Als Perlentaucherin Honey Rider, schrieb die Bernerin Ursula Andress cineastische Geschichte. Im ersten 007-Klassiker «James Bond jagt Dr. No» aus dem Jahr 1962 verkörperte sie an der Seite von Sean Connery (1930–2020) das Bild einer selbstbewussten Frau. Noch heute gilt sie als die Ikone aller Bond-Girls. Sie liebte die Helden der Leinwand, war mit James Dean (1931–1955) und Jean-Paul Belmondo (87) liiert. Letzteren nahm sie oft mit nach Hause nach Ostermundigen BE. Da gings nicht um Glamour, sondern um die Nähe in ihrer Familie, die über die Dorfgrenze bekannte Apfelwähe der Mutter und das gemütliche Zusammensein am grossen Tisch mit ihren Eltern und den fünf Geschwistern.
Heute lebt «Ursi National» allein, glücklich, zufrieden und zurückgezogen auf ihrem Anwesen in Rom. Mit ihrem Bruder Heinz (79), dem noch aktiven Fahrlehrer aus Bern, hat sie regen Kontakt. Jeden Sonntag, früh morgens, telefonieren die Geschwister miteinander. Zu ihrem 85. Geburtstag am 19. März erinnert er sich an die gemeinsame Kindheit, eine spezielle Episode, die er nie vergesse und so typisch sei für den Charakter seiner geliebten Ursi. Seinen Brief an sie schreibt er exklusiv für SonntagsBlick.
Liebste Ursi
Gerne erinnere ich mich an unsere frühen Jahre. Schon als Kind hast Du nach Erlebnissen gesucht. Deine Vitalität und Dein Hunger nach Abenteuer haben uns alle angesteckt. Wir lebten im damals kleinen Dörfchen Ostermundigen. Viel Ablenkung gabs ausserhalb unserer Gärtnerei nicht. Also mussten wir uns selbst unterhalten und uns so manches ausdenken.
Weisst Du noch, wie gerne Du mit Deiner Schwester Käthy mit dem verlotterten Bäbiwagen spazieren gegangen bist? Eines Tages fandest Du, es müsste ein neuer her. Deine Idee, mit gerade mal etwa sechs Jahren: Ihr schiebt den alten auf die Strasse und lasst ihn überfahren. Der Fahrer würde dann schon einen neuen bezahlen. Doch Du warst auch damals schon sehr gewieft und wusstest, dass es auch ärmere Fahrer gibt. Also sollte es einer in einem Mercedes sein. Gesagt, getan. Ihr habt so lange gewartet, bis einer mit einem Mercedes kam. Und genau, wie es Dein Plan war, geschah es: Der Bäbiwagen wurde überfahren, zwei kleine, blonde Mädchen mit Zöpfen haben geweint und geschluchzt, Du vor allem. Schon da war Dein schauspielerisches Talent gut zu erkennen, wie auch Dein Qualitätsbewusstsein. Es musste der Luxuswagen von Wisa Gloria in Hellblau sein, den ihr auch bekommen habt und überglücklich damit wart.
Als Du den weltweiten Durchbruch als Bond-Girl geschafft hast, waren wir natürlich alle stolz auf Dich. Doch so richtig einordnen, was das für Dich bedeutet, konnte ich nicht. Über all die Jahre bliebst Du bodenständig, liebenswürdig und hast mich in vielem unterstützt. Du hast Jean-Paul Belmondo und John Derek genauso bei uns an den Familientisch gesetzt wie ich mein Schätzeli aus dem Nachbardorf. Wie als Kind hast Du nach dem Essen in der Küche geholfen. Dir war immer wichtig, dass sich alle wohlfühlten. So hat es auch vor allem Belmondo, der oft bei uns war, so genossen, mit uns zu plaudern und zu lachen. Wir lauschten seinen Geschichten genauso gerne wie er den unseren. Nie hattest Du Allüren, im Gegenteil.
Heute lebst Du glücklich in Deinem Rom. Es gab Zeiten, da wollten immer alle etwas von Dir. Irgendwann wurde Dir das zu viel, und Du hast Dich zurückgezogen. Ich freue mich auf unsere sonntäglichen Telefonate, die immer sehr früh sein müssen, da Du dann die Blumen und Pflanzen giessen musst, im Garten jäten, Dich um Deine Katze kümmerst oder sonst etwas im Haus erledigst.
Am 19. März wirst Du den 85. Geburtstag im kleinsten Kreis feiern. Ich wünsche Dir von Herzen beste Gesundheit, dass Du so selbständig bleibst und Du Deine Zuversicht und Deinen goldenen Humor immer behältst.»
Grosse Umarmung aus Bern
Heinz
