Steven Spielberg interviewt Bradley Cooper zu Bernstein-Biopic «Maestro»
«Leonard würde dir jetzt stolz einen Kuss auf den Mund geben»

Am Mittwoch erscheint mit «Maestro» ein lang erwarteter Netflix-Knaller – und Anwärter auf mindestens einen Oscar. Im Gespräch erklären Regisseur Steven Spielberg und Hauptdarsteller Bradley Cooper, wie sie für den Film zusammengefunden haben. Blick war dabei.
Publiziert: 18.12.2023 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2023 um 16:00 Uhr
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Christian ThielePeople-Redaktor, Hollywood (USA)

Es war eine Premiere der besonderen Art für einen ganz besonderen Film. Für sein zweites Regie-Werk nach «A Star Is Born» hatte Bradley Cooper (48) für «Maestro» ins berühmte Grauman’s Chinese Theater am Hollywood Walk geladen. Das 1927 erbaute Kino ist eines der letzten Überbleibsel der goldenen Ära der Filmbranche und bildete atmosphärisch die perfekte Kulisse für die Liebesgeschichte zwischen dem legendären Dirigenten Leonard Bernstein (1918–1990) (gespielt von Cooper) und der Schauspielerin Felicia Montealegre (1922–1978) (Carey Mulligan, 38). Nach den stehenden Ovationen lud Cooper unseren Korrespondenten Christian Thiele zur Frage und Antwort Runde ein. Allerdings hatte der 48-Jährige eine ungewöhnliche Überraschung parat – einen eigenen Fragesteller. Es war kein Geringerer als Steven Spielberg (76), der zusammen mit Martin Scorsese (81) als Produzent des Films fungiert. 

Steven Spielberg: Also Bradley, Leonard würde dir jetzt stolz einen Kuss auf den Mund geben, dir in den Hintern kneifen und sagen, wie klasse du diesen Film gemacht hast. Ich muss ehrlich sagen, ich bin so stolz auf mich, dass ich dich engagiert habe (lacht).
Bradley Cooper: Danke Steven, dass du mir diese Chance ermöglicht hast. Ohne dich wäre ich heute nicht hier! Ich hatte dir nämlich vor langer Zeit mal verraten, dass ich seit meiner Kindheit davon besessen war, Dirigent zu werden. Musik nur mit deinen Händen, mit Gesten zu erzeugen. Ich habe mit acht Jahren meinen ersten Taktstock geschenkt bekommen. Deshalb hatte ich auch so viele Ideen zum Drehbuch, die ich Steven dann immer sofort getextet habe.

Oh ja, wir hatten eine Endlos-SMS-Konversation über sechs Monate und unser Drehbuch hat sich immer weiter verändert. Eigentlich sollten zuerst Martin Scorsese und dann ich die Regie führen, doch es ging zeitlich bei uns nicht. Wir hatten «Maestro» als biografischen Film über Bernstein geplant – doch du, Bradley, hast daraus die Anatomie einer Ehe gemacht und einen Einblick in Leonards Seele ermöglicht. Wie bist du eigentlich darauf gekommen?
Ich habe gesehen, wie unglaublich viele Filmaufnahmen und Interviews es von Bernstein gab. Ich hätte nur eine billige Kopie davon hinbekommen. Doch dann habe ich immer mehr Details über die Ehe mit Felicia erfahren, auch von den Bernstein-Kindern. Es fügte sich alles zu einem Bild zusammen, zudem wir alle einen Bezug entwickeln konnten. Die Beziehung von Leonard und Felicity wurde zu meinem «Nordstern».

Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?
Als Allererstes habe ich damit angefangen, die spezielle Stimme und den Sprachrhythmus von Bernstein zu üben. Er war Kettenraucher und hatte eine Nasenscheidewandverkrümmung. Leonardo DiCaprio hat mir seinen Sprachlehrer empfohlen, mit dem ich das monatelang einstudiert habe.

Du hast dich kurz vor dem Dreh für zwei Wochen allein mit Carey Mulligan zurückgezogen, damit ihr euch zusammen auf eure Rollen einspielt.
Das ist eine wunderbare Schauspieltechnik, die ich zuvor mit Lady Gaga für «A Star Is Born» probiert hatte. Du machst Übungen, mit dem du vor deinem Co-Star deine Schwächen offenlegst. Diese Verwundbarkeit stärkt das Vertrauen in deinen Partner. Man wird so eine Einheit. Das hat mir und Carey dann die Möglichkeit gegeben, am Set noch mehr für unsere Rolle zu riskieren.

Wenn ich am Set war, hatte ich es mit dem Regisseur Leonard Bernstein zu tun. Du bist die ganze Zeit auch hinter der Kamera deiner Rolle treu geblieben. Es war schon interessant, wenn du der Crew im Tonfall von «Lenny» Anweisungen zur Beleuchtung gegeben hast.
Das war für mich am einfachsten. Es wäre schizophren gewesen, immer zwischen mir als Regisseur und meiner Rolle als Bernstein hin und her zu springen. Es war allerdings sehr bizarr im Nachhinein, mit Steven Spielberg als Bernstein zu reden (lacht).

Ich kann es immer noch nicht glauben, dass «Maestro» wirklich erst dein zweiter Film als Regisseur war. Woher hast du all dein Wissen?
Ich war schon als Schauspieler vom Filmemachen besessen. Und die Regisseure meiner Filme wie David O. Russell haben mir die Türen zum Schneideraum geöffnet. Selbst Clint Eastwood hat mir das erlaubt. Clint Eastwood! Das hatte er vorher noch nie jemandem erlaubt. Aber er hat von Anfang an gemerkt: «Dieser Typ ist auf meiner Seite!» Von ihm habe ich auch die Abneigung geerbt, Dialoge digital klarer zu machen. Clints Kommentar dazu war «Wenn sie dich nicht verstehen, fuck them!»

Es gibt immer Szenen im Drehbuch, vor denen wir als Regisseure besondere Angst haben. Welche waren das bei dir?
Auf jeden Fall die grosse Streitszene zwischen Leonard und Felicia, die ich nur mit Weitwinkel ohne Cuts gedreht habe. Ich habe sie aus der Sicht eines ängstlichen Kindes gefilmt, das Zeuge wird. Ich habe die Gefühle aus meinen eigenen Erfahrungen eingebaut, wenn sich meine Eltern früher gestritten haben.

Um eines klarzustellen: Es gibt im ganzen Film keine Special Effects. Es ist Bradley Cooper, der höchstpersönlich den Taktstock schwingt und Gustav Mahlers 2. Symphonie dirigiert. Wie hast du dir das bitte beigebracht?
Meine Erfahrungen als Junge mit dem Taktstock waren nicht genug (lacht). Ich durfte den Dirigenten Gustavo Dudamel zwei Wochen nach Berlin begleiteten, wo er Mahler mit den Berliner Philharmonikern aufgeführt hat. Dann haben mir dreieinhalb Jahre lang die Türen der New Yorker Philharmonie offen gestanden. Ich bin teilweise viermal die Woche abends dort hin, nachdem ich meine Tochter ins Bett gebracht habe. Ich sass dann in einer Loge, von der ich genau den Blick auf den Dirigenten hatte.

Und dann hast du Mahler wie Bernstein 1973 live in der Kathedrale von Ely mit dem Londoner Symphony Orchestra fehlerfrei dirigiert.
Ich hatte nur zwei Drehtage und den ersten habe ich richtig abgefuckt. Weil ich Schiss hatte. Den zweiten Tag bin ich einfach dann angstfrei dran gegangen. Und ich habe es tatsächlich hinbekommen, diese sechs Minuten und 23 Sekunden mit allen Tempowechseln perfekt mit einer Klappe hinzubekommen. Es war die härteste und zugleich herausragendste Sache, die ich je in meinem Leben geleistet habe.

Für mich ist es immer hart, wenn die letzte Szene abgedreht ist. Ich bin da auch schon in Tränen ausgebrochen. War es schwierig für dich, die Rolle hinterher wieder abzulegen?
Eigentlich nicht, mein Herz war nur so voll von Stolz. Allerdings wurde mir von anderen gesagt, dass ich noch bis vor ein paar Wochen wie Bernstein geklungen habe (lacht).  

Es war ein Gespräch der besonderen Art anlässlich der Premiere des Biopics «Maestro» ...
Foto: imago/APress
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