Influencerin Sylwina über ihre akute depressive Episode
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Sie spürte eine tiefe Trauer:Influencerin Sylwina über ihre akute depressive Episode

Auch Prominente leiden unter Angstzuständen, Trennungsschmerz und Depressionen
Wenn die Gedanken immer dunkler werden

Seelischer Schmerz hat viele Gesichter. In der Schweiz leidet fast jeder Siebte unter Depressionen. Auch Influencerin Sylwina musste professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Auf Instagram steht sie dazu – um anderen Mut zu machen.
Publiziert: 05.07.2019 um 22:49 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2021 um 20:49 Uhr
Flavia Schlittler und Katja Richard (Text), Siggi Bucher (Foto)

Seelischer Druck, Angstzustände, Stress, Gewalterfahrung oder Liebeskummer. Das Leiden trifft immer mehr Menschen. In der Schweiz weisen 15 Prozent der Bevölkerung Symptome mittlerer oder hoher psychischer Belastung auf. Bei Depressionen liegt die Zunahme gegenüber 2012 bei Frauen in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen sogar bei fast acht Prozent (siehe Grafik).

Wurde früher der Gang zum Psychiater oder Psychologen noch mit «reif fürs gäle Wägeli» despektierlich herabgekanzelt, stehen nun immer mehr Prominente dazu, dass sie sich Hilfe holen, wenn sie mit dem inneren Schmerz nicht mehr selber weiterkommen.

Auch Influencerin Sylwina (29) sah nur noch schwarz

Influencerin Sylwina: In Klinik wegen Depressionen. Heute verarbeitet sie Stress und Nervositätszustände mit Yoga und Meditation.
Foto: Rafa dos Santos

«Ich spürte diese tiefe Trauer, meine Gedanken wurden immer dunkler und negativer. Der Druck auf mein Herz, diese Hoffnungslosigkeit, ich hatte keine Lebensfreude mehr.» So schildert Influencerin Sylwina (29) ihren zwischenzeitlichen Gemütszustand. Sie, damals anfangs 20, eine junge, begehrte, schöne Frau. «Doch in mir sah es anders aus. Ich spürte nur noch diese endlose Leere. Gedanken, meinem Leben ein Ende zu setzen, begleiteten mich. Obwohl ich mein Leben liebte, hielt ich es fast nicht mehr aus.»

Prinz William, Prinz Harry und Herzogin Kate.
Foto: Dukas
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Da liess sie sich in eine psychiatrische Klinik einweisen. Diagnose: Akute depressive Episode. Zehn Tage lang blieb sie dort. «Ich hätte nie gedacht, dass mir das etwas bringt. Statisch nahm ich an den Therapiesitzungen teil, sass mit irgendwelchen Leuten am Boden für Feedbackrunden nach einer leeren Nacht.» Während dreier Tage nahm sie Psychopharmaka. «Sie haben mir den Druck genommen, der nie mehr kam. Das war der Beginn einer neuen Qualität für mich.»

Ihre Gedanken teilt sie auf Instagram mit ihren 55'000 Followern. Mehr als 11'000 haben ihr psychisches Outing angeschaut, Hunderte sich bei ihr bedankt, dass sie Gedanken teile, die so vielen anderen auch durch den Kopf gehen.

«Prominente Outings sind wichtig»

BLICK: Herr Hättenschwiler, immer mehr Prominente sprechen öffentlich über ihre psychischen Probleme. Was halten Sie davon?
Joe Hättenschwiler:
Ich finde es positiv und verdienstvoll. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und für viele eine Vorbildfunktion haben, können es sich am ehesten leisten, über ihre eigenen psychischen Probleme zu sprechen. Viele, die dies schon getan haben, merken, dass es ihnen nicht geschadet hat. Das macht anderen Mut. Man muss aber vorsichtig sein: Nehmen Sie einen jungen Anwalt, der wegen Depressionen oder einem Burnout ausfällt. Ihm würde ich zur Vorsicht raten, denn es könnte für ihn zur Karrierebremse werden. Es ist erstrebenswert, dass dies dereinst nicht mehr der Fall ist.

Wie sieht es mit der gesellschaftlichen Relevanz aus?
Die schätze ich als sehr hoch ein. Einerseits hilft es der Aufklärung über psychische Probleme, andererseits entstigmatisiert es die Thematik. Und kann viele dazu animieren, offen über ihre psychische Erkrankung zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Depressionen nehmen gemäss Statistik in der Schweiz massiv zu. Wie erklären Sie sich das?
Weil auch schon in den Schulen sensibel auf Früherkennung eingegangen und entsprechend mit Therapien reagiert wird. Und dass die Hemmschwelle, zum Psychiater oder Psychologen zu gehen, immer geringer wird. Auch dank den prominenten Outings.

Joe Hättenschwiler (60) ist Chef-Psychiater des Zentrum für Angst- und Depressionsbehandlung Zürich.

BLICK: Herr Hättenschwiler, immer mehr Prominente sprechen öffentlich über ihre psychischen Probleme. Was halten Sie davon?
Joe Hättenschwiler:
Ich finde es positiv und verdienstvoll. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und für viele eine Vorbildfunktion haben, können es sich am ehesten leisten, über ihre eigenen psychischen Probleme zu sprechen. Viele, die dies schon getan haben, merken, dass es ihnen nicht geschadet hat. Das macht anderen Mut. Man muss aber vorsichtig sein: Nehmen Sie einen jungen Anwalt, der wegen Depressionen oder einem Burnout ausfällt. Ihm würde ich zur Vorsicht raten, denn es könnte für ihn zur Karrierebremse werden. Es ist erstrebenswert, dass dies dereinst nicht mehr der Fall ist.

Wie sieht es mit der gesellschaftlichen Relevanz aus?
Die schätze ich als sehr hoch ein. Einerseits hilft es der Aufklärung über psychische Probleme, andererseits entstigmatisiert es die Thematik. Und kann viele dazu animieren, offen über ihre psychische Erkrankung zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Depressionen nehmen gemäss Statistik in der Schweiz massiv zu. Wie erklären Sie sich das?
Weil auch schon in den Schulen sensibel auf Früherkennung eingegangen und entsprechend mit Therapien reagiert wird. Und dass die Hemmschwelle, zum Psychiater oder Psychologen zu gehen, immer geringer wird. Auch dank den prominenten Outings.

Joe Hättenschwiler (60) ist Chef-Psychiater des Zentrum für Angst- und Depressionsbehandlung Zürich.

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Doch was hat in ihr all den Schmerz ausgelöst? «Es ist alles, und es ist nichts. Der Druck von aussen, nach dem Gymnasium unbedingt studieren zu müssen, sexuelle Anmache im Geschäft, Geld zu verdienen für die Miete, die Beziehung, die gescheitert ist. Eigentlich vieles, das unzählige andere auch erleben. Nur für mich war es zu viel», so die Zürcherin.

Dass Sylwina offen und öffentlich darüber spricht, ist ihr ein wichtiges Anliegen. «Ich möchte, dass Probleme mit der eigenen Psyche nicht mehr stigmatisiert werden.» Heute sind es die Themen Stress und Nervositätszustände, die immer wieder an ihr nagen. Mal mehr, mal weniger. «Diese gehe ich nun mit Yoga und Meditation an. Mir hilft dies am besten. Und auch, dass ich mich daran erinnere, wie schlecht es mir damals ging. Dies will und werde ich bestimmt nie mehr erleben.»

Rapper Stress (41): «Belaste nicht deine Freunde, das ist egoistisch»

Rapper Stress: Therapie gegen Depressionen.
Foto: Nik Hunger

Gegen Depressionen kämpft ebenfalls der Lausanner Rapper Stress (41), auch er geht damit an die Öffentlichkeit. Auf einem Video, das er auf seiner Instagramseite veröffentlicht hat, sagt er: «Manchmal gelingt es nicht, die Zukunft als Chance zu sehen, wenn du ein Problem mit deiner Vergangenheit hast.» Dies geht er aktiv an, seit zwei Jahren geht der Musiker wöchentlich in Therapie. Sein Appell: «Belaste nicht deine Freunde oder Familie mit deinen Problemen, das ist egoistisch.»

Gastro-Unternehmer Michel Péclard (50): «Ich schäme mich nicht, dass ich Hilfe in Anspruch genommen habe»

Gastronom Michel Péclard: Trennungsschmerz.
Foto: Michel Péclard

Schmerz hat viele Gesichter. Bei Gastro-Unternehmer Michel Péclard (50) waren es ein Todesfall und die gescheiterte Ehe. «Meine Therapie hat mir ein zweites Leben geschenkt. Während zwei Jahren ging ich einmal wöchentlich zum Psychiater. Auslöser war die Krebserkrankung meiner Cousine und ihr viel zu frühes Ableben. Sie war auch meine Geschäftspartnerin, ohne sie gäbe es die Pumpstation in dieser Form nicht. Hinzu kam zur gleichen Zeit die Trennung von meiner Frau, das hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen. Die Vorstellung, dass ich jetzt ein geschiedener Vater mit zwei Söhnen bin, war schwer zu verdauen», sagt er.

Anstatt hinzuschauen, was mit ihm los ist, habe er sich zu schnell in neue Beziehungen gestürzt, was langfristig nicht gelingen konnte. «Mir wurde klar, dass ich mich manchmal ziemlich daneben benommen habe. Eine Freundin hat mir dann einen Therapeuten empfohlen, dank ihm habe ich aufgeräumt in meinem Leben. Ich lag nicht auf der Couch, die Gespräche mit ihm waren eine Konfrontation und Herausforderung. Genau das, was ich brauche. In meiner Position als Inhaber und Chef gibt es kaum jemanden, der es wagt, mich in Frage zu stellen. Mein Psychiater hatte da keine Mühe, dafür bin ich enorm dankbar», so Péclard, der ihn noch heute zweimal im Jahr zum Mittagessen trifft, «weil mir der Austausch extrem gut tut. Und die Hälfte meines Kaders geht ebenfalls zu ihm, sei es für ein Coaching oder wegen tiefer gehenden Problemen. Ich schäme mich nicht, dass ich psychologische Hilfe in Anspruch genommen habe, da stehe ich voll dazu und empfehle das echt jedem.»

Tamy Glauser (34) erlebte Gewalt durch ihre Ex-Freundin

Tamy Glauser: Therapie gegen Gewalterfahrung.
Foto: Daniel Kellenberger

Nationalrats-Kandidatin Tamy Glauser (34) erlebte durch ihre Ex-Freundin häusliche Gewalt, gegen die sie sich nicht wehren konnte. Erst durch ihre Flucht von New York zurück in die Schweiz konnte sie sich auch aus der Ohnmacht, sich nicht zu wehren, befreien. Mit Hilfe einer Therapie hat es die Bernerin geschafft, dieses traumatische Erlebnis zu verarbeiten.

Ex-Miss-Schweiz Tanja Gutmann (42) musste eine Hirntumoroperation verarbeiten

Ex-Miss Tanja Gutmann: Psychotherapie nach Hirntumor.
Foto: zvg

«Nach meiner Hirntumoroperation 2002 nahm ich eine Psychotherapie in Anspruch. Um alles verarbeiten zu können und um das Vertrauen in meinen Körper wieder zu erlangen», sagt die Ex-Miss-Schweiz und heutige Hypnose-Therapeutin Tanja Gutmann (42). «Ich habe vor, demnächst ein Mentaltraining in Anspruch zu nehmen. Dies nicht gegen, sondern für etwas. Nämlich, um meine Stärken und meine Lebensqualität zu optimieren. Um besser Druck abbauen und kognitiv mehr leisten zu können. Das sehe ich als eine wirkungsvolle Hilfe zur Selbsthilfe», sagt sie.

Christina Surer (45) musste ein Trauma nach einem Flugzeugunfall behandeln lassen

Christina Surer: Traumatherapie nach Flugzeugunfall.
Foto: Thomas Huebner

Rennfahrerin Christina Surer (45) nahm Hilfe in Anspruch nach einem Flugzeugunfall im Jahr 2008, den sie, körperlich mit Schnittwunden und einer gebrochenen Nase, psychisch komplett überfordert, überstand. «Da dachte ich, sterben zu müssen. Daraus entwickelte sich eine extreme Flugangst. Ich sass nur noch zitternd, in kaltem Schweiss gebadet in meinem Sitz. Es war meine Mutter, die mir damals sagte: Du musst dir helfen lassen! Was ich bei einem Traumatherapeuten tat. Seit da bin ich davon befreit, heute fühle ich mich geerdet, ich bin glücklich. Sollte jemals wieder etwas sein, würde ich ohne zu zögern wieder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen», so Surer.

Prinz William brach in Grossbritannien das Eis

Prinz William, Herzogin Kate und Prinz Harry (v.l.), gründeten die Stiftung «Heads Together», die sich für Menschen mit psychischen Problemen einsetzt.
Foto: pixathlon / Tim de Waele

Einen wichtigen Beitrag, offen und öffentlich über die eigenen Abgründe zu sprechen, machten vor zwei Jahren Prinz William (37), Gattin Kate (37) und sein Bruder Harry (34). Sie gründeten die Stiftung «Heads Together», die sich für Menschen mit psychischen Problemen einsetzt.

Dabei nimm sich William selbst nicht aus. Ein Vorfall, den er als Rettungspilot der Royal Air Force erlebt hat, sei ihm sehr nahe gegangen. «Ich habe mit vielen Kollegen darüber gesprochen und bin froh, dass ich dies gemacht habe. Sonst würde ich mit psychischen Problemen auf einem ganz anderen Level kämpfen.» Sein Outing fand in Grossbritannien anfangs keinen grossen Anklang, vor allem nicht bei Prominenten, die er für seine Stiftung gewinnen wollte, da die Frage nach der mentalen Gesundheit einfach totgeschwiegen werde.

So fordert Prinz William: «Eine psychische Krankheit wird leider immer noch negativ bewertet. Das müssen wir ändern, um weiterzukommen.» Das sehen auch die Schweizer Prominenten so und stehen dazu, dass sie sich dann Hilfe holen, wenn sie alleine nicht mehr weiterkommen.

Hier findest du Hilfe

Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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