Oscars 2022 ohne Auftritt von Wolodimir Selenski
Doch der wichtigste Filmpreis der Welt war immer auch politisch

Bei der Oscar-Verleihung ein politisches Statement loszuwerden, ist deshalb so verlockend, weil dabei die ganze Welt zuhört. Auch wenn Wolodimir Selenski am Sonntag keine Plattform für eine Videobotschaft erhält, wird der Ukraine-Krieg sicher mehrfach Thema werden.
Publiziert: 24.03.2022 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2022 um 21:35 Uhr
Patricia Broder und Jean-Claude Galli

Die Oscars sind Ukraine-frei: Die Oscar-Verleihung, die diesen Sonntag in Los Angeles zum 94. Mal stattfindet, hält sich offiziell aus dem Ukraine-Krieg raus – zur Enttäuschung vieler Stars. US-Komikerin Amy Schumer (40), die die Sendung co-moderiert, hatte vorgeschlagen, den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) per Videoschaltung als Ehrengast einzuladen.

Doch die Produzenten von Hollywoods grösster Show wollten von dieser Idee nichts wissen. Den Grund behielten sie für sich. Schumer aber hat eine Vermutung. «Die Einstellung der Verantwortlichen scheint zu sein: ‹Das hier ist eine Auszeit von der Realität, und die Menschen sollen für einen Abend von der Realität abschalten können›», sagt sie.

Garantiert werden nun andere Leute, die auftreten, stellvertretend für Selenski an die Ukraine erinnern. Denn es gehört zur Oscar-Tradition, Entertainment und Politik zu mischen, weil sich durch die mediale Verbreitung grösstmögliche Wirkung erzielen lässt. So wurden die 13. Academy Awards während des Zweiten Weltkriegs 1941 vom damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt (1882–1945) persönlich eröffnet. Auch 1981 meldete sich der damalige US-Präsident Ronald Reagan (1911–2004) zu Wort – fortschrittlich per Videoeinspielung. Und die First Ladys Laura Bush (75) und Michelle Obama (58) waren 2002 respektive 2013 selber vor Ort.

Chloé Zhao gewann 2021 den Oscar für die beste Regie und den besten Film für «Nomadland». Ihr Triumph wurde von ihrem Heimatland China, über das sie sich in der Vergangenheit auch kritisch geäussert hatte, als Provokation angesehen und die Berichterstattung über die Verleihung zensuriert.
Foto: A.M.P.A.S. via Getty Images
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Politische Dankesreden

Auch in den Dankesreden wurde es oft politisch. So protestierte die schwarze Schauspielerin Hattie McDaniel (1893–1952), als sie 1940 ihren Preis als beste Nebendarstellerin in «Vom Winde verweht» entgegennahm, gegen Rassismus. Marlon Brando (1924–2004) schickte 1973 an seiner Stelle die indianische Aktivistin Sacheen Littlefeather (75) zur Preisübergabe, um gegen den Umgang der Filmindustrie mit den Indianern zu opponieren.

Die britische Schauspielerin Vanessa Redgrave (85) machte sich bei ihrer Dankesrede 1978 für Palästina stark, Richard Gere (72) setzte sich 1993 für ein freies Tibet ein. Unvergessen bleibt ebenso der Moment, als sich 2003 Kultregisseur Michael Moore (67) an George W. Bush (75) wandte und «Schande über Sie, Herr Präsident» ins Mikrofon rief – aus Protest gegen den Irak-Krieg.

Angriff auf Trump und Zensur durch China

Dass sich die Gala und die Politik nie wirklich trennen lassen, zeigten auch die letzten Jahre. 2018 attackierten Moderator Jimmy Kimmel (54) und Schauspieler wie Brad Pitt (58) den damaligen Präsidenten Donald Trump (75) verbal. Und beim jüngsten Beispiel im vergangenen Jahr geriet schon der Fakt, dass Chloé Zhao (39) mit «Nomadland» triumphierte, zum Eklat: Ihr Sieg wurde in ihrem Heimatland China, über das sich Zhao vorgängig kritisch geäussert hatte, als reine Provokation angesehen und fiel der Zensur zum Opfer.

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