Seine Lippen hat er in einer Sekunde rot geschminkt. «Ich bin ja auch keine Frau, deshalb gings so schnell», sagt Rolf Knie (74) lachend. Nachdem auch Kleid und Perücke sitzen, schlüpft der kultige Clown, Künstler und einstiger «Salto Natale»-Direktor, nach 36 Jahren wieder in die Rolle von «Charleys Tante». Ein Bühnenstück, das er 1988 uraufgeführt hat und 420 Mal ausverkauft war.
Als Blick seine Umwandlung begleitet, erst das Make-Up, dann die Perücke und am Schluss das Kleid, braucht er rund 20 Minuten. «Das ist noch viel zu lange, die letzten Jahrzehnte habe ich den Griff zu diesen Utensilien nicht gemacht», meint er mit einem Schmunzeln. Auf der Bühne hat er dafür genau eineinhalb Minuten Zeit, wobei er von Kopf bis Fuss, alles selbst macht. «Es ist auf den Moment genau getaktet. Bei einem gewissen Wort muss ich als Frau wieder auf der Bühne stehen».
Kein Alkohol, kein Nikotin und kein Lifestyle-Yoga
Die Geschichte des legendären Hans Gmür (1927 bis 2004) ist einfach erklärt, auch wenn es Windungen und Wendungen gibt. Zwei Studenten planen eine Verabredung und brauchen dazu eine Anstandsdame. Da die dafür vorgesehene Tante nicht rechtzeitig eintrifft, überreden sie ihren Freund, der diese Rolle übernimmt und damit einige Komplikationen herbeiführt. «Einer steht auf mich, ich aber auf seine Begleitung» so Knie. Vom Erfolg der Neuauflage, in der er nicht nur seine clowneske Komik, sondern auch Artistik einbringt, verlangen körperlich vieles von ihm ab. «Ich springe vom Stuhl und mache sonst noch so einige wilde Sachen». Dass er so fit sei, verdanke er seinen Genen, so Knie. Und seinem Lebensstil: «Ich trinke nicht, rauche nicht und mache kein Lifestyle-Yoga, wovon ich gar nichts halte.»
Was treibt den Universalkünstler, der schon so viel erfolgreich erreicht hat, dazu an? «Ich möchte einst gehen im Wissen, dass ich nichts bereue. Alles im Leben gemacht habe, was mir Freude macht. Die Bühnenproduktion gehört ebenso dazu wie meine Bilder und Skulpturen, die ich weiter kreieren werde».
Gute Sachen sind in jeder Kunstform zeitlos
Seine Konzentration gilt nun «Charleys Tante», die ersten Proben beginnen diese Tage. Die Musse dazu hat er. Sein artistischer Show-Zirkus «Salto Natale» hat er Sohn Gregory Knie (45) übergeben, das balearischen Domizil Mallorca nach 35 Jahren verkauft. Mit seiner Gattin Belinha Knie (65) lebt er wieder an seinen Heimatort Rapperswil-Jona SG, wo er am 27. Januar 2024 Premiere feiern wird.
Vom Erfolg ist er überzeugt. «Gute Sachen sind in jeder Kunstform zeitlos. Nur was nach Mode schreit, hat ein Ablaufdatum. Ich habe in all den Vorstellungen erlebt, dass Leute zwei Stunden lang gelacht haben. Die Sorgen hinter sich lassen, loslassen können, ist doch die beste Therapie». Bedenken, man könnte seine Transformation als kulturelle Aneignung sehen, findet er ‹absoluten Blödsinn›. Ich verwandle mich in eine Frau, um einem Kollegen mit viel witzigen Momenten aus der Patsche zu helfen. Darum gehts und um nichts anderes. Je schwerer die Zeiten sind, umso mehr sehnen sich die Menschen nach Unterhaltung, die ich ihnen noch so gerne biete.»
Tickets sind ab jetzt, unter www.charleystante.ch erhältlich.