Tessiner Beizer geht leer aus
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Ansturm im Süden blieb aus:Tessiner Beizer geht leer aus

Auffahrt-Ansturm im Süden blieb aus
Tessiner Beizer geht leer aus

Der Weg in den Süden ist zum Auftakt ins lange Auffahrtswochenende weitestgehend frei. Einzig rund um den Vierwaldstättersee stockts und stauts.
Publiziert: 21.05.2020 um 11:57 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2020 um 20:00 Uhr
Andrea Cattani, Nicolas Lurati, Ramona Schelbert und Helena Schmid

Das Auffahrtswochenende ist angebrochen. Normalerweise ist das der Moment, an dem sich die Massen für ein paar erholsame Tage auf den Weg in den Süden machen. Doch der traditionelle Ansturm bleibt in diesem Jahr aus.

Augenscheinlich wird der Unterschied zu den Vorjahren am Gotthard. Wo sich 2019 schon am frühen Morgen ein kilometerlanger Stau bildete, haben Autofahrer freie Fahrt! Bis zum Donnerstagmittag kam es vor dem Gotthardtunnel in Richtung Süden zu keinerlei nennenswerten Wartezeiten.

Stattdessen zieht es die Ausflügler in die Zentralschweiz. Auf der Axenstrasse am Vierwaldstättersee und auf der Strecke zwischen Luzern und Altdorf UR ging es wegen Verkehrsüberlastung ab den frühen Mittagsstunden nur noch schleppend voran. Ebenso auf der A8 zwischen Sarnen OW und Brienz BE am Nachmittag: Autofahrer müssen auf dieser Strecke mit 30 Minuten Wartezeit rechnen.

Freie Fahrt im Tessin: Zwischen Biasca und Bellinzona hat es nur wenig Verkehr auf der Autobahn.
Foto: Nicolas Lurati
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«Praktisch alleine im Tunnel»

In Bellinzona trifft BLICK den Rentner Max Schmid (77) aus Rothrist AG. Er sagt: «Ich war vorhin praktisch alleine im Tunnel. Vor dem Gotthard-Nordportal war nichts los. Zwei, drei Autos. Praktisch keine Lastwagen. Am Gotthard hast du an Auffahrt normalerweise 15 km Stau. Jetzt hingegen nicht.»

Das entspricht den Erwartungen der Urner Polizei. Wie Sprecherin Sonja Aschwanden bereits Anfang der Woche erklärte, würden zu viele Faktoren gegen einen Grossandrang sprechen. So sei das Freizeitangebot im Tessin nach wie vor eingeschränkt. «Zudem ist die Weiterfahrt nach Italien immer noch nicht möglich.»

«In den Vorjahren kam man kaum durch»

In Muralto bei Locarno TI spazieren Marianne (62) und Paul Tscharner (71) aus Thusis GR gemütlich der See-Promenade entlang. Sie sagt zu BLICK: «Wir machen einen Tagesausflug ins Tessin. Das machen wir öfter mal.» Am Donnerstagmorgen seien sie und ihr Mann in Thusis losgefahren. Dann gings durch den San Bernardino ins Tessin runter.

Sie hatten für die Strecke nur 1,5 Stunden. «Es hatte so wenig Verkehr. Wir sind tiptop durchgekommen.» So etwas habe sie an Auffahrt noch nie erlebt. «Normalerweise heisst es doch immer, an Auffahrt solle man nicht ins Tessin fahren. Wir sind auch schon im Stau steckengeblieben.»Tscharner findet, dass für Auffahrt wenig Leute entlang der Seepromenade unterwegs seien. «In den Vorjahren kam man an Auffahrt hier fast nicht durch.» Zunächst wollen die Tscharners noch einen Espresso trinken gehen. «Dann gehen wir langsam wieder nach Hause.»

Roberto Zanna (66) führt ein Restaurant ganz in der Nähe. An diesem Tag bleibt der Ansturm aus. Normalerweise ist es bei uns an Auffahrt voll, vor allem bei dem Wetter. Dieses Jahr ist aber viel weniger los», sagt er zu BLICK. Er hoffe, dass bald wieder mehr Leute ins Tessin kommen. Seine Trattoria könne er aber momentan sowieso nicht füllen. «Ich darf nur ein Drittel der Stühle rausstellen, habe also zwei Drittel weniger Plätze.»

«50 bis 70 Prozent» von üblichen Besuchern

In Ascona wiederum sind schon deutlich mehr Menschen unterwegs als in Locarno. Zunächst wirkte es überfüllt. Mit der Zeit verteilt sich das Volk aber auf die ganze Seepromenade. Auf der Flaniermeile entlang dem Lago Maggiore sitzen die Leute auf den Bänken, spazieren oder gönnen sich Speis und Trank in einem der Restaurants.

Flurin von Planta (62) aus Domleschg GR hat seit 20 Jahren eine Ferienwohnung in Ascona. Er kam am späten Mittwochabend im Tessin an. «Bei der Anreise hatte es sehr wenig Verkehr», sagt von Planta. Der Bündner findet, dass es weniger Leute als in den anderen Jahren habe. «Es ist schwierig einzuschätzen, da sie hier jetzt überall die Stühle anders aufgestellt haben. Aber ich denke, es sind so 50 bis 70 Prozent von dem, was wir sonst hier sehen.»

Verglichen mit den Zuständen von vor ein paar Wochen seien jedoch klar mehr Leute draussen, fügt von Planta an. Er will bis am Sonntag im Tessin bleiben. Dann gehts ab zurück.

Leere Züge in den Süden

Auch die Züge der SBB sind überraschend leer. Wo sonst selbst Auffahrts-Extrazüge bis auf den letzten Platz besetzt waren, ist nun keine Spur von Grossandrang. Am Bahnhof Luzern trifft BLICK ein älteres Paar, das sich auf den Weg ins Tessin macht. Wohin genau, verraten die beiden nicht. Sie wollen auch lieber unerkannt bleiben. Möglicherweise würden es nicht alle gut finden, dass man jetzt schon wieder in den vom Coronavirus besonders gebeutelten Südkanton reise, so die Begründung.

Wer sich trotz weniger Andrang den Weg in den Süden sparen will, verpasst zumindest aus meteorologischer Sicht wenig. Einzig am Samstag, der nördlich der Alpen verregnet ausfällt, kann vor allem das Tessin mit besseren Aussichten punkten. Ansonsten wird es in den kommenden Tagen in der ganzen Schweiz weitestgehend sonnig und mit über 20 Grad auch frühsommerlich warm.

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