Experte Urs Wellauer (54) zum Beck-Konkurs
So haben kleine Bäcker eine Chance

Ein weiterer Konkurs erschüttert die Bäckerei-Branche. Der Markt ist im Umbruch, viele weitere Betriebe werden in den nächsten Jahren noch verschwinden. Die Gründe erläutert Urs Wellauer (54), Direktor Schweizerischer Bäcker-Confiseurmeister-Verband.
Publiziert: 29.09.2018 um 16:11 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2018 um 13:57 Uhr
Urs Wellauer (54), Direktor Schweizerischer Bäcker-Confiseurmeister-Verband, fordert von Betrieben, dass sie sich auf Handwerk und Werte zurückbesinnen und damit auch vor Ort werben.
Foto: Swissbacker.ch
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Interview: Ulrich Rotzinger

BLICK: Herr Wellauer, wieder erschüttert der Konkurs einer Traditionsbäckerei die Branche. Macht Ihnen das Sorge?
Urs Wellauer: Jeder Konkurs eines etablierten Bäckereibetriebes ist ein Schlag für unser Gewerbe. Das zeigt, der Konzentrationsprozess und der Strukturwandel schreiten voran.

Ihr Verband zählt heute 1488 Betriebe. Wie viele gibt es in zehn Jahren noch?
Wir rechnen damit, dass wir in den nächsten Jahren noch 300 bis 400 Mitglieder-Betriebe verlieren. Ich denke, dass sich die Zahl bei rund 1100 Unternehmen einpendeln wird.

Was sind die Gründe für das Bäckerei-Sterben?
Bäckerei-Sterben klingt mir jetzt zu krass. Das Marktumfeld ist hart umkämpft. Das ist einerseits dem sich ändernden Konsum zuzuschreiben. Die Leute wollen rund um die Uhr an jedem Ort frische Backwaren kaufen können. Zum anderen hängt der Konzentrationsprozess mit Wachstum der Grossverteiler und den Discountern im Bereich Backwaren zusammen. 

Migros und Coop kopieren die Erfolgskonzepte von Traditionsbäckereien, und verkaufen ihr Angebot, wie ein Dorfbeck es tun würde.
Die Grossverteiler sind raffiniert und inszenieren sich geschickt. Gegen deren aggressive Marketing-Strategie und auch gegen die Discounter können wir nicht ankommen. Kleinere Betriebe werden so immer mehr aus dem Markt gedrängt.

Müssen wir künftig mit dem Brot der Grossverteiler vorliebnehmen?
Nein, die erfolgreichen Betriebe heben sich durch eine Qualitätsstrategie und klare Positionierung ab. Die Betriebe werden grösser, Klein- und Kleinstbetriebe werden verschwinden, weil sie keine ausreichende Existenz mehr bieten. Das ist schon so. Aber die Konzentration in der Branche eröffnet den gewerblichen Betrieben auch Chancen.

Was können Dorfbäckereien besser machen?
Mehrheitlich machen sie es heute bereits sehr gut. Grundsätzlich müssen sie den Kunden aufzeigen, dass sie ihre Einkäufe statt beim Grossverteiler wieder beim Bäcker-Confiseur vor Ort tätigen, weil das Angebot entweder qualitativ besser ist oder sie Nischenprodukte bieten können, die die Grossen nicht haben. Zum Beispiel alte Getreidesorten oder lange Teigruhezeiten.

Reicht das, um den Niedergang aufzuhalten?
Ich stelle fest, dass Werte wie Tradition, Heimat, Herkunft und Handwerk wieder an Bedeutung gewinnen. Darum sind die Chancen zum Überleben durchaus da, nun muss man sie packen.

Wer die grössten Brötli backt

Zwei Drittel vom Absatz der Backwaren in der Schweiz erfolgt über Coop und Migros sowie die Discounter. Nur ein Drittel wird von den Einzelbetrieben und kleineren Ketten verkauft. Coop hat vor zwei Jahren kräftig investiert, wirbt mit der «grössten Bäckerei der Schweiz» in Schafisheim AG. Dort werden jährlich 60 000 Tonnen Brot und Backwaren hergestellt. Gar 155 000 Tonnen pro Jahr produzieren die Jowa-Bäckereien der Migros an elf Standorten schweizweit. Zusammen beschäftigen die Grossen rund 4500 Mitarbeitende. Doch auch Kleinere backen grosse Brötchen. In allen Regionen der Schweiz gibts noch Bäckereien mit zehn bis 20 Filialen. In Basel und Umgebung kennt jeder den Sutter Begg, Churer kaufen Brot bei Merz, zwischen St. Gallen und Widnau SG ist Schwyter Platzhirsch und im Wallis ist Zenhäusern ganz gross. Mehrere Bäckerei-Ketten gibts in Zürich: Wüst, Steiner, Buchmann und Kleiner. Auch Luzerner Bäckereien mischen hier mit. Hug beim Bahnhof Stadelhofen. Die Luzerner Confiserie Bachmann eröffnet im Herbst an der exklusiven Bahnhofstrasse eine Filiale.

Zwei Drittel vom Absatz der Backwaren in der Schweiz erfolgt über Coop und Migros sowie die Discounter. Nur ein Drittel wird von den Einzelbetrieben und kleineren Ketten verkauft. Coop hat vor zwei Jahren kräftig investiert, wirbt mit der «grössten Bäckerei der Schweiz» in Schafisheim AG. Dort werden jährlich 60 000 Tonnen Brot und Backwaren hergestellt. Gar 155 000 Tonnen pro Jahr produzieren die Jowa-Bäckereien der Migros an elf Standorten schweizweit. Zusammen beschäftigen die Grossen rund 4500 Mitarbeitende. Doch auch Kleinere backen grosse Brötchen. In allen Regionen der Schweiz gibts noch Bäckereien mit zehn bis 20 Filialen. In Basel und Umgebung kennt jeder den Sutter Begg, Churer kaufen Brot bei Merz, zwischen St. Gallen und Widnau SG ist Schwyter Platzhirsch und im Wallis ist Zenhäusern ganz gross. Mehrere Bäckerei-Ketten gibts in Zürich: Wüst, Steiner, Buchmann und Kleiner. Auch Luzerner Bäckereien mischen hier mit. Hug beim Bahnhof Stadelhofen. Die Luzerner Confiserie Bachmann eröffnet im Herbst an der exklusiven Bahnhofstrasse eine Filiale.

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Billigbrot flutet Schweiz

Im Bäckerei-Gewerbe herrscht Aufruhr: Brot aus dem Ausland flutet zunehmend den Schweizer Markt. 2017 wurde fast viermal so viel Brot importiert wie noch vor zehn Jahren. Pikant: Damals kamen die beiden Discounter Aldi und Lidl in die Schweiz. Sie forcierten zuletzt den Verkauf von günstigen Aufbackbroten und -brötchen an Selbstbedienungstheken.

Auch Migros-Tochter Denner warf den Ofen an. Und bietet heute fast in allen Filialen täglich frisch Aufbackware bis Ladenschluss.

Gleichzeitig sank in den letzten zehn Jahren der Anteil an gewerblichen Bäckereien um ein Viertel. Ein weiterer Grund für das Sterben traditioneller Bäckereien ist die Konkurrenz durch Grossverteiler. Coop und Migros investieren Millionen in den Ausbau ihrer eigenen Backwaren-Produktionen.

Sie kopieren erfolgreich das traditionelle Backhandwerk und vermarkten ihre Produkte auch so, als ob sie direkt aus der Backstube einer Dorfbäckerei kämen. (uro)

Im Bäckerei-Gewerbe herrscht Aufruhr: Brot aus dem Ausland flutet zunehmend den Schweizer Markt. 2017 wurde fast viermal so viel Brot importiert wie noch vor zehn Jahren. Pikant: Damals kamen die beiden Discounter Aldi und Lidl in die Schweiz. Sie forcierten zuletzt den Verkauf von günstigen Aufbackbroten und -brötchen an Selbstbedienungstheken.

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