Sandro Brotz entschuldigt sich für die verpatzte Rassismus-«Arena» – und versuchts heute nochmal
«Ich bin nicht wehleidig»

Eine Sendung nur mit schwarzen Gästen: Sandro Brotz (50) erklärt vor seiner zweiten «Arena» über Rassismus, wie ihn das Thema persönlich bewegt. Und er spricht über Altlasten wie «Mohrenköpfe» oder den «Schorsch Gaggo».
Publiziert: 18.06.2020 um 23:09 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2021 um 17:17 Uhr
Interview: Peter Padrutt

Nach heftiger Kritik nimmt Sandro Brotz (50) heute einen zweiten Anlauf, das Thema Rassismus in der «Arena» zu diskutieren. Diesmal sind nur schwarze Gäste eingeladen. Die Debatte reibt auch ihn auf – im BLICK sagt er, warum.

BLICK Herr Brotz, es hagelte nach der letzten Sendung Kritik. Wie hart waren die vergangenen Tage und Nächte?
Sandro Brotz:
Es waren anstrengende Tage – aber die «Arena» ist auch sonst kein Ferienlager. Und ja: Es waren auch schlaflose Nächte dabei.

Sie haben mit dem Slogan «Jetzt reden wir Schwarzen» geworben. Aber mit Komiker Kiko hatten Sie nur einen Schwarzen in der Hauptrunde. Eine Fehlleistung, oder?
Auch wenn fünf schwarze Menschen an der Debatte teilnahmen, war die Wirkung so, dass sie teilweise hinter der Hauptrunde zu Wort kamen – da kann ich noch so lange mit ihnen reden, was ich auch getan habe, aber rein optisch kommt es beim Publikum anders an. Der Titel war missglückt, und dafür übernehme ich die volle Verantwortung. Unsere Absicht war, nach dem brutalen Tod von George Floyd und den «Black Lives Matter»-Kundgebungen in der Schweiz über Rassismus hierzulande zu sprechen. Wir wollten ein Zeichen setzen, und das ist uns nicht so gelungen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Das bedaure ich sehr.

Die letzte «Arena» zum Thema Rassismus löste heftige Kontroversen aus.
Foto: SRF
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Was heisst das für Sie?
Diese Kritik akzeptiere ich. Und jetzt stelle ich mich ihr in einer zweiten Sendung. Wir Journalisten sind manchmal zu abwehrend und zu wehleidig, wenn es um die Einsicht geht, dass etwas nicht gut gelaufen ist.

Was machen Sie diesmal besser?
Das muss am Schluss das Publikum entscheiden. Wir haben die Kritik gehört. Und wir haben zugehört. Deshalb auch die zweite «Arena» vom Freitag unter dem Titel «Jetzt sitzen wir an einen runden Tisch» und mit ausschliesslich schwarzen Menschen in der Hauptrunde.

Muss man jetzt alles umschreiben, ändern oder gar verbieten, was jetzt gerade rassistisch interpretiert wird?
Es ist nicht an mir, dies zu beurteilen. Aber im Grundsatz habe ich die Haltung: Warum nicht ändern? Es tut ja niemandem weh.

Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe, meint in seiner Kolumne, die Mohrenkopf-Debatte sei absurd – sie lenke vom eigentlichen Kampf gegen Rassismus ab. Hat er nicht recht?
Auch wenn ich seine Meinung nachvollziehen kann: Das eine hat schon auch mit dem anderen zu tun. Es sind immer kleinere oder grössere Beispiele, die zu einem Thema und zu einem Bewusstsein führen können.

Dennoch ist man zusehends verunsichert, was gesellschaftlich noch geht – im Umgang mit dunkelhäutigen Menschen, mit dem anderen Geschlecht oder bei der Wortwahl in der Gender-Debatte. Werden wir hysterisch?
Wir leben in Zeiten, in denen solche Themen viel schneller und vielleicht auch direkter, aber auch kontrovers diskutiert werden. Das hat viel mit Social Media zu tun. Ich würde das nicht als Hysterie abtun – wenn am Schluss daraus wirklich ein Diskurs entsteht. Das ist leider nicht immer der Fall, weil man oft nicht gewillt ist, einander zuzuhören.

Bei der Rassismus-Debatte wirken Social Media verstärkend. Jede Äusserung löst wieder Gegenreaktionen aus, die Stimmung wird zusätzlich angeheizt. Ein Teufelszeug?
Das ist eine berechtigte Frage, die ich mir auch immer wieder mal stelle. Die Tonalität – auch in den Hunderten teilweise sehr gehässigen Rückmeldungen, die ich direkt bekommen habe – gibt mir schon zu denken. Nicht, weil ich es nicht aushalten würde, sondern weil diese Entwicklung auf Social Media seit einiger Zeit festzustellen ist. Mir ist in diesen Tagen oft ein Graffiti an der Aare in den Sinn gekommen: «Konsens ist geil», steht darauf. Miteinander um Lösungen zu ringen, hat dieses Land gross gemacht. Davon spürt man in den sozialen Medien leider immer weniger.

Sie sind ein eifriger Twitterer. Haben Sie den Wirbel um die letzte «Arena» so nicht zusätzlich vergrössert?
Nahbarkeit ist mir wichtig. Wer vor der Kamera steht und eine politische Talksendung moderiert, muss sich auch Fragen aus dem Publikum gefallen lassen. Der Hashtag #srfarena ist einer der meistgenutzten auf Twitter, wenn es um Informationssendungen bei SRF geht – übrigens ohne dass ich diese Diskussion lancieren müsste. Das geschieht von selbst und ist auch ein Zeichen für die Relevanz der Sendung.

Haben Sie sich als Kind eigentlich auch amüsiert über den Schorsch Gaggo, der den «Negerhäuptling» Krambambuli und sein «schnusiges» Töchterlein Susu vom Löwen rettete?
Natürlich habe ich als Kind auch Kasperli gehört. An diese Episode kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern. Aber daran, dass das N-Wort für mich schon damals tabu war. Ich ging zu dieser Zeit mit einem schwarzen Mädchen in die gleiche Klasse, deren Hautfarbe für uns Gschpänli nie ein Thema war. Aber man müsste wohl sie fragen, wie sie es selbst erlebt hat.

Ihr Sohn Lennox ist 15 Jahre jung. Wie reagiert er auf das Thema Rassismus?
Für ihn sind alle Menschen gleich – unabhängig ihrer Hautfarbe. Wir haben uns immer bemüht, diesen Grundsatz auch in der Familie vorzuleben. Schliesslich steht schon in der Bundesverfassung zu den Grundrechten in Artikel 7: «Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.»

Ist seine Generation toleranter als die ältere?
Schwierig, dies so allgemein zu beurteilen. Ich stelle einfach fest, dass die Jugendlichen von heute viel politischer sind, als viele Ältere dies meinen. Und sie gehen möglicherweise unbefangener, aber zugleich engagiert mit aktuellen Themen um.

Wie viele Menschen dunkler Hautfarbe arbeiten eigentlich bei SRF?
Das wird so nicht erhoben. Mir ist aber bekannt, dass bei SRF Menschen aus 18 Nationalitäten arbeiten. Jene Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund sind dabei nicht eingerechnet.

Bei einem Gespräch mit Ihrer News-Kollegin Angélique Beldner fragten wir uns, ob wir ihre afrikanische Herkunft noch nennen dürfen. Ist das schon Rassismus?
Ich habe in den vergangenen Tagen dazugelernt: Es kann in der Tat als rassistisch aufgefasst werden, wenn man nach der Herkunft fragt. Persönlich denke ich, dass es aber immer auch eine Frage des Moments und der Tonalität ist.

Ist es heute überhaupt noch möglich, politisch korrekt zu sein?
Ich bin mir nicht sicher, ob die Begrifflichkeit «politisch korrekt» richtig ist. Letztlich geht es darum, Respekt zu zeigen. Voreinander und füreinander. Und da sollte die Hautfarbe eigentlich keine Rolle spielen.

Reden wir über die Mohrenkopf-Debatte. Man hat das Gefühl, die Gesellschaft ist sich Corona überdrüssig und suchte ein neues emotionales Thema. Täuscht der Eindruck?
Vergessen Sie nicht, dass am Anfang der jetzigen Debatte nicht diese Süssigkeiten standen, sondern der brutale Tod von George Floyd in Minneapolis. Es wäre falsch, das Thema Rassismus auf den Aspekt der Süssigkeiten mit den umstrittenen Namen zu reduzieren.

Sie stehen immer wieder mal im Fokus – ob als «Kotz-Brotz» oder jetzt als einer, der Dunkelhäutige zu wenig zu Wort kommen lässt. Wird Ihnen das alles nicht langsam zu viel?
Ich bin nicht Journalist geworden, um mir nur Freunde zu machen. Mir geht es um die Sache. Manchmal braucht es zwei Anläufe – wie beim Thema Rassismus. Und wem die Hitze nicht behagt, der muss nicht in die Küche stehen. Und als Moderator nicht in ein Studio.

Wie kommen Sie nach einer «Arena» wieder runter?
Das gelingt meistens erst am nächsten Tag so richtig – beim Joggen. Gleich nach der Sendung bin ich noch mehrere Stunden im ersten Austausch auf Social Media und gehe auf Rückmeldungen ein. Aber irgendwann kommt dann der Moment, wo ich bei einem Glas Wein mit Freunden über andere Dinge als die «Arena» spreche.

Und was kommt nach der «Arena»? Haben Sie Träume, Pläne?
Dafür habe ich gar keine Zeit (lacht). Ich bin jetzt seit über 30 Jahren als Journalist tätig und will mich auch künftig noch weiterentwickeln – bei der «Arena». Mit einem Team, auf das ich stolz bin. Gerade jetzt in diesen turbulenten Zeiten.

Essen Sie eigentlich «Mohrenköpfe »– oder pardon: Schaumküsse?
Nein – die sind mir zu süss und zu klebrig.

Wie nennen Sie sie selber?
Kalorienbomben.

«Arena»-Dompteur

Sandro Brotz kam 1969 in Mendrisio TI zur Welt. Nach einer KV-Ausbildung startete er seine Karriere beim Lokal-TV. Er war stellvertretender Chefredaktor beim SonntagsBlick und gehörte zum Gründungsteam von Roger Schawinskis Radio 1. Ab 2012 moderierte er die «Rundschau», seit 2019 die «Arena». Brotz hat einen 15-jährigen Sohn und ist begeisterter Läufer.

SRF/Oscar Alessio

Sandro Brotz kam 1969 in Mendrisio TI zur Welt. Nach einer KV-Ausbildung startete er seine Karriere beim Lokal-TV. Er war stellvertretender Chefredaktor beim SonntagsBlick und gehörte zum Gründungsteam von Roger Schawinskis Radio 1. Ab 2012 moderierte er die «Rundschau», seit 2019 die «Arena». Brotz hat einen 15-jährigen Sohn und ist begeisterter Läufer.

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