«Mein Job ist nichts im Vergleich zum Muttersein»
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Musikerin Jaël Malli zurück:«Mein Job ist nichts im Vergleich zum Muttersein»

Interview mit Sängerin Jaël Malli
«Ich kam an meine Grenzen wie noch nie in meinem Leben»

Ex-Lunik-Sängerin Jaël Malli (39) ist zurück aus ihrer Baby-Pause und bringt ein neues Album heraus. Im Interview erzählt sie, ­warum man nicht Mutter werden muss – und warum sie’s trotzdem wurde.
Publiziert: 12.05.2019 um 11:42 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2021 um 11:33 Uhr
Alexandra Fitz

Ihr neues Album erscheint später als geplant. Warum?
Jaël Malli: Wegen meines Sohnes.

Wie meinen Sie das?
Ich habe mir das alles einfacher vorgestellt. Ich dachte immer, wir machen es ganz unkompliziert, ich nehme ihn dann mit. Ich habe das bei anderen Eltern ja gesehen; es gibt Kinder, die überall schlafen. Eliah war nie so ein Kind. Er war ein Schreibaby. Selbst im Tragtuch war er selten zufrieden und schlief nur halbstundenweise, wenn ich ihn trug und in Bewegung war. Letztes Jahr, in diesem heissen Sommer, habe ich ihn von morgens um 6 Uhr bis abends um 7 Uhr getragen und Kilometer um Kilometer hinter mich gebracht. Ich war immer patschnass. Ich hatte in der Schwangerschaft 17 Kilo zugenommen, danach nahm ich 22 Kilo ab. Ich war im Überlebensmodus.

Sie wirken gar nicht so.
Dank dem Adrenalin sah man mir zwar nicht an, wie müde ich war, aber Eliah wollte im ersten Jahr in der Nacht meist halbstündlich trinken. Ich stille nach 16 Monaten immer noch. Diese Nacht kam er sechs Mal. Er ist ein sehr anspruchsvolles Baby und braucht viel Nähe. Dementsprechend war es undenkbar, Eliah ins Studio mitzunehmen. Davon hätte niemand etwas gehabt.

Die Ex-Lunik-Sängerin Jaël Malli (39) in ihrem Wohnzimmer in Bern.
Foto: Thomas Meier
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Was hätten Sie gerne gewusst, bevor Sie Mutter wurden?
Ich habe so lange gewartet, ein Kind zu bekommen, bis ich bereit war, alles auf mich zu nehmen, was dazugehört. Muttersein von einem sogenannten 24-Stunden-Baby wie Eliah, das so schlecht schläft und so oft gestillt werden will, ist aber wirklich streng. Nichts und niemand kann einen darauf vorbereiten. Ich kam an meine Grenzen wie noch nie in meinem Leben. Auf der anderen Seite muss ich immer wieder sagen: Er ist gesund. Er brauchte diese Zeit, und die gebe ich ihm. Mir tut es nicht weh, wenn mein Album ein oder zwei Jahre später kommt. Wenn es meine erste CD wäre, wäre es vielleicht anders.

Als ich anderen sagte: «Ich ­mache ein Interview mit Jaël», was glauben Sie, womit haben die Leute Sie in Verbindung ­gebracht?
Mit meiner Babykolumne im «Migros-Magazin» und mit dem Globi-Song? Auch die Lunik-Songs wie «Little Bit» sind den Leuten noch im Kopf, weil sie oft im Radio gespielt werden.

«Lunik», sagten sie. Und: «Die Schöne aus Bern.»
Die Schöne aus Bern (lacht).

Reduzieren die Leute Sie ­manchmal auf Ihr Äusseres?
(überlegt lange) Reduzieren nicht. Meine blauen Augen und das Feenhafte sind immer wieder ein Thema. Ich bin ja nicht der Vamp oder die Sexbombe. Wenn die Leute durch mein Aussehen den Zugang zu meiner Musik finden, ist das schön. Die Leute, die an meine Konzerte kommen, schliessen zum Teil auch die Augen und geniessen die Musik. Also kann es gar nicht sein, dass sie nur wegen des Aussehens kommen (lacht).

Musikerin und Mama

Jaël Malli (39) aus Bern war mit Lunik in der Schweiz über Jahre erfolgreich, die Band hatte zahlreiche Hits in den Charts. Ein Psychologiestudium brach sie ab, um sich wieder der Musik zu widmen – als Solokünstlerin. Die Bernerin heisst eigentlich Rahel Krebs. Als sie klein war, konnte sie ihren Namen nicht aussprechen, seither heisst sie Jaël. Ihren Familiennamen Krebs fand sie nicht schön. Sie nahm den Nachnamen ihres Mannes und zusätzlich den Künstlernamen Malli an. Doch am liebsten nennt sie sich einfach Jaël. Am 31. Dezember 2017 wurde sie Mutter. Jaël lebt in Bern mit ihrem Mann und ihrem Sohn.

Jaël Malli (39) aus Bern war mit Lunik in der Schweiz über Jahre erfolgreich, die Band hatte zahlreiche Hits in den Charts. Ein Psychologiestudium brach sie ab, um sich wieder der Musik zu widmen – als Solokünstlerin. Die Bernerin heisst eigentlich Rahel Krebs. Als sie klein war, konnte sie ihren Namen nicht aussprechen, seither heisst sie Jaël. Ihren Familiennamen Krebs fand sie nicht schön. Sie nahm den Nachnamen ihres Mannes und zusätzlich den Künstlernamen Malli an. Doch am liebsten nennt sie sich einfach Jaël. Am 31. Dezember 2017 wurde sie Mutter. Jaël lebt in Bern mit ihrem Mann und ihrem Sohn.

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Hatten Sie auch mal Angst, dass Sie an den Erfolg von Lunik nicht mehr anknüpfen können?
Auf alle Fälle. Ich habe lange gezögert, ob ich überhaupt weitermachen soll. Ich dachte, ich werde sowieso eine von diesen Gescheiterten, die mal eine Band hatten und es jetzt mal alleine versuchen. Aber ich wusste auch nicht, was ich sonst hätte machen sollen. Ich habe zwar ein Psychologiestudium angefangen, aber die Musik liess mich nicht los. Manchmal denke ich, das aktuelle sei das beste Album, das ich jemals gemacht habe. Dann gibt es Tage, an denen habe ich das Gefühl: Oh Gott, das wird niemandem gefallen. Was mache ich hier? Bin ich eigentlich wahnsinnig? Warum habe ich in dieser Zeit, in der der Musikmarkt so kaputt ist, das Gefühl, ich müsse noch ein Album aufnehmen?

Aber Sie haben es getan. «Nothing to Hide» (Nichts zu verstecken) heisst das Album, das im Herbst erscheint. Was wollen Sie mit dem Titel sagen?
Es ist eine Zeile eines Liedes, darin geht es um die Fragen «Wer bin ich? Wo stehe ich? Wer will ich sein?» Innerlich und äusserlich. Ich weiss heute: Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich, so wie ich bin, auf der Bühne sitze, mich nicht verstelle und vorher nicht noch drei Stunden in die Maske gehe und ein schönes Gwändli anziehen muss. Ich mag auch keine Stöckelschuhe, ich hab es ein paar Mal versucht. Seit ich Mama bin, bin ich weniger eitel. Das Muttersein verändert die Sicht.

Sie wollten lange kein Kind und mussten sich stets rechtfertigen, warum Sie keines wollen. Es ist eine Frechheit, dass man Frauen immer so direkt fragt.
Ja, das finde ich auch. Es geht niemanden etwas an. Es ist voll okay, keine Kinder zu wollen, es muss okay sein dürfen. Man muss nicht Mutter werden. Bevor ich Mutter wurde, habe ich mich lange damit auseinandergesetzt. Ich wollte erst eines, als ich es gespürt habe und bereit war, dafür mein Leben umzustellen.

Gab es einen konkreten Moment?
Ja. Ich lag abends auf dem Sofa, mein Mann war in der Küche. Ich hatte ein Déjà-vu von mir als Kind auf dem Sofa. Es läuft Musik, mein Vater tanzt durchs Wohnzimmer – er war nebenberuflich Tänzer –, und meine Mutter kocht in der Küche. Und es riecht nach Essen. Dieses Gefühl von zu Hause und Familie. Da merkte ich: Ich will das auch. Oder besser: Ich will das wieder. Das war, was mir noch fehlte. Das Gefühl. Ich bekomme grad wieder Hühnerhaut.

Und Ihr Mann hatte dann ­plötzlich auch diesen Wunsch?
Das war sehr lustig. Am Abend gingen wir in die Stadt. In einem Restaurant sagte mein Mann zu mir: «Du, ich wär irgendwie doch für ein Kind.»

Am gleichen Abend?
Am gleichen Abend. Dann war klar, da will jemand zu uns.

Gibt es bald ein zweites Kind?
Im Moment spüre ich es grad noch nicht. Eliah braucht uns gerade sehr.

Wie ist das für Ihre ­Partnerschaft?
Es ist eine grosse Herausforderung. Nur schon, weil wir nicht mehr mit der alten Rollenverteilung leben. Frauen wollen auch arbeiten, und das macht es nicht einfacher. Jedes Paar muss sein eigenes Modell finden und definieren.

Übers Muttersein schrieben Sie auch sehr offen in Ihrer Kolumne. Meinen Sie, andere Mütter geben einfach nicht zu, dass sie manchmal am Ende sind?
Es ist tough – und das wollte ich sagen. Viele Mütter schrieben mir, sie seien dankbar. Manche haben erst den Mut zu sagen, dass sie vor lauter Frust und Erschöpfung auch schon in ein Kissen boxen oder schreien mussten. Sie wissen jetzt, dass sie damit nicht allein sind.

Gab es für Ihre Ehrlichkeit auch Kritik?
Andere schrieben mir, ich hätte kein Muttergen. So etwas Gemeines kann nur schreiben, wer selber nie in der Lage war. Ich liebe Eliah mit seiner Sensitivität und allem, was zu ihm gehört. Aber das ändert nichts daran, dass er mich gerade im ersten Jahr sehr forderte. Mittlerweile ist vieles schon einfacher.

Haben Sie sich schon einmal ­gefragt, ob es mit 25 anders ­gewesen wäre?
Ja, diesen Gedanken habe ich mir gemacht. Aber es wäre für mich schwieriger gewesen mit 25. Seit Eliah auf der Welt ist, habe ich keine Nacht ohne ihn verbracht. So war ich jeden Abend um halb acht im Bett. Das hätte ich mit 25 nicht mitgemacht. Aber ich war mit meinem Beruf die letzten 20 Jahre mehr als genug unterwegs, so kann ich gut mal ein, zwei Jahre aufs Nachtleben verzichten. Zudem bin ich oft so müde, dass ich eh nur noch schlafen will.

Sie werden im Sommer 40. ­Haben Sie Mühe mit dem ­Älterwerden?
Ich fühle mich heute so wohl in meinem Körper wie noch nie. Das hängt mit der Schwangerschaft und mit der Veränderung meines Körpers zusammen. Ich sehe, dass ich mehr Falten habe, aber ich fand mich in der Schwangerschaft zum ersten Mal schön, wenn ich in den Spiegel schaute, obwohl ich zu viel zugenommen hatte. Da passierte etwas. Ich verstand: Das ist alles im Kopf. Ich kann es nicht gut beschreiben, aber ich fühle mich wohl. Diese Jeans habe ich die letzten drei Tage an, und jetzt habe ich ein Fotoshooting. Das hätte ich vor drei Jahren nie gemacht.

Die Karriere von Jaël Malli

Bekannt wurde Jaël Mall als Leadsängerin von Lunik. Von 1998 bis 2013 war sie deren Leadsängerin. Dann startete sie ihre Solokarriere. 2015 ­erschien ihr Album «Shuffle the Cards», 2017 «Orkestra», eine Live CD mit ihren grössten Hits, begleitet von einem Orchester. Nach ihrer Babypause veröffentlicht Jaël am 7. Juni ihre neue Single «Waiting for a Sign». Für das Album «Nothing to Hide», das Ende September erscheint, kann man die Musikerin auf www.jael.ch unterstützen.

Bekannt wurde Jaël Mall als Leadsängerin von Lunik. Von 1998 bis 2013 war sie deren Leadsängerin. Dann startete sie ihre Solokarriere. 2015 ­erschien ihr Album «Shuffle the Cards», 2017 «Orkestra», eine Live CD mit ihren grössten Hits, begleitet von einem Orchester. Nach ihrer Babypause veröffentlicht Jaël am 7. Juni ihre neue Single «Waiting for a Sign». Für das Album «Nothing to Hide», das Ende September erscheint, kann man die Musikerin auf www.jael.ch unterstützen.

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