen»

So resolut sich die Wirtin gibt: Es droht eine massive Rabattschlacht im Kampf um Schweizer Gäste. «Die Konkurrenz ist enorm», bestätigt Martin Vincenz (57), Direktor von Graubünden Ferien. «Es wird ein Marketing-Rennen. Aber bei einer Rabattschlacht machen wir nicht mit, das wäre fatal.» Jetzt brauche es gute Angebote, die den Zeitgeist aufnehmen. «In den letzten Wochen ist den Menschen das Dach fast auf den Kopf gefallen. Jetzt wollen sie Platz haben und sich bewegen.» In der Kampagne, die Graubünden Ferien demnächst startet, präsentieren die Kultsteinböcke Gian und Giachen dem Publikum die Weiten des Kantons.

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«Im innerschweizerischen Konkurrenzkampf haben die Alpenregionen die Nase vorn», sagt Christian Laesser (57), Tourismusprofessor an der Uni St. Gallen. «Die meisten Kunden leben bereits in Städten, und die Alpen sind gut erschlossen.» Das bedeute aber auch, dass es nicht unbedingt viel mehr Übernachtungen in den Bergen geben müsse. Laesser: «Gut möglich, dass in erster Linie die Tagesausflüge zunehmen.»

Vertrauen schaffen und Infos bieten

40 Millionen hat das Parlament jetzt für den Tourismus bewilligt – Geld für eine dreijährige Werbeoffensive vor allem in der Schweiz. «Wir wollen bei den einheimischen Gästen Vertrauen schaffen und Informationen bieten», sagt Schweiz-Tourismus-Chef Nydegger. Eric Jakob (58), beim Staats­sekretariat für Wirtschaft für Tourismus zuständig, ist überzeugt: «Das Ende des Lockdowns trägt wesentlich zum Take-off bei. Es ist zwar offen, wie gut es mit den Einschränkungen funktioniert. Aber der Bundesrat wird ­alles dafür tun, Ferien in der Schweiz zu ermöglichen.»

Eine wesentliche Frage bleibt: Was, wenn die Fallzahlen wieder steigen? Was, wenn die befürchtete zweite Welle kommt? «Das wäre eine Katastrophe», sagt Bergwirtin Barbara Gätzi.
Und doch: «Das Land kann jetzt nicht einfach ein Jahr lang stillstehen. Entweder zeigen wir alle uns nun verantwortungsbewusst – oder wir büssen!»

Darauf müssen Sie beim Buchen achten

Sie planen Ferien zu Hause? Auf swisshotels.com ­finden Sie Hotels aller ­Kategorien in der ganzen Schweiz. Achten Sie nicht nur auf den Preis – vergleichen Sie auch die Leistungen, die dahinterstecken. Buchen Sie früh genug für die Hauptferienzeiten. Für Schnäppchen­jäger: Attraktive Angebote gibt es besonders für die Vor- und Nachsaison. Ihre Auslandsreise wurde ­annulliert und Ihnen werden eine Umbuchung oder ­Gutscheine angeboten? «Das müssen Sie nicht ­akzeptieren», sagt Vito­ ­Roberto, Privatrechtsprofessor an der Uni St. Gallen. «Gerade bei Gutscheinen rate ich im Gegenteil zur Vorsicht. Da gibt es viele offene Fragen. Ist ein Gutschein aber einmal akzeptiert, gibt es kein Zurück.»

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