Erben-Familie erhält 3,3 Mia Fr + Aktie macht Kurssprung
Sika gewinnt Kampf um Kontrolle gegen Saint-Gobain

Die feindliche Übernahme ist gescheitert. Der französische Baustoffkonzern hat im Kampf um die Kontrolle von Sika aufgegeben. Das hatte jedoch seinen Preis. Um 9.30 Uhr informiert die Firma in Zürich-Altstetten – BLICK berichtet live.
Publiziert: 11.05.2018 um 07:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:45 Uhr
Das sagt Sika-Präsident Paul Hälg
5:13
Sika gewinnt Kampf um Kontrolle gegen Saint-Gobain:Das sagt Sika-Präsident Paul Hälg
Ulrich Rotzinger und Konrad Staehelin

Für die Sika-Erbenfamilie Burkard gibts 500 Millionen Franken obendrauf: Statt 2,75 Milliarden erhält die Gründerfamiline am Ende nun 3,22 Milliarden für ihr Aktienpaket. In einer mehrstufigen Transaktion erhält auch Saint-Gobain eine finanzielle Entschädigung. Unter dem Strich ist dies ein Gewinn von rund 720 Millionen Gewinn für die Franzosen.

Der seit Jahren dauernde Übernahmestreit zwischen Sika-Führung, der Besitzerfamilie und dem Industriekonzern Saint-Gobain ist vom Tisch: Die Parteien haben sich geeinigt. Dies gaben die Parteien am Freitag bekannt.
Foto: ALEXANDRA WEY

Der Übernahmestreit ist zwar zu Ende. Mit der am heutigen Freitag bekannt gegebenen Einigung ist klar, dass die Franzosen den Kampf um die Kontrolle bei Sika aufgegeben haben. Der Baustoffriese mit Sitz in Baar ZG und einem Jahresumsatz von 6,25 Milliarden Franken bleibt unabhängig.

Die Beteiligten – Sika vertreten durch VR-Präsident Paul Hälg und die Erbenfamilie vertreten durch Familienholding Schenker-Winkler (SWH) – gaben heute Vormittag Details zum Deal und dem Ende des jahrelangen Übernahme-Streits bekannt.

Urs Burkard kann sich nun über den Deal mit Saint-Gobain freuen: Seine Holding kassiert 3,3 Milliarden für die Sika-Anteile.
Foto: KEYSTONE/URS FLUEELER

In einer «umfassenden Vereinbarung» wird die Beteiligung an dem Unternehmen und die Verteilung der Stimmrechte neu geregelt, wie Sika in einer Mitteilung am Freitag schreibt. Saint Gobain hält mit der Einigung eine Minderheitsbeteiligung an Sika von 10,75 Prozent für mindestens zwei Jahre und wird damit grösster Aktionär des Zuger Baustoffkonzerns. 

Das war in den letzten Jahren passiert

Am Anfang des Streits stand der im Dezember 2014 veröffentlichte Entscheid der Besitzerfamilie Burkard, ihre Stimmrechtsmehrheit an Sika, die sie über ihre Familienholding SWH hält, zum Preis von 2,75 Milliarden Franken zu verkaufen. Damit hätte Saint-Gobain die Kontrolle bei Sika übernommen, ohne den restlichen Aktionären ein Angebot unterbreiten zu müssen.

Ein Teil des Verwaltungsrats und das Management von Sika wehrten sich gegen den Verkauf. Vor der Generalversammlung im Juli 2015 beschränkte der Verwaltungsrat mit Berufung auf die Vinkulierungsbestimmung in den Statuten das Stimmrecht der Sika-Erben in entscheidenden Fragen auf 5 Prozent. Die Erbenfamilie reichte dagegen beim Zuger Kantonsgericht Klage ein.

Gerichtsverfahren nun eingestellt

Wie nun ebenfalls bekannt wird, wollen die beteiligten Parteien alle Gerichtsverfahren beenden. Sika und Saint-Gobain beabsichtigen zudem, die bestehende Geschäftsbeziehung zu erweitern, heisst es. 

Für den 11. Juni 2018 ist eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen worden. Hier sollen die Aktionäre auch die Umwandlung aller Aktien in Einheitsnamenaktien sowie die Abschaffung der 5%-Vinkulierung beschliessen.

An der Börse dürfte Sika heute zulegen. Kurz nach Öffnung des Handels notierten die Sika-Titel bereits zehn Prozent im Plus. Der Chemieanalyst von Bernstein Research sieht vor allem die Familienaktionäre sowie Saint-Gobain als Gewinner aus der Einigung hervorgehen.

«Die Zerschlagung des gordischen Knotens ist positiv. Dass nun kein Gerichtsurteil notwendig wird, haben wir nach den jüngst kämpferischen Voten an der GV nicht erwartet», schreibt die Zürcher Kantonalbank (ZKB) in einer Analysteneinschätzung zu Sika. Die Beteiligung der Franzosen am Schweizer Baustoffriesen dürfte für dessen Unternehmensentwicklung nicht beeinträchtigend wirken, so die ZKB weiter.

Über drei Jahre erbitterter Kampf gehen zu Ende

Der Übernahmekampf um Sika dauerte dreieinhalb Jahre. Nachfolgend die Chronologie zum Streit über den Verkauf der Sika-Kontrollmehrheit der Familie an den französischen Konzern Saint Gobain.

8. Dezember 2014: Die Erben des Unternehmensgründers wollen ihre Sika-Anteile und damit die Kontrolle über die Firma an den französischen Bauriesen Saint-Gobain für 2,75 Milliarden Franken verkaufen. Saint-Gobain erhielte mit rund 17 Prozent der Kapitalanteile 52 Prozent der Stimmrechte. Die Sika-Konzernleitung und ein Teil des Verwaltungsrates (VR) drohen daraufhin mit Rücktritt. Der Aktienkurs bricht um 22 Prozent ein.

10. Dezember 2014: Die Gründerfamilie beantragt eine ausserordentliche Generalversammlung (GV), bei der sie den VR-Präsidenten und zwei weitere Verwaltungsräte wegen ihres Widerstands gegen die Übernahme durch Chris Tanner und Max Roesle ersetzen will. Tanner zieht seine Kandidatur zwei Wochen später zurück.

23. Dezember 2014: Die Anlagestiftung Ethos möchte zusammen mit anderen Minderheitsaktionären die sogenannte Opting-Out-Klausel aus den Statuten streichen lassen. Ohne die Klausel müsste Saint-Gobain eine Offerte für das gesamte Kapital unterbreiten. Der Mitte Januar gegründeten Unterstützergruppe treten auch 22 Pensionskassen von Schweizer Unternehmen, Städten und öffentlichen Institutionen bei.

26. Januar 2015: Der Sika-VR beschränkt das Stimmrecht der Gründerfamilie auf 5 Prozent und beruft keine ausserordentliche GV ein. Die Familie würde eine Aktionärsgruppe mit Saint-Gobain bilden und verstosse damit laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung gegen die in den Statuten festgelegte Stimmrechtsbeschränkung, teilt die Sika-Führung mit. Die Familienholding bezeichnet das Vorgehen als illegal und ergreift ihrerseits juristische Gegenwehr.

6. März 2015:
Die Schweizer Übernahmekommission (UEK) stellt in einer Verfügung fest, dass die Opting-Out-Klausel in den Sika-Statuten grundsätzlich rechtsgültig ist. Drei Wochen später präzisiert die UEK, dass diese Klausel auch auf die geplante Transaktion Anwendung finde. Die Sika-Erben hatten mit einem Gesuch eine Stellungnahme der UEK gefordert.

7. April 2015:
Saint-Gobain und die Familie Burkard verlängern den Kaufvertrag ein erstes Mal bis Sommer 2016.

23. März 2015: Der Sika-VR erzielt vor dem Kantonsgericht Zug einen Etappensieg. Das Gericht lehnt es ab, die Stimmrechtsbeschränkung der Erbenfamilie an der GV durch den Verwaltungsrat vorsorglich zu untersagen. Das Obergericht wird diesen Entscheid später bestätigen.

14. April 2015:
Der VR beschränkt die Stimmrechte der Erbenfamilie an der GV in gewissen Abstimmungspunkten. Das betrifft insbesondere die Wahl des VR. Volle Stimmkraft hat die Erbenfamilie dagegen bei den Vergütungstraktanden und lehnt die künftige Vergütung des VR ab. Weiter wird auf Antrag der Aktionärsgruppe um Bill Gates eine Sonderprüfung eingesetzt. Die Stimmrechtsbeschränkung wird der VR künftig bei allen GV bis zur Beendigung des Streits anwenden.

1. Juni 2015: Die Familienholding SWH reicht offiziell Klage vor dem Zuger Kantonsgericht ein. Kurz zuvor war eine Einigung vor dem Friedensrichter gescheitert.

1. September 2015:
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Gültigkeit der Sika-Opting-Out-Klausel. Damit ist Bill Gates' Beteiligungsgesellschaft mit einer entsprechenden Beschwerde endgültig gescheitert.

7. Dezember 2015: Saint-Gobain hat alle wettbewerbsrechtlichen Bewilligungen für die Übernahme erhalten. Nach der EU-Kommission und der Eidgenössischen Wettbewerbskommission hat zuletzt die brasilianische Wettbewerbsbehörde zugestimmt.

28. Oktober 2016: Wichtiger Etappensieg für den VR: Das Kantonsgericht Zug weist die Klage von SWH gegen die GV-Beschlüsse ab. Sie erklärt die Stimmrechtsbeschränkung für rechtens. Die Erbenfamilie kündigt Berufung an. Der VR erklärt, eine einvernehmliche Lösung anzustreben.

26. Oktober 2017:
Der Kaufvertrag wird ein viertes Mal verlängert und gilt neu bis am 30. Juni 2018. Saint-Gobain hat die Option, den Vertrag nochmals bis Ende Jahr zu verlängern.

16. Februar 2018:
Die Familie Burkard will einen neuen Vertrag mit Saint-Gobain aushandeln. Der Aktienkurs liegt inzwischen über dem abgemachten Kaufpreis.

11. Mai 2018: Der Übernahmekampf ist beendet: Sika, Saint-Gobain und die Erbenfamilie einigen sich. In einem komplexen Deal übernimmt Saint-Gobain die Aktien der Familie und verkauft ein Teil davon an Sika weiter. Saint-Gobain zahlt der Familie 3,22 Milliarden Franken, Sika an Saint-Gobain 2,1 Milliarden Franken. Saint-Gobain behält eine Minderheitsbeteiligung an Sika von 10,75 Prozent. Sika will die Einheitsaktie einführen. (SDA)

Der Übernahmekampf um Sika dauerte dreieinhalb Jahre. Nachfolgend die Chronologie zum Streit über den Verkauf der Sika-Kontrollmehrheit der Familie an den französischen Konzern Saint Gobain.

8. Dezember 2014: Die Erben des Unternehmensgründers wollen ihre Sika-Anteile und damit die Kontrolle über die Firma an den französischen Bauriesen Saint-Gobain für 2,75 Milliarden Franken verkaufen. Saint-Gobain erhielte mit rund 17 Prozent der Kapitalanteile 52 Prozent der Stimmrechte. Die Sika-Konzernleitung und ein Teil des Verwaltungsrates (VR) drohen daraufhin mit Rücktritt. Der Aktienkurs bricht um 22 Prozent ein.

10. Dezember 2014: Die Gründerfamilie beantragt eine ausserordentliche Generalversammlung (GV), bei der sie den VR-Präsidenten und zwei weitere Verwaltungsräte wegen ihres Widerstands gegen die Übernahme durch Chris Tanner und Max Roesle ersetzen will. Tanner zieht seine Kandidatur zwei Wochen später zurück.

23. Dezember 2014: Die Anlagestiftung Ethos möchte zusammen mit anderen Minderheitsaktionären die sogenannte Opting-Out-Klausel aus den Statuten streichen lassen. Ohne die Klausel müsste Saint-Gobain eine Offerte für das gesamte Kapital unterbreiten. Der Mitte Januar gegründeten Unterstützergruppe treten auch 22 Pensionskassen von Schweizer Unternehmen, Städten und öffentlichen Institutionen bei.

26. Januar 2015: Der Sika-VR beschränkt das Stimmrecht der Gründerfamilie auf 5 Prozent und beruft keine ausserordentliche GV ein. Die Familie würde eine Aktionärsgruppe mit Saint-Gobain bilden und verstosse damit laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung gegen die in den Statuten festgelegte Stimmrechtsbeschränkung, teilt die Sika-Führung mit. Die Familienholding bezeichnet das Vorgehen als illegal und ergreift ihrerseits juristische Gegenwehr.

6. März 2015:
Die Schweizer Übernahmekommission (UEK) stellt in einer Verfügung fest, dass die Opting-Out-Klausel in den Sika-Statuten grundsätzlich rechtsgültig ist. Drei Wochen später präzisiert die UEK, dass diese Klausel auch auf die geplante Transaktion Anwendung finde. Die Sika-Erben hatten mit einem Gesuch eine Stellungnahme der UEK gefordert.

7. April 2015:
Saint-Gobain und die Familie Burkard verlängern den Kaufvertrag ein erstes Mal bis Sommer 2016.

23. März 2015: Der Sika-VR erzielt vor dem Kantonsgericht Zug einen Etappensieg. Das Gericht lehnt es ab, die Stimmrechtsbeschränkung der Erbenfamilie an der GV durch den Verwaltungsrat vorsorglich zu untersagen. Das Obergericht wird diesen Entscheid später bestätigen.

14. April 2015:
Der VR beschränkt die Stimmrechte der Erbenfamilie an der GV in gewissen Abstimmungspunkten. Das betrifft insbesondere die Wahl des VR. Volle Stimmkraft hat die Erbenfamilie dagegen bei den Vergütungstraktanden und lehnt die künftige Vergütung des VR ab. Weiter wird auf Antrag der Aktionärsgruppe um Bill Gates eine Sonderprüfung eingesetzt. Die Stimmrechtsbeschränkung wird der VR künftig bei allen GV bis zur Beendigung des Streits anwenden.

1. Juni 2015: Die Familienholding SWH reicht offiziell Klage vor dem Zuger Kantonsgericht ein. Kurz zuvor war eine Einigung vor dem Friedensrichter gescheitert.

1. September 2015:
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Gültigkeit der Sika-Opting-Out-Klausel. Damit ist Bill Gates' Beteiligungsgesellschaft mit einer entsprechenden Beschwerde endgültig gescheitert.

7. Dezember 2015: Saint-Gobain hat alle wettbewerbsrechtlichen Bewilligungen für die Übernahme erhalten. Nach der EU-Kommission und der Eidgenössischen Wettbewerbskommission hat zuletzt die brasilianische Wettbewerbsbehörde zugestimmt.

28. Oktober 2016: Wichtiger Etappensieg für den VR: Das Kantonsgericht Zug weist die Klage von SWH gegen die GV-Beschlüsse ab. Sie erklärt die Stimmrechtsbeschränkung für rechtens. Die Erbenfamilie kündigt Berufung an. Der VR erklärt, eine einvernehmliche Lösung anzustreben.

26. Oktober 2017:
Der Kaufvertrag wird ein viertes Mal verlängert und gilt neu bis am 30. Juni 2018. Saint-Gobain hat die Option, den Vertrag nochmals bis Ende Jahr zu verlängern.

16. Februar 2018:
Die Familie Burkard will einen neuen Vertrag mit Saint-Gobain aushandeln. Der Aktienkurs liegt inzwischen über dem abgemachten Kaufpreis.

11. Mai 2018: Der Übernahmekampf ist beendet: Sika, Saint-Gobain und die Erbenfamilie einigen sich. In einem komplexen Deal übernimmt Saint-Gobain die Aktien der Familie und verkauft ein Teil davon an Sika weiter. Saint-Gobain zahlt der Familie 3,22 Milliarden Franken, Sika an Saint-Gobain 2,1 Milliarden Franken. Saint-Gobain behält eine Minderheitsbeteiligung an Sika von 10,75 Prozent. Sika will die Einheitsaktie einführen. (SDA)

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