Melanie Holzgang (34) aus Uster ZH
Diese Oberärztin verbessert die Welt

In der äthiopischen Stadt Jimma behandeln Jörg Peltzer, der Gründer des «Gostar»-Projekts, und seine ehemalige Assistenzärztin Melanie Holzgang Patientinnen und Patienten in der Unfallchirurgie. Die Filmer von SRF-Dok begleiteten die beiden bei ihrer Arbeit.
Publiziert: 25.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:20 Uhr
Melanie Holzgang mit Jörg Peltzer im Spital von Jimma.
Foto: SRF
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Seraina Etter

Die kleine Rehima erwacht aus der Narkose. Sie schaut sich um, merkt, dass ihr ein Arm fehlt. Sie sucht ihn unter dem Bett, zuerst links, dann rechts. Doch da ist nichts. Nur ein kleiner Stummel an der linken Schulter, eingewickelt in einen Verband. Langsam füllen sich Rehimas Augen mit Tränen.

«Ihr Schicksal ging mir sehr nahe», sagt Chirurgin Melanie Holzgang (34), die der Neunjährigen den Arm wegen einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung amputieren musste.

Für zwei Monate reiste die Oberärztin aus Uster ZH ins äthiopische Jimma, um die Unfallchirurgie des dortigen Universitätsspitals zu leiten. 120 Menschen operierte die Protagonistin der Dok-Serie «Die Weltverbesserer» (ab heute Freitag, 21 Uhr, SRF 1) in Afrika. Rehima hatte sie besonders beeindruckt.

Etwas vom Glück zurückgeben

Warum der freiwillige Einsatz in einem der ärmsten Länder der Welt? «Bereits mit dem Gedanken, einmal etwas von meinem Glück zurückzugeben, habe ich Medizin studiert», begründet die junge Chirurgin. «Ich fühlte mich ganz einfach dazu verpflichtet.»

Denn in der Schweiz leben wir in einer Seifenblase, im Luxus – das realisierte die gebürtige Zugerin schon als Kind. «Jetzt zu sehen, dass ich irgendwo wirklich helfen konnte, ist für mich das schönste Gefühl überhaupt», sagt sie, zurück in der Heimat. Hier gehe man oft wegen Lappalien ins Spital. Es sei schwierig, sich wieder mit derselben Leidenschaft in den Beruf zu stürzen. «Denn ich weiss: Andernorts könnte man mich jetzt besser brauchen.»

Ein Spital für die ganze Schweiz

Zum Beispiel in Jimma. Unbehandelte, infizierte Brandwunden, seit Monaten ausgerenkte Gelenke, groteske Fehlstellungen, verkrüppelte Hände und Füsse – all das hat die Schweizerin gesehen und behandelt. Das Problem vieler Äthiopier: Sie kommen zu spät ins Spital, weil sie glauben, dass die Verletzung von allein heilt. Oder sie gehen zuerst zu einem Schamanen, der Brüche nur unzureichend behandelt. «Obwohl wir Europäer so etwas nicht verstehen, darf man die Menschen nicht verurteilen.»

Die unterschiedliche Mentalität und die Schicksalsergebenheit seien denn auch nicht das einzige Problem. Viele Verletzte können sich die umgerechnet 30 Franken für eine Operation gar nicht leisten. Der Weg ins Spital ist nicht selten mit einem mehrtägigen Fussmarsch verbunden. Danach müssen die Patienten teilweise viel zu lange auf der rappelvollen Station ausharren, bis sie behandelt werden können. Das Einzugsgebiet der Klinik umfasst zehn Millionen Menschen, das ist, als gäbe es in der ganzen Schweiz nur ein einziges Spital.

Neue Klinik dank Velotour

Um die prekäre Gesundheitsversorgung in Jimma zu verbessern, sammelt Chirurg und Traumatologe Jörg Peltzer (50) laufend Spenden. Er ist Gründer des «Gostar»-Projekts, für das auch Melanie Holzgang im Einsatz war. Seine neuste Vision: eine unfallchirurgische Klinik mit europäischem Standard, die dereinst 120 Betten und vier Operationssälen Platz bieten soll.

Auf Holzgangs Unterstützung kann Peltzer zählen, denn die Reise hat das Leben der quirligen Ärztin verändert: «Mittelfristig würde ich gern jedes Jahr ein paar Wochen oder Monate in Afrika arbeiten, das ist mein grosser Traum – nein, es ist meine Pflicht.»

Der Schweizer Chirurg und Traumatologe Jörg Peltzer engagiert sich seit über zwölf Jahren in medizinischen Hilfsprojekten in Äthiopien. 2006 hat er in Jimma das erste und einzige chirurgische Unfallzentrum des Landes eröffnet. Es wurde im Rahmen des «Gostar»-Projekts aufgebaut und wird täglich überrannt von zahlreichen Menschen auf der Suche nach medizinischer Hilfe. Sportliche Events spielen seit den Anfängen von Peltzers Projekten in Jimma eine wichtige Rolle bei der Beschaffung von Spendengeldern. So radelten auch diesen November 24 Unterstützer gemeinsam mit dem Arzt aus Delsberg per Velo durch Tansania und Sansibar.

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