Salman Rushdie schreibt über das Attentat auf ihn
«Das Schlimmste und das Beste am Menschen»

Es ist ein Buch, das der Schriftsteller Salman Rushdie (76) nie schreiben wollte: Im heute weltweit erscheinenden Buch «Knife» denkt er über die Messerattacke vom 12. August 2022 gegen ihn nach – ein Sieg von Worten über Waffen.
Publiziert: 16.04.2024 um 06:45 Uhr
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Aktualisiert: 16.04.2024 um 07:47 Uhr
Salman Rushdie heiratete 2021 die US-Poetin Rachel Eliza Griffiths und lebt mit ihr in New York.
Foto: IMAGO/Sipa USA
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Er tut beim Hinsehen weh, der tiefe Schnitt auf dem Umschlag von «Knife». Das neue Buch vom indisch-britischen Autor Salman Rushdie (76, «Mitternachtskinder», «Victory City») erscheint heute weltweit. Darin beschreibt der mehrfach preisgekrönte Rushdie erstmals die Messerattacke vom 12. August 2022 in Chautauqua (US-Bundesstaat New York), die er nur um Haaresbreite überlebt. Ein Sieg von Worten über Waffen.

Obwohl das Buch «Knife» (zu Deutsch: Messer) heisst, geht es nicht primär um die Tatwaffe. Denn Rushdie macht schon auf den ersten Seiten klar: «Das Messer habe ich nie gesehen.» Bei einem Podiumsauftritt sticht der islamistisch radikalisierte Amerikaner Hadi Matar (26) über ein Dutzend Mal auf Rushdie ein – als Rache für die angebliche Verunglimpfung des Propheten Mohammed im Roman «Die satanischen Verse» (1988).

Klinge verfehlt Hirn um Millimeter

1989 hatte das damalige iranische Staatsoberhaupt Ayatollah Khomeini (1902–1989) eine Fatwa ausgesprochen, in der er Rushdie wegen des Romans zum Tod verurteilte. Anfänglich lebte der Schriftsteller unter Polizeischutz im Versteck. Nach und nach zeigte er sich wieder in der Öffentlichkeit, versuchte, sein Leben zu normalisieren. Doch er wusste: Die Todesdrohung schwebte wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf. 

«Da bist du ja. Da bist du also.» So beschreibt Rushdie seinen ersten Gedanken beim Attentat. «Dieser Moment läuft noch immer wie in Zeitlupe vor mir ab.» Der Mann, der im Publikum aufspringt, losrennt und rasch näher kommt. «Ich beobachte jeden einzelnen Schritt seines ungestümen Laufs», schreibt Rushdie weiter. Er bleibt ihm zugewandt, kehrt dem Angreifer nie den Rücken zu. «Um mich zu schützen, hebe ich die linke Hand.»

Der Messerstich in die Hand zerschneidet alle Sehnen, einer in den Hals führt zu teilweisen Lähmungen auf der rechten Seite, einer in den Kopf verfehlt das Hirn nur knapp: «Wäre die Klinge nur einen knappen Millimeter tiefer eingedrungen, hätte sie meine geistige Fähigkeit gelähmt.» Der brutalste Hieb durchtrennt den Sehnerv seines rechten Auges – seither kann er nur noch mit dem linken sehen.

«Wollte Ihr Gott wirklich, dass Sie das tun?»

Nur durch das schnelle Eingreifen von Menschen aus dem Publikum überlebt Rushdie diesen brutalen Terrorakt. «Und so begegnete mir an jenem Morgen in Chautauqua nahezu gleichzeitig das Schlimmste und das Beste am Menschen.» Den Angreifer und Attentäter, den Rushdie in Gedanken «Arschloch» bezeichnet, nennt er im Buch nie beim Namen, sondern bloss A.

Im zweiten Teil des Buchs tritt Rushdie in einen fiktiven Dialog mit A.: «Ich war zur Tat bereit, denn damit habe ich Gott gedient.» «Sind Sie sich sicher? Wollte Ihr Gott wirklich, dass Sie das tun?» Und falls Rushdie im Prozess A. real gegenübertreten müsste, würde er ihm sagen: «Sie sind gewaltsam und zerstörerisch in mein Leben eingedrungen, aber ich habe mein Leben wiederaufgenommen, und es ist ein Leben voller Liebe.»

Rushdies Fazit: «Wenn die Religion politisch wird, gar zu Waffe, dann geht sie uns alle etwas an, da sie solch enormes Schadenspotenzial hat.»

Salman Rushdie

«Knife – Gedanken nach einem Mordversuch», Penguin

«Knife – Gedanken nach einem Mordversuch», Penguin

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