Walliser ruiniert sich mit Raiffeisen-Kredit
Statt Wohnung hat T.L. (52) eine halbe Million Schulden

T. L. aus Brig VS wollte sich den Traum von einer eigenen Wohnung erfüllen und nahm dafür eine Hypothek über eine halbe Million Franken bei der lokalen Raiffeisenbank auf. Dann kams zu einem Fehler. Jetzt hat L. keine Wohnung. Und trotzdem eine halbe Million Schulden.
Publiziert: 13.05.2019 um 23:19 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:07 Uhr
Konrad Staehelin

 T. L.* (52) aus Brig VS steht vor einem Scherbenhaufen: Noch im Sommer 2013 sei er ein erfolgreicher Kleinunternehmer gewesen, verheiratet, rundum glücklich, erzählt er BLICK. L. will nicht erkannt werden und auch nicht seinen Namen richtigen Namen veröffenrtlicht sehen. «Hier im Oberwallis kann dies zu grossen sozialen und wirtschaftlichen Nachteilen führen», sagt er zu BLICK.

Auf einen Schlag alles weg

Um sich den Traum von einer eigenen Wohnung zu erfüllen, kratzt er sein Erspartes zusammen. «Ich plante, sie als Kapitalanlage für die Altersvorsorge ein, da ich keine Pensionskasse besitze.» Ein Objekt im fünften Stock eines Blocks im Ortskern soll es sein, mit Blick auf den mittelalterlichen Stockalperpalast. Um es zu bezahlen, nimmt er zudem eine Hypothek über 505'000 Franken bei der Raiffeisen-Genossenschaftsbank Belalp-Simplon auf.

Die Bank überweist das Geld der Firma, die die Wohnung verkaufen soll. Diese jedoch geht kurz darauf pleite, ohne L. die Wohnung überschrieben zu haben. Jetzt steht L. ohne Wohnung, ohne Altersvorsorge und mit einer halben Million Franken Schulden plus Zins da. Weg! L. ist am Boden, fühlt sich betrogen und kommt fortan kaum mehr auf die Beine.

Um die Wohnung im fünften Stock gehts: T. L. wollte sie kaufen.
Foto: Isabelle Favre
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Wer trägt die Schuld am Schlamassel? Im Vertrag steht unter Ziffer 10: «Das Hypothekardarlehen wird freigegeben, wenn die Sicherheiten rechtsgültig bestellt sind.» Das bedeutet: Die Bank darf der Verkäuferfirma das Geld erst überweisen, wenn sie zum Beispiel abgeklärt hat, ob eine Grundbuchänderung möglich ist.

Konsumentenschutz: Skandal!

Hat sie aber nicht. L. dazu: «Es darf doch nicht sein, dass die Raiffeisen einen Fehler macht und dann den Schaden auf einen Einzelkunden abwälzt.» Monatelang versucht L. vergeblich, eine Einigung mit der Bank zu erreichen. Als diese ihn betreibt, reicht er am Bezirksgericht eine Klage dagegen und ein Ersuchen um Gratis-Rechtsbeistand, also einen Anwalt, ein. Der Richter weist beides zurück. 

Auch das Kantonsgericht schmettert Anfang 2018 eine Beschwerde von L. ab. Ein Teil der Begründung ist besonders interessant: «Unabhängig davon, ob vorliegend tatsächlich keine rechtsgültigen Sicherheiten bestellt wurden, dienen entsprechende Klauseln vorab dem Schutz der Bank als Kreditgeberin und nicht dem Schutz der Kreditnehmer.»

Für Cécile Thomi (50), Rechtschefin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), ist das ein Skandal. Es gehe hier um die Frage, wie man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auslege, sagt sie dem BLICK.

Gerichte weisen ihn ab

Missbräuchliche AGB sind gesetzlich verboten. «Wann immer wir jedoch dagegen vorgehen, wird uns gesagt, dass die AGB im konkreten Anwendungsfall konsumentenfreundlich ausgelegt würden. Hier haben wir aber einen Fall, in dem ein Richter explizit eine konsumentenfeindliche Auslegung vornimmt.» Das heisse, dass der Raiffeisen-Vertrag in diesem Punkt missbräuchlich ist.

Als L. mit dieser Argumentation ans Bundesgericht gelangt, winkt dieses ab: Seine Beschwerde sei nicht hinreichend begründet.

Juristisch hatte L. also keine Chance. Mit ein Grund dafür ist aber möglicherweise, dass ihm das Geld für einen Anwalt fehlt; schliesslich hat er eine halbe Million Schulden und arbeitet nur unregelmässig, wo er gerade etwas findet. «Die Schweiz ist in dieser Hinsicht extrem ungerecht», sagt SKS-Juristin Thomi. «Man braucht mindestens 30'000 Franken, damit ein Richter einen solchen Fall anständig beurteilt.»

Kampf wohl verloren

Raiffeisen Schweiz verweist an die Genossenschaft Belalp-Simplon. L. muss diese hierfür erst vom Bankgeheimnis entbinden. Dann schreibt die Bank dem BLICK in Hinblick auf die Klausel, die laut Thomi missbräuchlich ist: «Da es in der Praxis oft zu Verzögerungen kommt, die nicht im Einflussbereich der Bank liegen, wird in Ziffer 10 des Basiskreditvertrags Hypothek nochmals erwähnt, dass die Auszahlung erst dann erfolgen kann, wenn die Bestellung der Sicherheiten erfolgt ist. In der Abwicklung dieses Basiskreditvertrags legte unsere Bank die geschäftsübliche Sorgfaltspflicht an den Tag.»

L. frustriert dazu: «Es ist ein Skandal, wie hier Recht ausgelegt wird und wie die Sorgfalt mit Füssen getreten wird.» Alles Zetern bringt nichts. Bisher hat er keinen Franken der Schuld zurückzahlen können.

*Name geändert

Das müssen Hypothekar-Nehmer beachten

Extreme Fälle wie jenen von T. L.* aus Brig VS gibts nur selten. Doch es gibt andere Fallstricke bei Hypotheken, die später Probleme bereiten können. BLICK hat beim Hypo-Spezialisten Moneypark nachgefragt, welche Punkte man beachten muss, wenn man so viel Geld aufnimmt:

Belehnung: Die Hypothek sollte rund 80 Prozent des Preises ausmachen, der Rest ist Eigenkapital. Die fortlaufenden Kosten, also die Bedienung der Hypothek plus Unterhalts- und Nebenkosten, sollten maximal ein Drittel des Einkommens ausmachen.

Vorbereiten aufs Schlimmste: Kann die Familie die Kosten weiter tragen, wenn der Haupt-Erwerbsträger schwer erkrankt oder stirbt? Vieles hängt von der richtigen Vorsorge und Versicherungslösungen ab.

Steuern optimieren: Mit einer indirekten Amortisation muss man die Hypothekarschuld nicht direkt zurückzahlen, sondern zahlt auf ein Spezial-Konto oder für eine Lebensversicherung ein. Die Steuerabzüge sind höher, weil die Hypothek gleich hoch bleibt.

All das ist oft schwer zu durchschauen. Moneypark empfiehlt – auch aus Eigennutz – eine unabhängige, transparente Beratung. Zudem solle man mindestens drei Offerten einholen, auch von Versicherungen und Pensionskassen. Und ganz wichtig: Vor der Unterschrift sollte man den Vertrag genau durchlesen und bei Zweifeln einen Notar oder Juristen zur Prüfung beiziehen.

* Name geändert

Extreme Fälle wie jenen von T. L.* aus Brig VS gibts nur selten. Doch es gibt andere Fallstricke bei Hypotheken, die später Probleme bereiten können. BLICK hat beim Hypo-Spezialisten Moneypark nachgefragt, welche Punkte man beachten muss, wenn man so viel Geld aufnimmt:

Belehnung: Die Hypothek sollte rund 80 Prozent des Preises ausmachen, der Rest ist Eigenkapital. Die fortlaufenden Kosten, also die Bedienung der Hypothek plus Unterhalts- und Nebenkosten, sollten maximal ein Drittel des Einkommens ausmachen.

Vorbereiten aufs Schlimmste: Kann die Familie die Kosten weiter tragen, wenn der Haupt-Erwerbsträger schwer erkrankt oder stirbt? Vieles hängt von der richtigen Vorsorge und Versicherungslösungen ab.

Steuern optimieren: Mit einer indirekten Amortisation muss man die Hypothekarschuld nicht direkt zurückzahlen, sondern zahlt auf ein Spezial-Konto oder für eine Lebensversicherung ein. Die Steuerabzüge sind höher, weil die Hypothek gleich hoch bleibt.

All das ist oft schwer zu durchschauen. Moneypark empfiehlt – auch aus Eigennutz – eine unabhängige, transparente Beratung. Zudem solle man mindestens drei Offerten einholen, auch von Versicherungen und Pensionskassen. Und ganz wichtig: Vor der Unterschrift sollte man den Vertrag genau durchlesen und bei Zweifeln einen Notar oder Juristen zur Prüfung beiziehen.

* Name geändert

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