Daimler-Vorstand Renata Jungo Brüngger
Die mächtigste Schweizerin der Weltwirtschaft

Seit einem Jahr sitzt die Freiburgerin Renata Jungo Brüngger im Vorstand des Auto-Riesen Daimler. Und das in Zeiten von Abgas-Skandalen – mutig oder einfach nur durchgedreht?
Publiziert: 05.02.2017 um 22:04 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:08 Uhr
Vinzenz Greiner

Der Weg aus dem 7000-Seelen-Städtli Düdingen FR an die Spitze eines Grosskonzerns mit 284'000 Mitarbeitern war lang. Im Dorf erinnert man sich noch gut an die grosse, schöne Gemeindepolitikern. Jetzt tritt sie zackig ins Besprechungszimmer am Stuttgarter Hauptsitz des Auto-Riesen Daimler. Fünf Minuten Verspätung. Ein Lächeln, kräftiger Händedruck, schon gehts los. Denn Renata Jungo Brüngger hat kaum Zeit: Seit 7.15 Uhr ist sie im Büro, zu Mittag gegessen hat sie am Schreibtisch. Der Abschluss des Geschäftsjahrs 2016, er pressiert. Als Vorstandsmitglied von Daimler ist Renata Jungo Brüngger voll eingespannt – und die mächtigste Schweizerin in der Weltwirtschaft.

Eine Glocke stülpt sich an diesem sonnigen Januartag über die schwäbische Auto-Stadt Stuttgart. Feinstaub-Alarm! Schilder am Strassenrand und Displays an S-Bahn-Haltestellen rufen die Pendler auf, doch bitte ins Elektro-Auto oder in eines der öffentlichen Verkehrsmittel zu steigen. Jungo Brüngger nimmt an diesem Morgen ihre Mercedes S-Klasse – das PS-strotzende Flaggschiff ihres Arbeitgebers.

Oberste Polizistin und Kultur-Chefin

Der Weg vom Stuttgarter Westen sei weit, und sie müsse sonst mehrmals umsteigen, sagt Jungo Brüngger mit einem Lächeln, das entschuldigen soll. Schliesslich ist sie für Integrität und Recht und damit auch für die Nachhaltigkeit im Grosskonzern verantwortlich.

In Zeiten von Abgas-Skandalen will Daimler-Vorstandsmitglied Renata Jungo Brüngger Werte zu einem Wettbewerbsvorteil machen.
Foto: PHILIPPE ROSSIER

Die juristische Dimension des Projekts zu selbstfahrenden Autos, für das Daimler mit Uber zusammenspannt, prüft ihr Ressort. Auch für sonstige Rechts- und Datenschutz-Fragen zuständig: JB. So nennen sie manche in Anlehnung an DZ – Konzernchef Dieter Zetsche (63). JB ist so etwas wie oberste Polizistin und Kultur-Chefin zugleich.

Seit einem Jahr ist Renata Jungo Brüngger im Daimler-Vorstand

Vor einem Jahr stiess sie in Zetsches Vorstand, übernahm den Job von Christine Hohmann-Dennhardt (66), die zum Konkurrenten Volkswagen (VW) wechselte, um den Diesel-Skandal aufzuarbeiten. Nach einem Jahr ist Hohmann-Dennhardt schon nicht mehr im Amt.

Freiburgerin und mächtigste Schweizerin der Weltwirtschaft, Renata Jungo Brüngger: «Ich will Dinge gut, richtig, zu 100 Prozent machen.»
Foto: PHILIPPE ROSSIER

Ob es in Zeiten von Abgas-Skandalen mutig sei, einen Vorstandsposten in der Automobilindustrie zu bekleiden, in dem man sich um Recht und Ordnung kümmern müsse? «Meine Position hat nicht mehr Risiken als andere Positionen auch», meint Jungo Brüngger. «Heute hat man das eine Thema, morgen kann es wieder etwas ganz anderes sein.»

Jungo Brüngger reicht das Durchschnittliche nicht

Ihr Ziel: alles tun, damit «Integrität und Werte ein Wettbewerbsvorteil fürs Unternehmen werden». Sie selber wolle da mit gutem Beispiel vorangehen.

Ihr Beispiel ist vor allem das einer Frau, welcher das Durchschnittliche nicht reicht. Als Schülerin sass sie häufiger am Klavier als vor den Hausaufgaben. «Ich wäre fast vom Gymnasium geflogen», erinnert sich Jungo Brüngger. Heute spielt sie nicht mehr. «Wenn Sie mal ein gewisses Niveau erreicht haben und dieses dann nicht mehr pflegen können, macht es keinen Spass mehr.»

Betreibt sie Sachen extrem? «Ich will sie nur gut, richtig, zu 100 Prozent machen», entgegnet Jungo Brüngger. Erfolgreich wird nur, das scheint sie zwischen Mathe-Heften und Klaviertasten gelernt zu haben, wer sich fokussiert. Und wer sich kontrolliert. Im Gespräch ruft sie ihr gewinnendes Lächeln dosiert ab. Die Hände: meist unter dem Tisch. Das Foto lässt sie noch einmal schiessen, weil sie «nicht gerade» stehe.

Jahrelang war Jungo Brüngger in der CVP aktiv

Kontrolle, das hat auch etwas mit Überblick zu tun. Zum Interview trägt die gross gewachsene Freiburgerin hohe Absätze. Ihr Hobby ist Bergsteigen, etwa im Prättigau.

In Stuttgart lebt sie ohnehin nur als Wochenaufenthalterin. Ihr Wohnsitz ist Zürich. Und sie geht regelmässig abstimmen. Ehrensache: In ihrer Heimat Düdingen hatte sie sich jahrelang in der CVP engagiert.

«Frau Jungo bewahrt immer ruhig Blut»

Nach dem Jus-Studium arbeitete Jungo Brüngger in der renommierten Zürcher Wirtschaftskanzlei Bär & Karrer, wo sie, so ein damaliger Kollege, «immer ruhig Blut» bewahrte. Später ging sie zum Handelskonzern Metro. Danach war sie Justiziarin beim US-Konzern Emerson Electric, wo sie von Kasachstan bis zur Türkei Trainings über Korruption abhielt.

2011 kam sie zu Daimler. Aber nicht, weil Benzin durch ihre Adern fliessen würde. Ihr erstes Auto war kein schicker Mercedes, sondern ein Wagen mit einer eigensinnigen Klimaanlage, den sie einem Arbeitskollegen abgekauft hatte. An Daimler fasziniere sie die Technologie, sagt Jungo Brüngger. «Weil dort auch immer rechtliche Fragen mitschwingen.»

«Die Arbeit kommt ganz klar zuerst»

Fünf Jahre nach ihrem Einstieg beim Auto-Bauer wurde sie in den Vorstand berufen. So eine Karriere geht nicht ohne Abstriche. «Mein Mann und ich sind kinderlos glücklich, wie wir sagen», sagt Jungo Brüngger. In einem Interview sagte sie einmal: «Die Arbeit kommt ganz klar zuerst.» Tatsächlich: Es ist 2015, als der Aufsichtsratsvorsitzende anruft und ihr den Vorstandsposten anbietet. Sie überlegt nicht lange. Erst danach ruft sie ihren Mann an.

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