Marc Forster, sein Leben, sein neuer Film
«Ich war eigentlich zu scheu für Hollywood»

Er hat es in Hollywoods Traumfabrik ganz nach oben geschafft: Regisseur Marc Forster (47). Der Davoser erschafft mit seiner Sensibilität Bildwelten, die sowohl in Blockbustern wie auch in seinem neusten Psycho-Drama überzeugen.
Publiziert: 06.12.2017 um 21:46 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:44 Uhr
Er hat es in Hollywood in die 1. Liga geschafft: Regisseur Marc Forster.
Foto: ADRIAN BRETSCHER
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Katja Richard

BLICK: Sie drehen mit Weltstars wie Blake Lively für Ihr Psycho-Drama «All I See is You». Wie haben Sie sie erlebt?
Marc Forster:
Sie ist eine hochintelligente Frau und setzt sich in der Tiefe mit einer Rolle auseinander. Sie kommt mit klaren Vorstellungen ans Set, daraus entstehen Gespräche und Visionen. Bei den Dreharbeiten damals war Blakes Baby erst drei Monate alt, es war mit am Set und sie hat es zwischendurch gestillt, sie ist eine sehr engagierte Mutter. Es hat mich beeindruckt, wie sie die Rollen gewechselt hat. Es gab ja recht intime Szenen im Film. Für sie war das überhaupt kein Problem. 

Apropos Sex-Szenen, wie läuft das ab?
Wichtig ist, dass sich die Schauspieler wohlfühlen. Damals, bei «Monster's Ball», waren an dem Drehtag nur ich, der Kameramann und die beiden Darsteller Halle Berry und Billy Bob Thornton im Raum. So waren sie frei und ungestört, beide hatten damals Ehepartner. Beide liessen sich später scheiden, aber das hatte nichts mit dem Film zu tun (lacht). 

Wie wichtig sind solche Szenen für einen Film?
Das kommt auf den Film an. In «All I See is You» sind sie wichtig, um eine Entwicklung zu zeigen. Eine Beziehung ist zu 50 Prozent körperlich und sinnlich, das lässt sich nicht bloss mental erfassen. Bei dem Filmpaar geht es um Abhängigkeiten. Gina ist ja anfangs blind und ganz auf ihren Mann angewiesen, dann gewinnt sie durch eine Operation ihr Augenlicht wieder und wird unabhängig von ihm. Das verändert die Beziehung – auch auf körperlicher Ebene.

Diese Augen-Operation scheint ja fast wie ein Wunder. Wie wichtig sind Wunder für einen Film und glauben Sie selber daran?
Ja, ich glaube an die Kraft der Vision, sonst wäre ich nicht da, wo ich heute bin. In gewisser Weise bin ich naiv, ich glaube an das Positive und dass in letzter Sekunde doch noch alles gut wird. Alle warnten mich, dass das nie klappen würde mit dem Filmemachen. Aber ich wusste schon als 15-Jähriger genau, was ich wollte: Geschichten in Bildern erzählen. Mir wurde erst später klar, dass eine solche Klarheit ein Geschenk ist. Viele hadern und zweifeln ihr ganzes Leben lang. 

Sie haben in New York studiert, warum nicht in Europa?
Weil das die einzige Filmschule war, die mich angenommen hat. Ich hatte mich auch in Paris, London und München beworben (lacht). Schwierig war vor allem die Zeit nach dem Studium. Künstlerisch hatte ich viel zu bieten, aber ich war kein Verkäufer. Mit Schweizer Bescheidenheit kommt man in Hollywood nicht weit. Da muss man sich hinstellen und sagen, ich bin der Grösste, ich kann das am besten. Eigentlich war ich zu scheu für Hollywood, ich musste das lernen. Aber so ist das Showbusiness. Man muss Leute überzeugen, bevor sie Geld investieren.

Leicht war Ihr Weg zum Erfolg ja nicht.
Wenn ich zurückblicke, waren die Chancen tatsächlich sehr gering. Hätte ich das realistisch betrachtet, wäre ich diesen Weg wohl nie gegangen. Vielleicht ist diese Naivität auch der Grund, warum ich Filme mit grossem Budget wie einen «James Bond» oder «World War Z» drehen kann, ohne allzu nervös zu werden. Ich konzentriere mich einfach ganz auf meine Vision und bin überzeugt, dass alles gut wird. 

Sind Sie mit Ihrem positiven Denken auch schon mal reingefallen?
Ja klar, immer wieder! Beruflich und privat. Dann denke ich manchmal, dass ich mich ändern und skeptischer werden sollte. Aber das ist nun mal meine Natur. 

Wie bewahrt man gerade in Hollywood eine solch innere Ruhe?
Letztendlich ist alles eine Illusion, morgen kann alles vorbei sein. Man kann krank werden oder alles Geld verlieren. Alles was man hat, ist der jetzige Moment. Ich habe viel von meiner Mutter mitbekommen. Sie meditiert seit vierzig Jahren jeden Tag. Ich glaube, das hat ihr geholfen, die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern. Etwa, als mein Vater das ganze Vermögen verloren hatte.

Wie war das für Sie?
Zuerst dachte ich, das sei das Schlimmste, was passieren kann, eine Welt brach zusammen. Da war aber auf einmal auch mehr Liebe und Nähe in der Familie. Es war, als ob plötzlich ein Gewicht weggefallen wäre. Je weniger man hat, desto freier fühlt man sich. 

Aber es gab auch Zeiten, da wussten Sie kaum, wie Sie Ihre Miete bezahlen sollen.
Ja, und ich weiss es sehr zu schätzen, dass ich mir heute mit dem was ich am liebsten mache, einen sorgenfreien Lebensstil leisten kann. Aber Materielles hat seine Grenzen, ich kann nur ein Auto auf einmal fahren, nur eine Uhr tragen und nur in einem Haus wohnen. Warum soll ich Dinge in mehrfacher Ausführung besitzen? Das macht nicht glücklicher, sondern ist eher eine Last.

Marc Forster, sein Leben, sein neuer Film

Biobox: Marc Forster wurde am 30. November 1969 geboren und kam als Neunjähriger in die Heimat seiner Mutter Ulli nach Davos, der Vater war Arzt und ein erfolgreicher Pharmaunternehmer in Deutschland. Nach dem Gymnasium besuchte Marc Forster die Filmschule der New York University und ist Mitglied der Oscar-Academy. Berühmt wurde er mit «Monster's Ball», für den Halle Berry 2002 als erste Farbige einen Oscar gewann. 2008 drehte er «James Bond 007: Quantum of Solace», 2013 «World War Z» mit Brad Pitt. Marc Forster lebt in Los Angeles, er hat eine achtjährige Tochter. 

Filmbox: «All I See is You» erzählt die Geschichte von Gina (Blake Lively), die bei einem Unfall in der Kindheit erblindet ist. Sie hat sich mit ihrem Schicksal versöhnt und lebt mit Hilfe ihres Mannes James (Jason Clarke) ein ausgefülltes Leben. Dank einer neuartigen Operation gewinnt sie ihr Augenlicht zurück und damit auch an Selbstvertrauen. Die neue Eigenständigkeit von Gina bringt die Beziehung des eingespielten Paars gefährlich ins Wanken.

Biobox: Marc Forster wurde am 30. November 1969 geboren und kam als Neunjähriger in die Heimat seiner Mutter Ulli nach Davos, der Vater war Arzt und ein erfolgreicher Pharmaunternehmer in Deutschland. Nach dem Gymnasium besuchte Marc Forster die Filmschule der New York University und ist Mitglied der Oscar-Academy. Berühmt wurde er mit «Monster's Ball», für den Halle Berry 2002 als erste Farbige einen Oscar gewann. 2008 drehte er «James Bond 007: Quantum of Solace», 2013 «World War Z» mit Brad Pitt. Marc Forster lebt in Los Angeles, er hat eine achtjährige Tochter. 

Filmbox: «All I See is You» erzählt die Geschichte von Gina (Blake Lively), die bei einem Unfall in der Kindheit erblindet ist. Sie hat sich mit ihrem Schicksal versöhnt und lebt mit Hilfe ihres Mannes James (Jason Clarke) ein ausgefülltes Leben. Dank einer neuartigen Operation gewinnt sie ihr Augenlicht zurück und damit auch an Selbstvertrauen. Die neue Eigenständigkeit von Gina bringt die Beziehung des eingespielten Paars gefährlich ins Wanken.

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