10 Jahre «Happy Day» – Röbi Koller (59) über Quoten-Rekorde, grosse Gefühle und Tränen
«Wir führen keine Kranken und Behinderten vor»

Zum Zehnjährigen gibt es «Happy Day» heute (SRF 1, 20.10 Uhr) und nächsten Samstag im Doppelpack. Röbi Koller spricht über den Quotenerfolg der Sendung, wehrt sich aber auch gegen Kritik, die Sendung sei zu kitschig und inszeniere die Gefühle von Benachteiligten.
Publiziert: 21.04.2017 um 23:34 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:35 Uhr
BLICK traf Röbi Koller in Zürich im Park der Villa Patumbah zum Gespräch.
Foto: Philippe Rossier
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Von Peter Padrutt (Interview) und Philippe Rossier (Fotos)

In lockerer Kleidung kommt er zum Fototermin in einem Zürcher Park: Röbi Koller (59) ist ein Mann ohne Allüren. Stolz erfüllt ihn aber, dass er mit seiner Sendung «Happy Day» seit Jahren der Quoten-König des Schweizer Fernsehens ist.

BLICK: Herr Koller, Sie reisen seit zehn Jahren für «Happy Day» um die Welt und machen Menschen glücklich. Gibt es etwas, das Ihnen an diesem Job nicht gefällt?
Röbi Koller: Also zuerst: So viel reise ich gar nicht, wie es vielleicht aussieht. Hinter den Berichten stehen viele Recherchen und viel Planung, und wir haben meist fast keine Zeit vor Ort. Es sind also keine Ferien. Manchmal ist es sogar gefährlich. Als ich mit zwei Lastwagenfahrern die Ice Road in Kanada befuhr, war es nicht nur bitterkalt, ich bin auch noch in einen Graben gefahren. Zum Glück war schnell Hilfe zur Stelle.

Ist es die Aufgabe eine Gebührensenders, Menschen eine teure Abenteuerreise zu finanzieren?
Reisen machen wir, wenn eine Geschichte das erfordert. Sie werden aus unserem Budget finanziert, mit dem wir verantwortungsvoll umgehen müssen. Manchmal übernehmen Sponsoren einen Teil der Ausgaben, wie zum Beispiel Flüge. Ich bin der Meinung, dass Bilder und Geschichten aus fremden Welten ins öffentlich-rechtliche Fernsehen gehören, auch wenn sie Teil der Unterhaltung sind.

«Happy Day» wird auch vorgeworfen, es bringe zu viel Kitsch und Tränen.
Für uns gilt: Wir machen bei «Happy Day» nicht nur Todkranken eine Freude, wir wollen die Leute auch zum Lachen bringen. Zudem reagieren die Menschen manchmal, ohne zu weinen – überwältigt und sprachlos, typisch schweizerisch. Diese Art von Swissness ist sicher auch ein Grund für den Erfolg von «Happy Day».

Aber es gibt immer wieder Kranke in der Sendung. Muss man da als Macher nicht zurückhaltend sein?
Das sind wir. Wir führen keine Kranken und Behinderten vor. Wir nehmen diese vom Schicksal getroffenen Menschen ernst, und sie bekommen die Möglichkeit, über ihre Gefühle zu reden. Da war das tapfere 17-jährige Mädchen aus dem Wallis mit Krebs. Dass sie kurz nach der Sendung gestorben ist, beschäftigt uns bis heute.

In der aktuellen Sendung begleiten Sie einen Mann nach Costa Rica, der seine leibliche Mutter sucht. Kann eine Unterhaltungsshow eine so schwierige Zusammenführung übernehmen?
Wenn die Betroffenen keinen anderen Weg finden oder bei den Recherchen an ihre Grenzen kommen – warum nicht? Wir gehen sehr behutsam vor, klären zuerst ab, ob so ein Zusammenkommen der Wunsch aller Beteiligten ist.

Prüfen Sie die Nachhaltigkeit solcher Aktionen?
Ja, es gibt viele positive Rückmeldungen. So habe ich gerade jetzt von Elena aus Thun eine Einladung zur Hochzeit bekommen. Sie hat vor sechs Jahren ihre bitterarmen Eltern in Rumänien kennengelernt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sei das Verhältnis heute gut, sagt sie. Durch «Happy Day» hat sie später auch noch ihren Partner kennengelernt.

Zum Jubiläum gibt es jetzt zwei Doppelfolgen, bei denen Ihre Frau Regie führt. Sagt Sie nie: Da führt ihr einen Menschen vor?
Esther ist sehr kritisch und als Regisseurin eher zurückhaltend. Wenn Tränen fliessen, geht sie nicht extra nah mit der Kamera ran, weder bei den Gästen noch bei mir.

Sie werden im Herbst 60. Wie lange machen Sie «Happy Day» noch?
So lange ich Lust habe und die Zuschauer die Sendung sehen wollen. Wir haben dieses Jahr über 46 Prozent Marktanteil geholt. Da lohnt es sich weiterzumachen. Aber ich habe Übung im Kündigen. Das habe ich schon bei Radio DRS 3, bei «Quer» und beim «Club» so gemacht.

Zum Zehnjährigen kriegen Sie eine Doppelfolge. Weil Sie die Quote in der Unterhaltung von SRF hoch halten?
Es ist sicher eine Art Wertschätzung. Die beiden Sendungen sind unsere Art, uns zu feiern.

Warum läuft der Mix aus Emotionen, Humor und Musik so gut?
Wir erzählen vermutlich einfach gute Geschichten und werden dafür von einem treuen Publikum belohnt. Vielleicht hat uns die Aufregung um «Verstehen Sie Spass?», wo ich reingelegt wurde, zu noch mehr Popularität verholfen.

Die Sendung «Ich schänke dir es Lied» erinnerte an Ihre Sendung. Wie fanden Sie sie?
Ich finde Viola Tami eine liebenswerte Kollegin und eine gute Moderatorin. Ich weiss nicht, woran es lag, dass die Quote nicht so gut war. Man hat versucht, aus Elementen von «Happy Day» eine neue Show zu machen. Ich frage mich, ob die Kombination aus schnellerem Rhythmus, grosser Halle und junger Moderatorin richtig war, wenn man emotionale Geschichten erzählen will.

Sie haben Erfolg, während das Fernsehen um Sie herum bröckelt. Welchen Moderator vermissen Sie?
Thomas Gottschalk. Er führte sicher und mit grosser Leichtigkeit durch «Wetten, dass..?», bis die Sendung totgefahren war. In der Schweiz vermisse ich die grosse Heidi Abel. Meine Eltern hatten einen Hund aus ihrer Sendung. Bella war aus dem Tierheim und hat uns viele Jahre Freude gemacht.

Werden wir in zehn Jahren noch TV schauen?
Sicher, aber auf verschiedenen Kanälen. Vielleicht hat SRF irgendwann auch einen Streaming-Kanal, das würde mich nicht wundern. Fürs Überleben des TV ist wichtig:
Es braucht solide News, Sport, Kultur und gute Unterhaltung. Entscheidend sind spannende und berührende Geschichten. Das wollen die Leute sehen.

RTL 2 bringt eine Dating-Show, in der die Kandidaten einander an den Geschlechtsteilen erkennen sollen ...
Das hingegen ist völlig anderes Fernsehen. Bei den Privaten ist die Grenze nach unten offen. Beim «Dschungelcamp», den Nackt-Datings oder dem «Bachelor» kriege ich Hautausschläge. Ich bin froh, dass da SRF nicht mitzieht.

Werden Sie nach «Happy Day» noch Fernsehen machen?
Eine kleine Musiksendung – von Jazz über Klassik bis World – würde mich reizen. Die Musik müsste live sein und ganz anders als jene in «Happy Day».

Wenn Sie selber einmal krank oder behindert sein sollten – würden Sie sich in «Happy Day» überraschen lassen wollen?
Die Frage geht nicht auf. Es gibt viele normalsterbliche Menschen mit dem Bedürfnis, über das TV Aufmerksamkeit zu bekommen. Als Moderator stehe ich schon genügend vor der Kamera, da will ich das privat nicht auch noch.

Was kommt ab 60?
Ich möchte mich nicht auf einen Chlapf pensionieren lassen, sondern das Arbeitspensum langsam reduzieren. Ich möchte mehr Zeit für meine Frau, meine Kinder und für Freunde haben.

Spüren Sie ein paar Alters-Breschteli?
Das Alter hat mir bisher wenig Überraschungen gebracht, weil ich Schmerzen kenne, seit ich 20 bin. Ich leide an der chronisch-entzündlichen Krankheit Morbus Bechterew. Früher hatte ich Schmerzschübe im Rücken, heute eher Probleme, wenn ich zu lange ruhig liege. Aber ich fahre viel Velo, auch weil ich kein Auto besitze. Und ich bin viel zu Fuss unterwegs. Aber sehr viel Sport habe ich nie gemacht.

Sie sind seit 21 Jahren mit Esther zusammen, davon 15 Jahre verheiratet. Was ist das Geheimnis dieser langen Beziehung?
Bei der zweiten Ehe ist man vermutlich etwas reifer. Ich war 39, Esther 33, als wir uns kennenlernten. Man sagt oft: Gegensätze ziehen sich an. Bei uns ist das nicht so. Wir arbeiten beide beim TV und interessieren uns für ähnliche Sachen: Wir gehen ins Kino oder in Ausstellungen, kochen, lesen, reisen gerne gemeinsam. Dieses Jahr leisten wir uns längere Ferien in Costa Rica. Esther war nicht glücklich, dass ich jetzt schon für «Happy Day» dort war. Sie sagte, ich dürfe ihr nichts erzählen, sie wolle mit mir alles zum ersten Mal erleben.

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