Ein Autohändler versuchte, mit dem Zukauf von zwei Teslas seine Reduktionsziele für die CO2-Emissionen zu schönen. (Archiv)
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EU-Vorgabe:Elektroautos müssen lauter werden

Wegen Unfallgefahr für Blinde
Elektroautos müssen Krach machen

Ein Vorteil von Elektroautos: Sie machen fast keinen Lärm. Das ist für die meisten Menschen angenehm, für Blinde und Sehbehinderte aber ein echtes Problem. Jetzt kommt der Lärmgenerator.
Publiziert: 04.11.2018 um 13:31 Uhr
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Aktualisiert: 23.12.2018 um 18:39 Uhr
Fast geräuschlos unterwegs: bei Elektroautos sind nur die Reifen zu hören.
Foto: Frederic Meyer
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Christian Kolbe

Elektroautos wie zum Beispiel ein Tesla sehen oft gut aus, sind umweltfreundlich und geben gerade mal ein leises Zischen von sich, wenn sie an Passanten vorbei rollen. Gerade das ist aber für Blinde und Sehbehinderte ein Problem. Elektoautos sind fast nicht zu hören. Es fehlen die lauten Geräusche, die jeder Verbrennungsmotor macht, wenn der Fahrer Gas gibt.

Auf diese Geräusche sind Blinde nämlich angewiesen, wenn sie in der Öffentlichkeit unterwegs sind. Ein Auto ist für sie nur durch Geräusche wahrzunehmen.

Dem haben die Behörden Rechnung getragen. Jetzt müssen auch Elektroautos Krach machen! In Europa müssen ab dem 1. Juli 2019 alle neuen Elektromodelle mit einem sogenannten Acoustic Vehicle Alerting System (Avas) ausgestattet sein. Das gilt übrigens auch für Brennstoffzellenfahrzeuge und Hybridautos, die mit Verbrennungs- und einen Elektromotor ausgerüstet sein. 

Wasserdichte Lautsprecher sorgen für Krach 

So funktioniert das System: Ein Klanggenerator erzeugt in den Autos motorenähnliche, je nach Marke andere Geräusche und spielt diese per Aussenlautsprecher ab. Diese Lautsprecher müssen wasserdicht sein.

Die Schweiz übernehme die EU-Vorgaben und sei derzeit daran, diese umzusetzen, wie Thomas Rohrbach, Sprecher des Bundesamtes für Strassen (Astra), gegenüber der «NZZ am Sonntag» bestätigt. Für Joel Favre vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) geht es ohne Lärm nicht. «Für uns ist die Einführung dieses Systems lebenswichtig», sagt er gegenüber der Zeitung. 

Verlust an Lebensqualität

Das Problem gemäss Favre: Geräuschlose Fahrzeuge seien ein grosses Sicherheitsrisiko, es gebe gar Studien, die dies belegten. Dem widerspricht zwar das Bundesamt für Strassen Astra. Doch auch die Beratungsstelle für Unfallverhütung des Bundes erachtet den Einbau von künstlichen Geräuschen als «sehr sinnvoll». 

Ohren seien die Augen der Blinden, so Favre. «Hören wir Fahrzeuge nicht, schränkt das unsere Bewegungsfreiheit ein.» Ein Verlust an Lebensqualität. Deshalb möchte der Schweizer Blindenverband weiter gehen als die Vorgaben der EU: So sollen Elektroautos auch Geräusche von sich geben, wenn sie stehen – etwa an einem Stoppschild. Zudem soll die Möglichkeit, den Klanggenerator abzuschalten, in der Schweiz verhindert werden.

Auch Velos brauchen ein Fahrgeräusch 

Das geht dem Astra zu weit, zudem schaffe die Schweiz durch einen Alleingang technische Handelshemmnisse. Vor röhrenden Elektroautos müssen wir uns nicht fürchten, die künstlichen Motorengeräusche seien leiser als die echten. 

Der Blindenverband weist noch auf eine weitere, stille Gefahrenquelle hin: Elektrovelos, vor allem die schnellen und starken. «Wir fordern, dass auch diese Velos in Zukunft ein Fahrgeräusch abgeben», sagt Joel Favre zur «NZZ am Sonntag». (koh)

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