Erstmals spricht ein Chauffeur über den umstrittenen Fahrdienst:
«Ich bin nicht so frei, wie Uber behauptet!»

Der Fahrdienst Uber ist bei den Kunden beliebt. Aber wie sehen es die Fahrer? Druck, Abhängigkeit und Überarbeitung sind ihr Alltag. Eine Spurensuche in Zürich.
Publiziert: 30.11.2019 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2019 um 13:47 Uhr
Luan Nishani* hat sich ein Auto gekauft, um in Zürich für Uber zu fahren.
Foto: Claudio Meier
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Dafina Eshrefi

Ein ganz normaler Dienstagabend in Zürich. Wir warten mit Luan Nishani* (32) auf den ersten Uber-Kunden. Tagsüber arbeitet der dreifache Familien­vater als Lastwagenchauffeur, abends und am Wochenende als Uber-Fahrer. «Freunde schwärmten von Uber», erzählt er. «Vor einem Jahr fing ich dann selber damit an.»

Zwischen zehn und 40 Stunden sitzt er wöchentlich für den Fahrdienst-Vermittler am Steuer. Wie viel genau, hängt nicht zuletzt ­davon ab, wie viel Energie er noch hat. Als LKW-Fahrer arbeitet er im vollen Pensum.

Bis zu 3'500 Franken Nebenverdienst als Uber-Fahrer

In seiner Uber-Arbeitszeit sind die Wartezeiten inbegriffen. Je nachdem, wie viele Aufträge er annimmt, verdient Nishani bis zu 3500 Franken monatlich. «Das klingt nach viel Geld. Aber wenn man bedenkt, dass ich alle Kosten für die Versicherung, für Treibstoff und alles Weitere selber trage, ist es nicht mehr so viel.» Als er seinen Nebenjob begann, kaufte er extra ein neues Auto: «Für den Wagen und das ganze Equipment, das ich zusätzlich anschaffen musste – wie beispielsweise den Fahrtenschreiber –, habe ich 18000 Franken investiert.»
Abends trifft er sich oft mit ­seinen Uber-Kumpels an einer Tankstelle in der Stadt Zürich. Alle sind online. Jeder wartet auf den nächsten Auftrag.

Luan Nishani findet dieses Prinzip gut. Aber: «Uber zieht fast 30 Prozent der Einnahmen ein. ­Dafür, dass Uber nur die App zur Verfügung stellt, ist diese Gebühr zu hoch.» Und noch etwas macht dem gebürtigen Albaner zu schaffen: «Uber macht abhängig!» Es ­falle ihm manchmal schwer, zu Hause zu bleiben. «Ständig denkst du dir: Du könntest jetzt auf die Piste und Geld verdienen.»

Genf will Uber Lizenz entziehen

Nach seinen Lastwagen-Touren geht Luan Nishani kurz zum Essen nach Hause, legt sich etwas hin – und stürzt sich dann gleich in die Arbeit für Uber. Seine Kinder sieht er kaum noch. «Meine Frau arbeitet Teilzeit. Meine Eltern helfen uns deshalb mit den Kindern.»

In der Schweiz ist Uber in Genf, Lausanne, Zürich und Basel zugelassen. Genf hat vor einem Monat entschieden: Der Fahrdienst Uber muss seine Fahrerinnen und Fahrer als Arbeitgeber regulär anstellen, also auch für Feriengeld und Sozialleistungen aufkommen, für AHV, IV sowie die Beiträge für Ergänzungsleistungen. Weigert sich Uber, entzieht ihm Genf die Lizenz.

Uber besteht bisher darauf, lediglich eine Plattform als Vermittler anzubieten. Als Arbeitgeber sieht sich das Unternehmen nicht. Solange kein Urteil in letzter Instanz vorliegt, darf Uber in Genf weiterhin seine Dienste anbieten.

Auf Nishanis Uber-App poppt eine Nachricht auf. «John» möchte beim Hauptbahnhof Zürich abgeholt und drei Kilometer an seinen Zielort gebracht werden. Er nimmt Johns Anfrage an. Sofort erklingt die Stimme der Uber-App-Naviga­tion: «Bitte biegen Sie vorne rechts ab.» Auf der Karte wird der kürzeste Weg zum Kunden aufgezeigt. «Die App ist einfach zu bedienen und funktioniert einwandfrei», sagt Nishani und wirkt müde.

Arbeitgeber oder Vermittler?

Uber ist eine Onlineplattform, die man als Kunde, aber auch als ­Fahrer nutzen kann. Die Firma gilt als Teil der sogenannten Gig Economy (engl. gig = Auftritt; economy = Wirtschaft). Im Gig-Arbeitsmarkt stehen unabhängige Selbständige – die sich zur Verfügung stellen, um eine bestimmte Arbeit zu verrichten – einem Mittler gegenüber. Der stellt eine Onlineplattform zur Verfügung und erhält dafür eine Provision. Im Fall von Uber bieten «Partner-Fahrer» ihre Dienste über die Uber-App an. Seit Juni 2018 benötigen sie in der Schweiz eine Taxilizenz mit Bewilligung für Personentransporte. Auch ein Strafregisterauszug wird verlangt. Aktuell ist Uber in der Schweiz in Zürich, Genf, Lausanne und Basel zugelassen. Die Firma weigert sich, ihre Fahrer als Arbeit­nehmer anzustellen. Sie seien Selbständige, Uber lediglich Vermittler. Das Arbeitsdepartement in Genf aber hat entschieden: Uber ist ein Arbeitgeber. Verhält sich das Unternehmen nicht entsprechend, wird ihm die Lizenz entzogen. Auch in London droht Uber der Lizenzentzug. Dort argumentiert die Stadtverwaltung mit Sicherheitsbedenken.

Uber sorgt ein weiteres Mal für Negativschlagzeilen.

Uber ist eine Onlineplattform, die man als Kunde, aber auch als ­Fahrer nutzen kann. Die Firma gilt als Teil der sogenannten Gig Economy (engl. gig = Auftritt; economy = Wirtschaft). Im Gig-Arbeitsmarkt stehen unabhängige Selbständige – die sich zur Verfügung stellen, um eine bestimmte Arbeit zu verrichten – einem Mittler gegenüber. Der stellt eine Onlineplattform zur Verfügung und erhält dafür eine Provision. Im Fall von Uber bieten «Partner-Fahrer» ihre Dienste über die Uber-App an. Seit Juni 2018 benötigen sie in der Schweiz eine Taxilizenz mit Bewilligung für Personentransporte. Auch ein Strafregisterauszug wird verlangt. Aktuell ist Uber in der Schweiz in Zürich, Genf, Lausanne und Basel zugelassen. Die Firma weigert sich, ihre Fahrer als Arbeit­nehmer anzustellen. Sie seien Selbständige, Uber lediglich Vermittler. Das Arbeitsdepartement in Genf aber hat entschieden: Uber ist ein Arbeitgeber. Verhält sich das Unternehmen nicht entsprechend, wird ihm die Lizenz entzogen. Auch in London droht Uber der Lizenzentzug. Dort argumentiert die Stadtverwaltung mit Sicherheitsbedenken.

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«Man ist nicht so frei, wie es Uber in der Werbung behauptet.»

Seit diesem Jahr wird dem Uber-Fahrer neu gleich nach Annahme eines Kunden der genaue Zielort angezeigt. Daraufhin stornierten viele Fahrer gleich nach Annahme des Kunden wieder – weil sich die Fahrt schlicht nicht lohnte. «Ich sollte oft ein paar Kilometer zum Kunden fahren, um ihn 900 Meter weit zu bringen», sagt Luan Nishani. «Solche Kurzstrecken machen doch keinen Sinn!» Auch das Gegenteil sei vorgekommen: Nishani stornierte den Auftrag für eine Fahrt von Zürich nach Genf – an jenem Abend fühlte er sich nicht fit genug für eine solche Strecke.

Luan Nishani sieht sich wie seine Fahrerkollegen enorm unter Druck gesetzt: «Man ist nicht so frei, wie es Uber in der Werbung behauptet.»
Weil er einzelne Aufträge stornierte, wurde er von Uber mehrmals als Fahrer gesperrt. Dieser zusätz­liche Druck war nicht einfach zu ­verdauen: «Ich wusste nie, wann ich wieder freigeschaltet werde.» Beim «Uber-Büro» in Zürich suchte er stets Hilfe. «Manchmal konnten sie helfen, oft nicht.» Aus Angst vor weiteren Sperren geht er nun erst nach 22 Uhr auf die Piste. «Ab da wollen die Kunden am meisten nach Hause gefahren werden und die Strecken sind im Normalfall länger.»

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7.55 Franken für drei Kilometer Strecke

Nishani ist jetzt am Zürcher Hauptbahnhof und hält am Strassenrand an. «John» und seine Freundin steigen ein. Die beiden sind Touristen aus den USA und ­lassen sich zu einer Wohnung fahren, die sie über Airbnb gemietet haben. Bruttoverdienst des Fahrers für drei Kilometer Strecke: 10.34 Franken. Davon zieht Uber Servicegebühren von 2.79 Franken ab, inklusive 20 Rappen Steuer.

Luan Nishani bewertet den Kunden mit fünf von fünf Sternen: «Das mache ich immer so. Ausser, der Kunde ist besoffen und brüllt im Auto rum.» Auch «John» scheint ­zufrieden zu sein.
Er bewertet Luan ebenfalls mit fünf Sternen.

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