Trotz zwei Schwerverletzter in Rehetobel AR
Darum wollen Polizisten keine Schutzwestenpflicht

Die beiden Polizisten, die in Rehetobel AR im Einsatz durch Schüsse schwer verletzt wurden, trugen keine Schutzwesten. Das mussten sie auch nicht. Eine Tragepflicht ist unter Beamten nicht mehrheitsfähig.
Publiziert: 05.01.2017 um 17:23 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2018 um 16:15 Uhr
Ein Polizist im Einsatz nach der Schiesserei in Rehetobel AR. Im Gegensatz zu seinen beiden verletzten Kollegen trägt er ein Schutzweste.
Foto: Keystone

Auch drei Tage nach der Schiesserei bei einer Hausdurchsuchung in Rehetobel AR, bei der zwei Polizisten schwer verletzt wurden, ist die Betroffenheit noch immer gross.

Der 29-jährige Beamte, den eine Kugel aus der Waffe von Roger S. (†33) mitten ins Herz getroffen hat, befindet sich nach wie vor in einem «kritischem Zustand», wie Kapo-Sprecher Hanspeter Saxer auf Anfrage von BLICK sagt. Der zweite angeschossene Polizist (37) sei zwar «stabil», befindet sich aber ebenfalls weiterhin in Spitalpflege.

Roger S. schoss auf die Polizisten, später richtete er sich selber.
Foto: zVg
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«Entscheid war gut überlegt»

Doch neben der Betroffenheit, die er auslöst, wirft der Fall auch Fragen auf. Allen voran jene, weshalb die Polizisten bei ihrem Einsatz keine Schutzweste getragen haben. Handelten sie gar fahrlässig?

Sprecher Saxer nimmt die Beamten in Schutz. «Der Einsatz war seriös vorbereitet und der Entscheid, auf eine Schutzweste zu verzichten, war gut überlegt», sagt er.

Als ungefährlich eingestuft

Roger S. wurde von den Polizisten offensichtlich als ungefährlich eingestuft – obwohl diesen bekannt war, dass der 33-Jährige bereits 2003 mit einer Schrotflinte auf einen anderen Mann geschossen hatte, wie Saxer betont. Hinzu kommt, dass sich S. bei dem Einsatz zunächst kooperativ gezeigt hatte, bevor die Situation überraschend eskalierte.

Der Schütze Roger S. (†33) war der Polizei bekannt.
Foto: zvg
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Der Fall Rehetobel werde sicherlich eine erneute Diskussion über eine Tragpflicht für Schutzwesten auslösen, glaubt Saxer.

Er ist aber persönlich der Ansicht, dass eine stärkere Reglementierung für die tägliche Polizeiarbeit nicht tauglich sei. Es müsse einen Spielraum geben, sagt der Polizeisprecher. Schliesslich könne eine Weste je nach Schutzgrad und Gewicht auch die Handlungsfähigkeit der Polizisten einschränken.

Zudem hält Saxer fest: «Einen absoluten Schutz gibt es sowieso nicht – auch nicht mit Weste.»

«Keine 100-Prozent-Garantie»

Ähnlich tönt es beim Verband Schweizerischer Polizeibeamter VSPB. «Man kann das Risiko nur minimieren, eine 100-Prozent-Garantie auf Unversehrtheit im Einsatz gibt es für Polizisten nicht», sagt Präsidentin Johanna Bundi Ryser, die sich ebenfalls gegen eine allgemeine Tragpflicht ausspricht.

Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB), will keine Schutzwestenpflicht.
Foto: Rolf Weiss

Der Aufgabenbereich der Polizei sei heutzutage sehr vielfältig, jede Situation unterschiedlich. «Ein Polizist muss anhand seiner Lagebeurteilung selber abwägen können», sagt Bundi Ryser.

Wichtig sei indessen aber die Verfügbarkeit der Schutzwesten. «Jedes Korps muss seinen Polizisten ein persönliches Exemplar zur Verfügung stellen, damit sie diese tragen können, falls sie es für notwendig erachten.»

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