Künstler, Regisseur und Playboy Julian Schnabel (67) zu seinem neuen Film über van Gogh
«Geld ist 
die Wurzel allen Übels»

Er ist erfolgreicher Künstler und Regisseur, Playboy und einer der bekanntesten Socialites von New York. 
 Julian Schnabel (67) über das Streben nach 
Schönheit und seinen neuen Film über van Gogh.
Publiziert: 21.04.2019 um 13:04 Uhr
Julian Schnabel – wie fast immer im Pyjama – mit Ehefrau Louise ­Kugelberg in Venedig.
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Jonas Dreyfus

Julian Schnabel ist eben erst in Zürich gelandet. Vom Flug­hafen gings kurz ins Luxushotel Dolder, wo der Künstler und Regisseur mit seiner Frau Louise Kugelberg (33) für eine Nacht absteigt. Jetzt sitzt der Amerikaner im Kamin­zimmer der Villa Tobler, einem neoklassizistischen Bau im Besitz des Kunsthauses, und schlägt vor, die einzige Lampe, die hier leuchtet, abzuschalten. «Ich liebe die Dunkelheit», sagt Schnabel, der ein Werbe-T-Shirt seines eigenen Surfklubs trägt. Er lässt sich davon überzeugen, dass es doch schön wäre, sich beim Interview anlässlich seines neuen Films «An der Schwelle zur Ewigkeit» gegenseitig zu sehen und nimmt deshalb sogar seine getönte Sonnenbrille ab.

Herr Schnabel, Sie sind mit Ihrer frisch angetrauten Frau Louise Kugelberg angereist. Wann ­haben Sie sich kennengelernt?
Vor fünf Jahren. Ich war auf der Suche nach skandinavischen Möbeln – Louise ist Interieur-Designerin und Spezialistin auf diesem Gebiet. Später gestaltete sie einige meiner Ausstellungen. So richtig kennengelernt haben wir uns, als sie mir bei meinen neuen Film half.

Ihre Frau hat Ihren neuen Film über Vincent van Gogh mitgeschnitten. Woher kann sie das?
Sie kennt sich gut mit Computern aus. Als ich drei Monate auf den ­offiziellen Editor warten musste, hat sie das Schnittprogramm ­installiert. Nach drei Tagen hatte sie es im Griff. Dadurch, dass sie den ersten Teil schnitt, hat sie den Film massgeblich in eine Richtung gelenkt.

Louise Kugelberg ist sehr gut aussehend. Ihre letzte Partnerin war das dänische Victoria’s-Secret-Model May Andersen. Sie scheinen das Schöne nicht nur in ­Ihren Filmen und in Ihrer Kunst zu ­suchen.
Das kann ich nicht leugnen. Dass Louise hübsch ist, nehme ich ihr ­jedenfalls nicht übel.

Ihre Tochter Stella spielt im Film eine grössere Rolle, Ihr Sohn Vito gehört als Kunsthändler 
zur selben Branche wie Sie als Künstler. Sind die Schnabels ein Familienunternehmen?
Nein, meine Kinder sind einfach von Kunst geprägt, weil sie damit aufwuchsen. Meine andere Tochter Lola ist Malerin und Filmemacherin. Mein Sohn Cy schreibt sehr gut, und sein Zwillingsbruder Olmo 
hat erste Erfahrungen als Regisseur gesammelt. Vito hat sich bis vierzehn überhaupt nicht für Kunst ­interessiert. Heute hat er viel Leidenschaft für seinen Job und macht ihn sehr gut. Meine Kinder scheinen die Welt durch meine Augen zu sehen. Zumindest Teile der Welt.

Die Zuschauer des Films sehen die Welt durch die Augen von Vincent van Gogh. Wie sieht die Welt durch Ihre Augen aus?
Van Gogh hat gesagt: «Ich bin meine Bilder.» Ich sage: «Ich bin meine Filme.» Was der Zuschauer sieht, ist meine Vorstellung davon, wie van Gogh die Welt sah. Was wir als Maler jedoch gemeinsam haben: Wir sehen die Dinge in kleinen ­Teilen.

Wie meinen Sie das?
Wenn ich Sie anblicke, sehe ich Ihr Gesicht in Fragmenten. Ich achte mich auf Dinge wie die Form Ihrer Nasenflügel und auf den Schatten, den sie werfen.

Zahlreiche Szenen des Films zeigen den Akt des Malens aus der Sicht des Künstlers. Ist es die Hand von Schauspieler Willem Dafoe, die der Zuschauer sieht?
Mal seine, mal meine. Unsere Hände sehen glücklicherweise ähnlich aus. In Spielfilmen sieht der Zuschauer den Akt des Malens gewöhnlich nicht. Es wird meistens nur das Gesicht des Schauspielers gezeigt, dann gibts einen Schnitt, und man sieht das Kunstwerk.

Wer hat die ganzen Van-Gogh-Gemälde gemalt, die im Film zu sehen sind?
Die Bilder im Hintergrund haben Leute aus dem Filmteam für mich angefertigt. Die Bilder, die Teil ­einer Szene sind, ich selbst.

Kunsthändler fürchten sich vor Fälschungen. Mussten Sie Copyright-Verträge unterschreiben oder die Bilder nach dem Film vielleicht sogar vernichten?
Nichts dergleichen, denn wenn man die Bilder von Nahem betrachtet, merkt man, dass es keine Originale sind. Bei den grösseren Porträts, die ich für den Film gemalt habe, sieht man ja die Gesichter der Schauspieler. So zeigt das Selbstporträt von van Gogh nicht ihn selbst, sondern Willem Dafoe.

Ein Porträt von sich selbst zu ­besitzen, das Julian Schnabel im Stil von van Gogh gemalt hat – ein amüsanter Gedanke. Durfte Willem Dafoe sein Porträt nach dem Dreh nach Hause nehmen?
Ja, ich habe es ihm geschenkt. Aber nicht, bevor ich noch weitere Ver­sionen davon angefertigt hatte. Auch van Gogh hat Bilder von ­seinen Bildern gemalt. Von «Fünfzehn Sonnenblumen» gibt es zum Beispiel drei Versionen.

Was zeichnet van Goghs Werk aus Ihrer Sicht aus?
Die Art, wie er die Oberfläche mit den Farben aufbrach und die einzelnen Striche sichtbar machte. Die Leute fanden das damals verstörend, weil es für sie nicht echt aussah. Offenbar war das ganze 
19. Jahr­­hundert blind, denn van Goghs Bilder sind so direkt und klar wie keine anderen. Im Kunsthaus hier in Zürich hängt das berühmte Werk «Mann mit der Pfeife», das van Gogh von sich malte, kurz nachdem er sich aus Verzweiflung über einen Streit mit Gauguin das Ohr abschnitt. Das Bild schreit nur so von der Wand, an der es hängt.

Er wollte Paul Gauguin un­bedingt zum Freund haben, ­Gauguin tat schwierig. Sind Freundschaften unter Künstlern überhaupt möglich?
Für jeden Künstler ist das, was er selbst macht, die einzige Wahrheit. Alles andere gilt es zu kritisieren – schon alleine, weil es existiert. Das heisst aber nicht, dass sich keine Freundschaften entwickeln. Ich habe sehr viele Künstler unter den Menschen, die mir nahestehen.

Van Gogh scheint eine einsame Seele gewesen zu sein und das perfekte Mobbing-Opfer. Kinder haben ihn gehänselt, Erwachsene zusammengeschlagen, und zwei Jugendliche, so eine Theorie, haben ihn erschossen.
Das ist jetzt ein bisschen allzu sehr zusammengefasst. Er hatte auch grosses Pech. Eine Verkettung von unglücklichen Umständen hat sich zu einer Katastrophe kumuliert.

Seine Mitmenschen fühlten sich offenbar von ihm provoziert. Nicht nur wegen seiner Kunst, sondern schon allein wegen ­seines Auftretens.

Sie hatten Angst vor ihm, weil er besessen war von seiner Arbeit und sich nicht mit seinem Äusseren ­befasste. Er war nicht konform. 
In einer französischen Kleinstadt wie Arles fiel jemand wie er auf.

Sie fallen auch auf mit Ihrem Äusseren. Nicht, weil Sie sich nicht damit befassen würden, sondern weil Sie fast immer ­Pyjamas tragen.
Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat einmal gesagt: «Es ist mir egal, was ich esse, solange es jeden Tag dasselbe ist.» Ich sehe manchmal aus wie ein Patient, der aus dem Krankenhaus geflohen ist.

Ein schicker Patient – Ihre Pyjamas sind aus Seide.
Meine Ex-Frau hat sie extra für mich angefertigt. Mir ist einfach nicht danach, mich in Schale zu werfen. Wenn ich an den Oscars ­einen Smoking trage, tue ich das nur, um keinen Aufruhr auszulösen.

Sie tauchen auch mal mit Shorts und ärmellosem Hemd auf dem roten Teppich auf. Das lässt man nur einem Künstler durchgehen.
Als Künstler offenbart man sein Seelenleben und lässt fremde Menschen quasi in sein Wohnzimmer hinein. Ich kann mich noch er­innern, als ich am Filmfestival in Cannes meinen Film «Before Night Falls» vorstellte – oder war es ­«Basquiat»? – egal. Ich trug jedenfalls unter einem blauen Jackett ein weisses Pyjama, was niemandem auffiel. Als ich im dunklen Saal das Jackett auszog und mir mit 2000 Leuten meinen Film ansah, fühlte sich das verdammt gemütlich an.

Womit haben Sie eigentlich mehr Geld verdient: mit Kunst oder mit Filmen?
Sagen wir es so: Als Regisseur habe ich nie Geld verdient. Das war nie mein Ziel. Auch Künstler wurde ich nicht, um Geld zu verdienen.

Aber Sie taten es.
Tom Waits singt in einem Song: «Money’s just something you throw
off the back of a train» (dt.: Geld ist nur etwas, was man hinten aus 
dem Zug wirft). Für mich ist es die Wurzel allen Übels.

Mit dem Sie sich immerhin ­mitten in Manhattan einen fünfstöckigen Palazzo im venezianischen Stil bauen liessen.
Ich habe ihn mitgebaut – etwas mit Geld zu erschaffen, ist etwas anderes, als sich etwas damit zu kaufen. Wenn ich aufs Verdienen fixiert wäre, hätte ich nicht unbedingt Künstler werden wollen, obwohl meine Eltern dagegen waren.

Sie lebten als Jugendlicher in ­Texas. Das ist schwierig vorstellbar.
Als ich fünfzehn war, zog meine ­Familie wegen der Geschäfte meines Vaters an die mexikanische Grenze. Er handelte unter anderem mit ­Secondhand-Mode, mit Fleisch und besass Kaffee-Läden. Er hatte nichts mit Kunst am Hut und machte sich Sorgen, weil ich mich dafür interessierte. Als ich dann als Koch in einem Restaurant zu jobben ­anfing, um mich durchzuschlagen, dachte er, ich sei komplett verrückt geworden. 

Im Kopf 
van Goghs

Julian Schnabel porträtiert Vincent van Gogh (1853–1890) in seinem fünften Spielfilm «An der Schwelle zur Ewigkeit» 
(im Kino) als sensible Seele auf der Suche nach Anerkennung.
Willem Dafoe (63) spielt den Mitbegründer der modernen Malerei so dramatisch, wie es diese historische ­Figur verdient, und nimmt den Zuschauer auf einen psychedelischen Trip und an 
die Schwelle zum Wahnsinn. Das wirkt teilweise esoterisch, funktioniert jedoch insofern gut, dass sich nur erahnen lässt, was in van Goghs Kopf vor sich ging. Einen Künstler wie ihn zu verstehen, würde seinem Werk wohl 
den Zauber nehmen. Grosses Plus des Films ist die Darstellung 
des tatsächlichen Akts des Malens.

Julian Schnabel porträtiert Vincent van Gogh (1853–1890) in seinem fünften Spielfilm «An der Schwelle zur Ewigkeit» 
(im Kino) als sensible Seele auf der Suche nach Anerkennung.
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die Schwelle zum Wahnsinn. Das wirkt teilweise esoterisch, funktioniert jedoch insofern gut, dass sich nur erahnen lässt, was in van Goghs Kopf vor sich ging. Einen Künstler wie ihn zu verstehen, würde seinem Werk wohl 
den Zauber nehmen. Grosses Plus des Films ist die Darstellung 
des tatsächlichen Akts des Malens.

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