Filmfestival Locarno
70. Filmfestival in Locarno mit französischem Drama eröffnet

Das Locarno Festival zählt neben jenen in Venedig und Cannes zu den ältesten Filmfestivals der Welt. Mit dem französischen Drama «Demain et tous les autres jours» ist am Mittwochabend auf der Piazza Grande die 70. Ausgabe eröffnet worden.
Publiziert: 02.08.2017 um 22:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 23:46 Uhr
Bundesrat Alain Berset (Mitte) begibt sich mit seiner Frau Muriel und Festival-Präsident Marco Solari an den Eröffnungsempfang des 70. Filmfestivals Locarno. Die Jubiläumsausgabe des Filmfests ist am Mittwoch eröffnet worden.
Foto: Keystone/URS FLUEELER

Locarno zeigte sich dabei von seiner besten Seite: Bei schönstem Sommerwetter startete die Jubiläumsausgabe in den elftägigen Filmreigen, der mit Weltpremieren, Stars aus aller Welt und zahlreichen Podien und Workshops aufwartet.

Mit «Demain et tous les autres jours» machte das Festival auf der Piazza Grande einen tragikomischen Auftakt: Das Drama von und mit Noémie Lvovsky erzählt die Geschichte der neunjährigen Mathilde, die nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrer Mutter (Lvovsky) lebt. Diese pflegt zwar ein inniges Verhältnis zu ihrer Tochter, hat aber mit grossen psychischen Problemen zu kämpfen. In der Rolle von Mathildes Vaters ist der französische Star Mathieu Amalric zu sehen.

Die sensible Filmwahl des künstlerischen Leiters Carlo Chatrian sowie das Wetter sorgten bereits am Eröffnungsabend für die in Locarno einzigartige Stimmung auf der Piazza Grande. Dort geht es am Donnerstagabend mit einem zweiten französischen Spielfilm, «Lola Pater», und der Ehrung der deutschen Schauspielerin Nastassja Kinski weiter. Am Freitag nimmt der US-amerikanische Oscar-Gewinner Adrien Brody («The Pianist») den Leopard Club Award entgegen.

Von offizieller Seite wurde das Festival traditionsgemäss von Bundesrat und Kulturminister Alain Berset eröffnet. Locarno sei ein «Ort, in dem sich das weltweite Filmschaffen widerspiegelt», sagte Berset am Eröffnungsempfang am frühen Abend.

Das Festival habe sich immer wieder neu erfunden und sei dabei sich selbst stets treu geblieben. Bei allem Glamour: «Im Zweifelsfall siegt in Locarno immer die Kunst.»

1946, im Gründungsjahr des Festivals, habe sich die Welt neu aufgebaut und das Kino neu erfunden, so Berset, und erinnerte an die verschiedenen weltweiten Filmströmungen, die das Festival im Verlaufe der Jahre und Jahrzehnte mitformten.

In Locarno will man nicht lange verweilen bei Jubiläumsfestivitäten, das machte Chatrian am Mittwoch einmal mehr deutlich. Es gelte den Blick in die Zukunft zu richten. Dennoch wird das Jubiläum mit einer Spezialsektion begangen. Es wurden elf einstige Debütfilme programmiert, die am Filmfestival Premiere gefeiert hatten. Die Entdeckung junger Filmemacher hat in Locarno Tradition.

Zu sehen sein werden etwa Michael Hanekes «Der siebente Kontinent» aus dem Jahr 1989, «San Gottardo» des Schweizers Villi Hermann (1977) oder Todd Haynes «Poison» (1991). US-Regisseur Haynes erhält in Locarno zudem einen Ehrenleoparden.

Bereits am Mittwochnachmittag hatte ein brisanter Schweizer Film ausserhalb des Wettbewerbs Premiere gefeiert: Sabine Gisiger zeigte im Fevi ihren neuen Dokumentarfilm «Willkommen in der Schweiz», eine Auseinandersetzung mit dem Umgang der Schweiz mit Migration. Im Zentrum steht der Fall Oberwil-Lieli: Der SVP-Gemeindepräsident der reichen Aargauer Gemeinde, Andreas Glarner, hatte 2015 angeregt, im Zuge der Flüchtlingskrise Ersatzabgabe zu bezahlen statt Migranten aufzunehmen.

Der Film ist eine Aufarbeitung des Falls, aber auch eine Erinnerung an den Umgang der Schweiz mit früheren Flüchtlingskrisen An der Premiere in Locarno sorgten vor allem Aussagen von Nationalrat Glarner immer wieder für Kopfschütteln und ungläubiges Gelächter.

Das Schweizer Filmschaffen nimmt an der 70. Ausgabe keinen besonderen Stellenwert ein: Die Ausbeute neuer Schweizer Filme fällt im Vergleich zu anderen Jahren eher dürftig aus. Im internationalen Wettbewerb konkurriert mit «Goliath» von Dominik Locher gerade mal ein einziger Film um den Goldenen Leoparden, den wichtigsten Preis des Festivals.

Im Nachwuchswettbewerb Cineasti del presente, der ersten und zweiten Werken vorbehalten ist, steht Cyril Schäublin mit «Dene wos guet geit». Ausser Konkurrenz zeigt das Festival auf der Piazza Grande «Gotthard - One Life, One Soul», einen Dokfilm von Kevin Merz über die Tessiner Rockband. Diese steht bei der Premiere am Abschlussabend dann auch gleich selber auf der Bühne.

Das Filmfestival präsentiert zudem einen alten, neu restaurierten Film von Regielegende Jean-Luc Godard. «Grandeur et décadence d’un petit commerce du cinéma» ist ein Auftragsfilm aus den 80ern, der erst jetzt auf die grosse Leinwand kommt.

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