Casterin Corinna Glaus
Sie entscheidet, wer einen Oscar gewinnt

Die Zürcher Casting-Direktorin Corinna Glaus gehört zu den auserlesenen Filmschaffenden, die Oscar-Gewinnerinnen und -Gewinner küren.
Publiziert: 25.04.2021 um 01:21 Uhr
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Aktualisiert: 01.05.2021 um 14:22 Uhr
Patricia Broder

«And the Oscar goes to ...» Eine Zürcherin bestimmt heute Abend mit, wer in Los Angeles (USA) den beliebtesten Filmpreis der Welt gewinnt: Corinna Glaus (64). Glaus ist nicht nur die renommierteste Casterin des Landes («Die göttliche Ordnung», «Platzspitzbaby»), sondern seit vier Jahren auch Academy-Mitglied. Damit gehört sie zu den über 7000 Filmschaffenden, die jedes Jahr entscheiden, wer das begehrte Goldmännchen nach Hause nehmen darf. «Dieses Jahr konnte ich die Filme zum ersten Mal nicht im Kino sehen, was sehr schade ist», sagt Glaus. «Denn manche Werke wirken auf der grossen Leinwand ganz anders.» Der Qualität der Filme hat Corona allerdings keinen Abbruch getan, erklärt die Expertin. «Es fiel mir auch dieses Jahr schwer, mich zu entscheiden – zum Glück.»

Beste Hauptdarstellerin

«Meine beiden Favoritinnen sind Viola Davis und Andra Day. Davis ist als Sängerin Ma Rainey, der Mutter des Blues, hervorragend. Ihr Talent ist die grosse Wandelbarkeit! Sie schafft es, mich als Zuschauerin mit ihrer physischen und emotionalen Präsenz in diese ganz eigene Welt der Ma Rainey mitzunehmen. Auch Andra Day als Jazz-Ikone Billie Holiday ist ein Genuss.»

Bester Hauptdarsteller

«Anthony Hopkins liefert in ‹The Father› einmal mehr eine unglaubliche Leistung ab. Hopkins spielt einen Mann, der an Demenz erkrankt. Dabei führt er uns auf eindringliche Weise den Horror vor Augen, langsam seine Erinnerung zu verlieren – sehr berührend. Auch Riz Ahmed in ‹Sound of Metal› ist stark. Ohne Effekthascherei erzählt er uns die Geschichte eines Punkmusikers, der plötzlich sein Gehör verliert.»

Die Zürcher Casterin Corinna Glaus ist seit 2017 Mitglied der Academy und entscheidet mit, wer heute Abend einen Oscar gewinnt.
Foto: Thomas Meier
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Nebenrolle Frauen

«Glenn Close und Olivia Colman sind beide fantastisch. Wir bewegen uns bei den Oscars ja immer in der Super League. Doch ich habe mich hier für Yuh-Jung Youn in ‹Minari› entschieden. Ich mag es, wenn mich eine Schauspielerin überrascht. Und Yuh-Jungs Art des Spiels, auf den Punkt zu kommen, hat mich überrascht und gepackt. Toll, wie sie in diesem leisen Film mit feinen Stilmitteln eine grosse Story erzählt.»

Nebenrolle Männer

«Es fiel mir schwer, mich zwischen Daniel Kaluuya und Lakeith Stanfield zu entscheiden. 2021 sind viele afroamerikanische Schauspieler unter den Nominierten, was glücklicherweise dem Anspruch der Diversität der Oscars gerecht wird und mich beim Wählen auch bestimmt hat. Kaluuya und Stanfield sind beide stark in ‹Judas and the Black Messiah›, der die Geschichte der ‹Black Panther›-Bewegung erzählt. Die Darsteller sind in ihrem Spiel nicht belehrend, sondern machen auf authentische Weise die Tragik der Bewegung spürbar.»

Bester Film

«Meine Stimme ging an ‹Judas and the Black Messiah›. Eine unglaubliche Ensemble-Leistung. Der Film hat keine falsche Melodramatik, sondern ist unmittelbar und bestärkend. Auch bei der Inszenierung stimmt alles: die Besetzung, die Kamera, die Ausstattung. Das Amerika der späten 60er-Jahre, mit seinen Rassenunruhen, wird atmosphärisch und bildlich perfekt inszeniert. Angesichts der momentanen politischen Lage in den USA ist der Film zudem sehr aktuell.»

Beste Regie

«David Fincher ist der klare Favorit für ‹Mank›. Der Film ist spektakulär und wunderschön, hochglanzmässig inszeniert. Doch mir ist er schon fast zu perfekt. Ich habe mich deshalb für die Regisseurin Chloé Zhao entschieden. Obwohl sie jung ist, hat sie mit ‹Nomadland› eine sehr reife Leistung abgelegt. Beeindruckend, wie kraftvoll sie die teilweise alteingesessenen Schauspieler führt.»

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