«Die Ursache ist bis heute ungeklärt»
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Viktor Dammann erinnert sich:«Die Ursache ist bis heute ungeklärt»

Vor 50 Jahren starben 28 Psychiatrie-Patienten im «Burghölzli»
Eingeschlossen in der Klinik, gefangen im Feuer

Am 6. März jährt sich eine der schlimmsten Brandkatastrophen der Schweiz. Vor 50 Jahren starben in der psychiatrischen Klinik «Burghölzli» in Zürich 28 Patienten. Augenzeugen erinnern sich an das Inferno.
Publiziert: 01.03.2021 um 00:57 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2021 um 13:07 Uhr
Viktor Dammann

Es sind Bilder, die meine Erinnerung nicht löschen kann. Als junger Fotoreporter (21) arbeitete ich vor 50 Jahren für die Presseagentur Keystone und erhielt am frühen Morgen des 6. März 1971 einen Anruf der Stadtpolizei, die uns Reporter damals bei Grossereignissen selbst aufboten.

Zwar hatte ich schon von der psychiatrischen Klinik Burghölzli gehört, hatte aber keine Ahnung, wo sie lag. So liess ich ein Taxi vor mir herfahren. Bei der Klinik angekommen, war erst nichts von einem Grossbrand zu sehen. Erst als ich um das Gebäude herumging, sah ich die rauchgeschwärzte Fassade.

Über Leichen in die Schlafsäle

Der damalige Kripochef der Zürcher Stadtpolizei erlaubte einer Handvoll Fotografen, in den betroffenen Schlafsälen einen Augenschein zu nehmen. Auf dem Weg dorthin mussten wir buchstäblich über die in den Korridoren liegenden Leichen der erstickten Patienten steigen. Ein Anblick, den ich nie vergessen werde.

So berichtete der SonntagsBlick am 7. März 1971 über die Brandkatastrophe.
Foto: blick
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In einem betroffenen Schlafsaal standen nur noch die nackten Gitterbetten auf dem rauchgeschwärzten Boden – wie Skelette. In einem anderen war die Bettwäsche aufgeschlagen. Als ich die Brandstätte verliess, wurden draussen Dutzende von Särgen aus einem Lastwagen geladen.

Die meisten der 28 Opfer erstickten im Schlaf

Später kam raus: Einer der Nachtpfleger hatte damals das Feuer bemerkt. Als er von einem Kontrollgang in sein Stationsbüro zurückkehrte, war bereits alles in dicken Rauch gehüllt. Betroffen war ausgerechnet der Trakt C, wo in der geriatrischen Abteilung ältere, chronisch kranke Männer untergebracht waren.

Die meisten der 28 Opfer erstickten im Schlaf. Agileren Patienten, die sich vor dem giftigen Qualm retten wollten, verwehrten verschlossene Türen und mit Panzerglas gesicherte Fenster den Weg in die Freiheit.

Keine Schlüssel zu den Zimmern

Angestellte, welche die Patienten retten wollten, hatten gegen den beissenden Qualm keine Chance. «Beim Öffnen einer Türe kam mir ein so starker und beissender Rauch entgegen, dass ich unverrichteter Dinge umkehren musste», rapportierte später ein Pfleger.

Die Feuerwehr musste sich in Ermangelung der Zimmerschlüssel mit Kreissägen behelfen, um die Türen aufzusprengen – lediglich zwei Menschen konnte sie retten.

Pfleger mit Fotoreportage

Für den damaligen Psychiatriepfleger und heutigen Kunstschaffenden Willi Keller (77) war das Unglück auch in einem besonderen Masse bedrückend. Der gelernte Fotograf hatte ein Jahr vor dem Unglück im Auftrag der Klinikleitung den Alltag in der Psychiatrie fotografiert. «Leider waren sehr viele dieser Patienten Opfer des Brandes geworden», erinnert sich Keller. «Eine geplante interne Ausstellung mit meinen Bildern war dann kein Thema mehr.»

Vor vier Jahren holte Keller die Fotos aus seinem Archiv und veröffentlichte sie zusammen mit dem Zürcher Staatsarchiv im Buch «Eingeschlossen» (Chronos-Verlag). Es zeigt und beschreibt das Klinikleben zur Zeit der Brandkatastrophe. Eine Mischung aus Traurigkeit und harter Arbeit in beengten Verhältnissen. Die Psychiatrische Universitätsklinik (PUK), wie sie heute heisst, erinnerte mit seinen Wohnzellen und dem täglichen Hofgang eher an ein Zuchthaus. Kellers Bilder werden vom 28. März bis 11. Juli im Museum Lagerhaus St. Gallen gezeigt.

Angestellter unter falschem Verdacht

Wie hat der junge Pfleger selbst den Brand erlebt? «Ich hatte an diesem Samstag frei. Als ich im Radio davon hörte, rief ich in der Klinik an, ob ich helfen könne. Doch sie hatten genug Leute. So kümmerte ich mich um den Nachtpfleger, der ihm Verdacht stand, den Brand verursacht zu haben. Ich suchte ihn zu Hause auf. Die ganze Familie sass am Küchentisch, völlig im Schock.»

Die genaue Ursache des Brandes konnte nie abschliessend geklärt werden. Der verdächtigte Pfleger wurde vom Zürcher Bezirksgericht freigesprochen. Möglicherweise hatte ein Papierkorb neben einem Heizstrahler Feuer gefangen.

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