Oscar-Gewinner Arthur Cohn übers Filmen nach Corona
«2022 wird ein tolles Kinojahr»

Er hat sechs Oscars gewonnen: Der Schweizer Produzent Arthur Cohn verrät, ob sich die kriselnde Filmbranche nach der Pandemie wieder erholt – und wie er die Corona-Krise kreativ nutzt.
Publiziert: 06.12.2020 um 01:12 Uhr
Interview: Peter Padrutt und Dominik Hug

Der sechsfache Oscarpreisträger Arthur Cohn verbringt diese Monate in Israel. Die Corona-Zeit sei ideal, um in sich zu kehren, sagt er. Der Basler erzählt weiter, was er sich vom neuen US-Präsidenten Joe Biden erhofft.

SonntagsBlick: Sie befinden sich derzeit in Jerusalem. Warum?
Arthur Cohn: Ich bin wie jedes Jahr Ende September ferienhalber hierhergekommen. Zuerst musste ich in eine zweiwöchige Quarantäne, dann gabs hier einen dreiwöchigen Lockdown. Und da mein Enkel, der hier lebt, Anfang Dezember Geburtstag hat und in der Schweiz die Corona-Zahlen explodieren, habe ich spontan eine Brücke gemacht. Ich plane jedoch, Mitte Dezember wieder zu Hause in Basel zu sein.

Wie verbringen Sie die Tage?
Das Wetter ist wunderbar hier. Ich gehe regelmässig spazieren. Und die Corona-Zeit ist ideal, um in sich zu kehren und an Drehbüchern zu feilen.

Arthur Cohn mit Schauspielerin Iris Berben bei der Verleihung der Goldenen Kamera in Berlin 2001.
Foto: Sygma via Getty Images
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Israel konnte die Corona-Fälle stark senken, nachdem es hart von einer zweiten Welle getroffen worden war. Fühlen Sie sich in Israel sicherer als in der Schweiz?
Ich verteile keine Noten. Jedes Land versucht, auf bestem Wege mit dieser schrecklichen Pandemie umzugehen. Und doch lassen sich Israel und die Schweiz gut vergleichen: Beide Länder haben mehr oder weniger die gleiche Anzahl nachgewiesener Corona-Fälle, obwohl Israel mehr Einwohner hat und flächenmässig viel kleiner ist als die Schweiz. Der wesentlichste Unterschied besteht jedoch darin, dass in Israel die Zahl der Toten bei rund 2800 liegt, während in der Schweiz schon über 5000 Menschen an diesem Virus gestorben sind, Tendenz steigend! Bekanntlich besteht in der Corona-Zeit ein Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Gesundheit. In Israel wird eindeutig die Gesundheit priorisiert. In der Schweiz bin ich mir über die diesbezüglichen Prioritäten gewisser Entscheidungsträger nicht ganz sicher. Dies stimmt mich nachdenklich.

Arthur Cohn – Persönlich

Der sechsfache Oscar-Preisträger Arthur Cohn, Sohn eines Anwalts, lebt und arbeitet in seiner Geburtsstadt Basel, wohnt aber auch in Hollywood. Er studierte internationales Recht und erhielt viele Ehrungen: Die Boston University, die Yeshiva University und die Universität Basel verliehen ihm Ehrendoktortitel. Cohn war auch der erste nicht US-amerikanische Produzent, dessen Name einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame ziert. Zudem wurde er 2005 mit dem Unesco-Award ausgezeichnet.

Der sechsfache Oscar-Preisträger Arthur Cohn, Sohn eines Anwalts, lebt und arbeitet in seiner Geburtsstadt Basel, wohnt aber auch in Hollywood. Er studierte internationales Recht und erhielt viele Ehrungen: Die Boston University, die Yeshiva University und die Universität Basel verliehen ihm Ehrendoktortitel. Cohn war auch der erste nicht US-amerikanische Produzent, dessen Name einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame ziert. Zudem wurde er 2005 mit dem Unesco-Award ausgezeichnet.

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Der abtretende US-Präsident Donald Trump verlegte die US-Botschaft vor zwei Jahren von Tel Aviv nach Jerusalem. Was spürt man heute davon?
Die Israelis sind Donald Trump sehr dankbar. Nicht nur wegen seiner längst fälligen Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt und der Verlegung der US-Botschaft dorthin, sondern auch wegen seiner kompromisslosen Haltung gegenüber dem Iran, der Terrorismus schürt und Israel notabene auslöschen will. Auch die erfreulichen, eben unterzeichneten Friedensverträge zwischen Israel und arabischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Sudan wären ohne Trumps Engagement nie zustande gekommen.

Was wird sich mit dem neuen Präsidenten Joe Biden für Israel ändern?
Biden scheint zwar ein anständiger Kerl zu sein, aber viele Israelis sind sehr beunruhigt, dass er dem Iran wie einst Obama mit einem Pseudo-Atom-Abkommen entgegenkommen will, das die Iraner nicht davon abhalten wird, an ihrer Atombombe zu basteln. Wenn Biden die Existenz Israels, die Stabilität im Nahen Osten und nicht zuletzt der Weltfrieden wichtig sind, muss er dem Terrorstaat Iran vehement die Stirn bieten.

Der US-Wahlkampf hat auch die Schauspieler in Hollywood polarisiert. Verschiedene Stars wie auch die von Ihnen verehrte Meryl Streep hatten Trump heftig kritisiert. Soll sich Hollywood in die Politik einmischen?
Das Problem mit dem Phänomen Trump ist, dass viele Menschen – und nicht nur in Hollywood – die «Person Trump» nicht mögen. Die interessiert mich jedoch nicht. Jeder Mensch hat seine Mängel. Mich interessiert lediglich der «Präsident Trump». Und diesbezüglich muss man objektiv anerkennen, dass er auch Positives bewirkt hat, wie zum Beispiel seine Nahostpolitik oder die Entlarvung des stillen wirtschaftlichen Eroberungsfeldzugs Chinas. Man kann nicht alles schwarz-weiss malen, nur weil Trump einen provozierenden Charakter hat.

Corona hat auch die Filmstudios stark getroffen. Was macht Hollywood derzeit durch?
2020 war in der Tat ein schwieriges Jahr für das Filmemachen. Stellen Sie sich vor, in einer Crew von 100 Leuten hat einer Corona – schlimmstenfalls steckt er alle an, bestenfalls steckt er alle in Quarantäne. Es ist schwierig, so zu drehen. Viele Projekte wurden verschoben. Aber dieses Jahr wurden bestimmt gute Drehbücher geschrieben. Ab Mitte nächstem Jahr wird wieder heftig gedreht, danach geschnitten. Das Jahr 2022 wird mit Sicherheit ein tolles Kinojahr.

Wird Corona die Filmbranche nachhaltig beeinflussen? TV und Streamingdienste sind massiv im Aufwind, die Kinos hingegen fast leer.
Ich habe dies ja leider am eigenen Leib erfahren müssen. Mein neuster Film «Das etruskische Lächeln» hätte letzten März gross in unzähligen Kinos in den USA anlaufen sollen. Alles war geplant, die PR war voll im Gang, dazu tolle Kritiken und reges Interesse. Und just am Tag des geplanten US-Kinostarts wurden dort alle Kinos wegen Corona geschlossen. Ich war am Boden zerstört und deprimiert. Es leuchtet also ein, dass im Moment wegen Corona Streamingdienste obenauf schwingen. Aber ich glaube nach wie vor an das klassische Kinoerlebnis. Es wird zurückkommen.

Wie wird sich Corona auf der Leinwand in naher Zukunft bemerkbar machen? Wird weniger geküsst und geschlagen?
Ach nein. Wir haben ja schon Gott sei Dank eine Impfung in Reichweite. Danach wird es mit Volldampf weitergehen wie bisher – wenigstens was die Filme betrifft. Aber es ist möglich und vielleicht sogar wünschenswert, dass im Alltag nach Corona Menschen ein bisschen bewusster leben und in der Gesellschaft etwas vorsichtiger agieren, zum Beispiel beim Niesen und beim Husten.

Wie wir Sie kennen, bleiben Sie auch in Jerusalem rastlos. Arbeiten Sie an einem neuen Projekt?
Ich arbeite gegenwärtig am Drehbuch zum wunderbaren Buch «Der wiedergefundene Freund» von Fred Uhlman, dessen Rechte ich vor ungefähr zehn Jahren erworben habe. Es handelt sich um die Freundschaft eines jüdischen Jungen mit einem christlichen Mitschüler der deutschen Aristokratie in der Nazi-Zeit. Eine bewegende Geschichte.

Werden Sie an den Oscarverleihungen, die im April stattfinden sollen, teilnehmen?
Das ist mein Plan. Ich hoffe, dass die Amerikaner Covid-19 bis dann besser unter Kontrolle haben werden.

Sie haben alles im Leben erreicht. Haben Sie noch einen bisher unerfüllten Traum?
Man kann nicht alles im Leben erreichen. Aber man kann sich Ziele setzen, an sie und sich selber glauben – und versuchen, sie zu verwirklichen. Ich habe noch viele Filme im Hinterkopf, die ich gerne realisieren würde.

Auf welchen Ihrer Filme sind Sie am meisten stolz und warum?
All meine Filme sind gewissermassen wie meine Kinder. Jeder Film hat seine Geschichte, mit jedem habe ich eine persönliche Beziehung und von jedem besondere Erinnerungen. Ich bin auf all meine Filme gleich stolz.

Hoffen Sie, dass Sie sich bald schon gegen Corona impfen lassen können?
Sicher. Ich habe da überhaupt keine Bedenken und komme gerne als Erster dran.

Wann hoffen Sie, wieder nach Los Angeles fliegen zu können?
Spätestens im April zur Oscarverleihung.

Was werden Sie dort als Erstes tun, wen zuerst treffen?
Die letzten fünfzig Jahre, wann ich immer nach Los Angeles flog, galt mein erster Besuch stets meinem Freund Kirk Douglas. Da er nun physisch leider nicht mehr unter uns weilt, werde ich seine Frau Anne besuchen. Und ich werde ihr traditionellerweise Amaretti mitbringen, nach denen sie süchtig ist.

Wenn Sie auf Ihre reichhaltige Zeit zurückblicken: Was ist der Sinn des Lebens?
Es wäre anmassend von mir, den «Sinn des Lebens» zu definieren. Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen, dass es nichts Erfüllenderes gibt, als für andere Menschen da zu sein und sie zu erfreuen. Und dies vor allem nicht im materiellen Sinn.

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