«Wir wollten die Situation diplomatisch erledigen»
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Polizeisprecher Marco Cortesi:«Wir wollten die Situation diplomatisch erledigen»

Geiselnehmer (†60) erschiesst zwei Frauen in Familienquartier
Er sagte: «Ich komme raus» – dann drückte er ab

Am Freitagmorgen fand ein Geiseldrama im Zürcher Familienquartier Wiedikon ein blutiges Ende. Ein Mann (†60) erschiesst zwei Frauen (†34 und †38). Offenbar ist es der Schlusspunkt eines Beziehungsdelikts.
Publiziert: 31.05.2019 um 21:50 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2019 um 10:39 Uhr
Nicolas Lurati, Karin Frautschi, Petar Marjanovic, Anastasia Mamonova, Flavio Razzino

Das Katz-und-Maus-Spiel fand ein blutiges Ende. Am Freitagmorgen kommt es in einer Wohnung am Döltschiweg 55 in Zürich-Wiedikon zu einem Geiseldrama. Der Schweizer Ante S.* (†60) bringt dort im zweiten Stock des Mehrfamilienhauses seine Ex-Partnerin Leonora F.* (†34) und ihre Freundin Dana T.* (†38) in seine Gewalt. Um 5.22 Uhr geht bei der Stadtpolizei Zürich der erste Notruf ein, eine der Frauen ist am Hörer: Sie fleht um Hilfe. Weitere Anrufe von aufgeschreckten Anwohnern erreichen die Alarmzentrale. Sofort eilen die Einsatzkräfte zum Tatort.

Hässliche Szenen spielen sich ab. Leonora F. schafft es auf den Balkon – hinter ihr der Geiselnehmer. Er zerrt sein Opfer wieder in die Wohnung. Wenig später kann die Polizei einen ersten Kontakt zu Ante S. aufnehmen. Der Nervenkrieg beginnt. Stadtpolizei-Sprecher Marco Cortesi dazu: «Er gab an, zwei Frauen in seiner Gewalt zu haben, und drohte damit, die beiden zu erschiessen.»

Spezialkräfte am Tatort

Spezialkräfte erreichen den Einsatzort. Darunter die Sondereinheit Skorpion und professionelle Verhandlungsführer. Parallel dazu wird die Umgebung weiträumig abgesperrt. Ein Bewohner des Hauses zu BLICK: «Wir sollten nicht mehr vor die Tür gehen und die Läden geschlossen halten.» Unter der Tatort-Wohnung lebt Atcharaporn Bukban (29). Sie berichtet von einem lauten Streit: «Der Mann war ausser Atem, eine Frau schrie.»

In Zürich Wiedikon fand am Freitag eine Geiselnahme statt.
Foto: Nicolas Lurati
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Die Lage spitzt sich immer weiter zu. Um 8.30 Uhr sucht Geiselnehmer Ante S. ein letztes Mal den Kontakt zur Polizei, verhandelt weitere zehn Minuten heraus und verspricht: «Ich komme raus!» Doch die versprochene Aufgabe ist ein falsches Versprechen. Schüsse fallen. Die Wohnung wird gestürmt, die Sondereinheit stösst auf drei schwerverletzte Personen – und eine Pistole. Jede Hilfe kommt zu spät. Der Geiselnehmer und seine beiden Opfer sind tot. 

Tatmotiv Eifersucht

Nach BLICK-Informationen spielt sich das Drama in der Wohnung von Dana T. ab. Die Tschechin lässt ihre Schweizer Freundin Leonora F. schon seit einiger Zeit bei sich wohnen. Die junge Frau lebte in Trennung von ihrem Ex-Partner Ante S. – ausserdem kennen sich die Frauen von der Arbeit, beide sind im Pflegebereich tätig. Auch der Name von Leonora F. klebt schon länger provisorisch am Briefkasten.

BLICK erreicht die Ex-Frau des Geiselnehmers – sie lebte bis vor sieben Jahren mit Ante S. zusammen. Die Todesnachricht erfuhr sie von der Polizei: «Ja, mein Ex-Mann ist heute ums Leben gekommen, die Tat in Wiedikon war ein Beziehungsdelikt.»

Warum griff die Polizei nicht früher ein?

Im Quartier stellen sich viele Anwohner die Frage, warum die Polizei nicht früher eingegriffen hat – um die Frauen zu retten. Stadtpolizei-Sprecher Marco Cortesi nimmt dazu Stellung: «Das wäre nicht verhältnismässig gewesen, da der Mann angekündigt hatte, sich zu ergeben – darum haben wir uns zurückgehalten.» Denn, so Cortesi: «Wir konnten nicht davon ausgehen, dass es zu dieser Tat kommt.»

*Namen geändert

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