So viel Müll hinterlassen die Bergsteiger am Mount Everest
1:40
Strengere Kontrollen gefordert:Bergsteiger hinterlassen Unmengen Müll am Mount Everest

Bergsteigerin Evelyne Binsack ist über den Müll schockiert
«Der Everest ist ein Mekka für die Fast-Food-Generation geworden»

Evelyne Binsack rechnet ab mit den Müll-Touristen am Mount Everest, den sie als erste Schweizerin 2001 bestieg. Und erzählt Blick ihre Sichtweise der Menschen, die den Abfall liegen lassen.
Publiziert: 01.06.2023 um 17:12 Uhr
|
Aktualisiert: 01.06.2023 um 19:28 Uhr
Bildschirmfoto 2017-08-17 um 09.30.04 Kopie 2.jpg
Flavia SchlittlerRoyal- und People-Expertin

Die schockierenden Bilder des komplett vermüllten Mount Everest gehen um die Welt und bringen auch Bergsteigerin Evelyne Binsack (56) in Rage. 2001 war sie die erste Schweizerin, die den höchsten Berg der Welt – 8848 Meter – bestieg. «Damals war alles noch sauber und anders. Der ganze Abfall, der nun da überall liegt, ist eine Schande», sagt sie gegenüber Blick.

Zu sehen sind im Video herumliegende Sauerstoffflaschen, Plastik, Essensbehälter, kaputte Gegenstände. Dies beim vierten Camp, in der sogenannten Todeszone, wo die Luft besonders dünn ist. Die Extremsportlerin sieht darin einen Zusammenhang. «Die Bergtouristen kennen in der Ausnahmesituation ihren Körper nicht, sind nur mit sich selbst beschäftigt. Das geht so weit, dass sie sich gegenseitig Sauerstoffflaschen und Essen klauen. Von denen gibt es leider immer mehr. Dieser Typ Berggänger ist primär ein Konsument.» Anders sei dies beim klassischen Bergsteiger. «Das ist der Typ Abenteurer, der ein ganz anderes Mindset hat und auch mehr Selbstverantwortung mit sich bringt.»

Immer mehr Menschen zieht es auf den Mount Everest

Zu ihrer Zeit habe sich die nepalesische Regierung um die Müllbeseitigung gekümmert. «Man zahlte 1000 Dollar pro Kopf, bekam eine 200-Liter-Tonne als Toilette, die wir im Basislager installierten. Für uns war klar, dass wir unseren Kot auf dem Berg aufsammeln und ihn in Säcklein zurückbringen. Etwas liegenzulassen ist unter Bergsteigern ein No-Go».

Diese aktuellen Mount-Everest-Müllbilder schockieren derzeit weltweit.
Foto: Tenzi Sherpa
1/10

Die Bergtouristen zieht es immer mehr auf den Mount Everest. 454 Personen aus 61 Ländern haben gemäss einer Mitteilung für die aktuelle Frühlingssaison eine Genehmigung zur Besteigung erhalten – das ist Rekord. Eine Genehmigung kostet rund 10'000 Franken. Für die gesamte Expedition bezahlt eine Person in der Regel rund 40'000 bis 100'000 Franken. Darin enthalten sind Ausrüstung, Zelte, Inlandsflüge, Essen, Sauerstoffflaschen und ein einheimisches Helferteam. Die Abfallentsorgung nicht – diesbezüglich würden Regierung und Umweltschutzverbände nach einer Lösung suchen.

Das neue Mekka der Fast-Food-Generation

Gemäss der Nidwaldner Alpinistin handelt es sich bei den Müll-Touristen um «diese Art Menschen, die sich wegen ihres sinnentleerten Lebens eine Bucket-List erstellt haben und diese ‹abhaken›», sagt sie, und ergänzt: «Sie haben eine Form der Panik, etwas im Leben zu verpassen, und diese Panik führt zum Überdruss im Überfluss, wie es Erich Fromm so schön beschreibt.» Dies sei die eine Spezies.

Hinzu kämen die konsumorientierten Mount-Everest-Touristen. «Der höchste Berg der Welt scheint ein Mekka geworden zu sein für die Fast-Food-Generation. Die Leute, die bei McDonald's essen, Red Bull und Bier trinken. Sieht man sich in der Schweiz um, was da alles auf dem Boden liegt, sind es Fast-Food-Papiere, Aludosen, Flaschen und Zigarettenstummel.»

In puncto Mount Everest würde sie die Genehmigungen, die für Nepal zwar wirtschaftlich wichtig sind, drastisch kürzen. «Zudem müssten sich die Leute verpflichten, ihren Müll wieder nach unten zu bringen. Und man müsste eine Abfall-Busse einführen. Wenn da nicht bald etwas passiert, wird der wunderschöne, höchste Berg der Welt nur eine weitere Mülldeponie und leider nichts anderes mehr.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?